Europa vor dem Frexit?

Seite 3: Gefahren für die Demokratie und eine Prognose für die Wahl

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Schließlich: Die französischen Wahlen boten in den letzten Monaten ein Exempel dafür, wie die Demokratie sich selbst zerstören könnte (was gut möglich ist, denn wie wäre dieser Prozess aufzuhalten?) - im Zangengriff zwischen radikaler Demokratisierung und radikaler Moralisierung. Die innerparteilichen Vorwahlen (von denen sich die SPD im Fall Schulz klugerweise schon mal wieder verabschiedet hat) kommen einem Selbstmord der Parteien und ihrer Struktur gleich.

Strategie und Taktik können hier nicht mehr stattfinden. Das Urteilsvermögen der Basis ist gleich Null, wie man am Schicksal von Juppé und Valls erkennen kann, zwei möglichen Kandidaten der großen Parteien, die jeweils auch im konkurrierenden Lager attraktiv gewirkt hätten. Wozu dann überhaupt noch Parteien?

Die Moralisierung aller Verhältnisse, ein Reflex auf allgemeine Unsicherheiten und geschwundenes Institutionenvertrauen, kommt als Justiz maskiert daher: Die Prozesse gegen Sarkozy, die bislang unbewiesenen Anklagen gegen Fillon, der grassierende generelle Antikorruptions- und Compliance-Wahn, der die westlichen Gesellschaften erfasst hat und handlungsunfähig macht, hat mindestens zwei aussichtsreiche Kandidaten zerstört.

Derartige Eingriffe in die demokratische Willensbildung, noch vervielfacht flankiert von den hunderten unbezahlten Praktikanten der Staatsanwaltschaft in den Echokammern der Medien und die allgemeine Kultur des Verdachts mit ihren Erregungswellen und Hexenjagden, können auf Dauer einer Demokratie nicht gut tun.

Weil die Demoskopen zuletzt immer Unrecht hatten und der Bauch recht, sei hier zu guter Letzt ein persönlicher Tipp erlaubt: Macron führt, wird an erster Stelle stehen und wird Präsident. Fillon kommt in die Stichwahl.