Europas Politik immer stärker von Muslimen beeinflusst?

Update zur Annahme der UN-Resolution zum Sicherheitszaun: Nach dem Zerwürfnis Scharons mit Frankreich taucht plötzlich ein Geheimbericht des israelischen Außenministeriums über den wachsenden Einfluss der Muslime in Europa auf; Israel will zudem die Leugnung des Holocaust weltweit nach israelischem Recht bestrafen können

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Ob der Vorstoß des israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharons den gewünschten Erfolg hatte, lässt sich schwer sagen. Scharon hatte am Sonntag vor "der Ausbreitung des wildesten Antisemitismus" in Frankreich gesprochen und die französischen Juden aufgefordert, deshalb möglichst schnell nach Israel auszuwandern: "Das ist ein Muss und muss sofort geschehen." Das ist in Frankreich nicht gut angekommen. Der französische Präsident Jacques Chirac betrachtet Scharon erst einmal als unerwünschte Person, selbst die französischen Juden gingen auf Distanz.

Ganz unbedacht scheint der Affront von Scharon nicht zu kommen, denn auch am Montag wiederholte sein Büro, dass es in Frankreich Antisemitismus gebe. Und dass Scharon trotz der Gegenmaßnahmen der französischen Regierung die französischen Juden wie die Juden in aller Welt dazu auffordere, nach Israel auszuwandern.

Und wie um die Haltung Scharons zu verstärken, stellte die israelische Zeitung Maariv gestern einen angeblich geheimen Bericht des Außenministeriums vor, der dieser wohl nicht ganz zufällig just zu dieser Zeit zugespielt wurde. Darin wird gewarnt, dass durch die schnell wachsende Zahl der Muslime in Europa deren Einfluss auf die europäische Politik immer stärker werde. Die europäischen Nationen seien darüber besorgt. Der Islam sei schon zur zweitgrößten Religion geworden. Jetzt würden bereits zwischen 9 und 15 Millionen Muslims in Europa leben.

Nach den demographischen Daten wird die Zahl der Muslims kontinuierlich aufgrund einer hohen Geburtenrate und einer andauenden Masseneinwanderung zunehmen.

Die Zukunft Europas werde daher zunehmend von Muslims beeinflusst. Gerade der Einfluss der zuwandernden Muslims und hier besonders der Frauen werden von den europäischen Ländern unterschätzt, die sich nicht mit dem "Phänomen der 'importierten' Bräute aus islamischen Ländern beschäftigen". Diese werden von muslimischen Männern bevorzugt, da sie noch nicht den unerwünschten Eigenschaften der westlichen Gesellschaft ausgesetzt gewesen sind. Die verstärkte Zusammenarbeit der europäischen Geheimdienste nach dem 11.9. habe durch eine genauere Überwachung muslimsicher Organisationen gezeigt, dass diese im ganzen Kontinent große Operationen ausführen würden.

Zwar würden große Teile der muslimischen Bevölkerung nach Integration trachten, große Gemeinschaften in Deutschland, Großbritannien oder Frankreich würden sich aber abschließen und religiöse, lokale und ethnische Institutionen gründen. Der Einfluss der "muslimischen Bruderschaft" sei stark. Bedenklich sei vor allem, dass radikale Predigten in Moscheen stattfinden, die außerhalb jeder Kontrolle stehen. Vor allem Muslims der zweiten oder dritten Generation der Einwanderer, die sich nicht integrieren können und sich daher abgelehnt fühlten, wären das Rekrutierungsfeld von Terrororganisationen. Viele derjenigen, die festgenommen wurden, weil sie in Verdacht stehen, Beziehungen zu Terrororganisationen zu haben, kommen so aus Europa.

Der Bericht ist nicht falsch und bringt eigentlich keine neuen Erkenntnisse (Gefahr der Ghettoisierung von Problemvierteln), auch wenn die Mutmaßung, dass der muslimische Terrorismus ein europäisches Produkt sei, schon ein wenig eigenartig klingt. Aber vielleicht wurde dies von Maariv auch nur missverständlich dargestellt. Man erfährt allerdings auch nicht, warum dieser Bericht überhaupt geheim sein soll. Allerdings wird auch nicht näher ausgeführt, was in der Überschrift steht: "Israel ist besorgt über den Aufstieg des Islam in Europa". Zudem ist der Vorwurf auch nicht nicht gerade das erste Mal geäußert worden (Scharon sieht kollektiven Antisemitismus in Europa)

Die israelische Regierung steht innenpolitisch unter erheblichem Druck (Bürger Scharon). Außenpolitisch sucht man nach dem Entscheid des Internationalen Gerichtshofs über den Sperrzaun, der völkerrechtswidrig sei, sofern er nicht auf der Grenze verlaufe, sondern in palästinensisches Gebiet reiche (Eine simple Sache), womöglich Europa wegen der heute anstehenden Abstimmung über die palästinensische Resolution in der UN-Generalversammlung in eine Ecke zu manövrieren, um das Verhalten gegenüber Israel zu beeinflussen. Kritik an Israel könnte womöglich als Einfluss der Muslims in Europa diskreditiert werden.

Update: Die Vollversammlung der UN hat gestern Aebend mit überwätigender Mehrheit von 150 Stimmen bei 6 Gegenstimmen (Australien, Israel, Marshall Islands, Mikronesien, Palau, USA) und 10 Enthaltungen (Kamerun, Kanada, El Salvador, Nauru, Papua Neu-Guinea, Solomon Islands, Tonga, Uganda, Uruguay, Vanuatu) eine - nicht bindende - Resolution angenommen, die Israel auffordert, das Gutachten des Internationalen Gerichtshofs umzusetzen und den Sperrzaun dort zu entfernen, wo er wie bei Jerusalem über palästinensisches Gebiet verläuft oder verlaufen wird. Die Resolution fordert UN-Generalsekretär Kofi Annan überdies auf, die durch den Zaun entstandenen Schäden festzustellen. Israel und die Palästinensische Autonomiebehörde werden aufgefordert, die Road Map umzusetzen.

Die EU-Länder waren maßgeblich daran beteiligt, die Resolution im Ton zu mildern und beide Seiten zu Gewaltverzicht zu drängen. Hinzugefügt wurde auf Druck der europäischen Länder das Recht Israels auf Selbstverteidigung. Der EU-Sprecher betonte, dass nur der Verlauf, aber nicht der Sperrzaun selbst kritisiert werde. Die Palästinensische Autonomiebehörde wird in der Resolution weiterhin aufgefordert, alle Personen zu verfolgen und festzunehmen, die Gewalttaten durchführen und planen, während Israel alle Aktionen einstellen soll, die das Vertrauen untergraben. Gegannt werden Deportationen, Angriffe auf Zivilisten und gezielte Tötungen.

Israels UN-Botschafter bezeichnete den Beschluss als "einseitig und total konterproduktiv" und erklärte, dass der Zaun auf der Grundlage des internationalen Rechts, wie dies der Oberste Gerichtshof Israels entschieden hat, weiter gebaut werde. Die Resolution zeuge von "Gleichgültigkeit und Apathie gegenüber der andauernden Kampagne des palästinensischen Terrorismus, die Leben kostet. Das ist nicht Recht, das ist die Perversion des Rechts."

Unverblümter wird die Kritik an der UN im Bush-Stil (Wer nicht für uns ist, ist mit unseren Feinden) etwa in einem pro-israelischen Weblog ausgedrückt, wobei unterstellt wird, dass die Resolution den Abbau der Mauer fordert, während sie sich gegen deren Verlauf richtet:

"The dictators, cronies, bagmen, and sycophantic toadies of the United Nations General Assembly have voted 150-6 that Israel is violating the human rights of Hamas, Islamic Jihad, and the Al Aqsa Martyrs’ Brigades. And Israel must immediately cease oppressing the Islamic killers, by tearing down the defensive barrier that has been preventing them from carrying out their sacred mission: slaughtering children on schoolbuses."

Angespannt sind derzeit freilich auch die Beziehungen mit Neuseeland und der Türkei. Dazu kommen die Ankündigungen, womöglich gegen die atomare Aufrüstung im Iran militärisch vorgehen zu wollen (Gewitter über dem Land der Mullahs), während die Spannung an der Grenze zu Libanon steigt. Hier wurden gestern zwei israelische Soldaten von Hisbollah-Kämpfern getötet, worauf Israel Panzer und Hubschrauber einsetzte und Kampfflugzeuge über Beirut kreisen ließ.

Gegen den europäischen Antisemitismus bereitet man in Israel noch eine andere Waffe vor. Oft geht bekanntlich Antisemitismus mit der Leugnung der Vernichtung der Juden durch die deutschen Nazis zusammen. In erster Lesung hat der Knesset gestern ein Gesetz einstimmig angenommen, dass Holocaust-Leugnung weltweit zu einem Vergehen nach israelischem Recht machen würde. Sollte das Gesetz tatsächlich in Kraft treten, könnte Israel versuchen, dass Holocaust-Leugner ausgeliefert werden. Wie die Jerusalem Post bemerkt, wäre dies ziemlich unwahrscheinlich, aber Israel hätte - wie etwa bereits Deutschland - die Möglichkeit, in das Land einreisende Holocaust-Leugner festzunehmen und zu bestrafen.