Feindbild: Russland macht Information zur Waffe

Seite 2: Reinigung des Informationsraums

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Das von Neocons geleitete Legatum Institute (Slogan: "Prosperity Through Revitalising Capitalism and Democracy") wird finanziert vom gleichnamigen, vom Milliardär Chris Chandler 2007 gegründeten Investmentunternehmen mit Sitz in Dubai. Chandler hat mit seinem Bruder nach dem Zerfall der Sowjetunion seinen Reichtum in Russland kräftig vermehrt. Das Unternehmen tritt für freie Märkte und freies Unternehmertum ein, also für einen ungezügelten Kapitalismus. Das angeblich unabhängige Institut soll "globalen Wohlstand und die Erweiterung der menschlichen Freiheit" fördern. Nebenbei: Auffällig ist, dass Wikipedia-Einträge in der Regel offenbar nur das Selbstverständnis oder die Propaganda vieler Unternehmen und Institutionen wiedergeben, Kritisches findet man immer weniger.

CEPA ist eine 2005 gegründete transatlantische Lobbyorganisation, im Beirat sitzen u.a. Madeleine K. Albright, Jan Krzysztof Bielecki, Anne Applebaum, Carl Bildt oder Zbigniew Brzezinski. Ziel ist die Schaffung eines "economically vibrant, strategically secure and politically free Central and Eastern Europe with close and enduring ties to the United States". Man ist offensiv atlantisch, eurozentristisch und auf den freien Markt orientiert. Finanziert wird CEPA vom Pentagon und von US-Rüstungskonzernen wie Boeing, Lockheed Martin Corporation, Raytheon und anderen Konzernen wie Chevron oder Sikorsky Aircraft sowie einigen Stiftungen.

CEPA hatte sich zunächst als ein Partner des National Center for Policy Analysis (NCPA) bezeichnet, wie sich in der Wayback Machine erkennen lässt, das aber später lieber weggelassen. NCPA vertritt eine libertäre Ideologie, tritt für die Abschaffung der Unternehmenssteuer ein, soll u.a. von den Koch-Brüdern (Walmart) und Exxon Gelder erhalten haben, um gegen die Klimaerwärmung Lobby zu betreiben.

Angeregt wurde PropOrNot offensichtlich von Weiss und Pomerantsev sowie den transatlantischen Interessengruppen, die sie vertreten und für die sie Lobbyarbeit treiben. Sie schlugen in ihrem Bericht genau das vor, was die angeblich "besorgten amerikanischen Bürger" von PropOrNot begannen auszuführen. So solle eine NGO geschaffen werden, "um ein internationales anerkanntes Ratingsystem für Desinformation zu schaffen und Analysewerkzeuge zur Verfügung zu stellen, um Kommunikationsformen zu definieren". Das heißt im Umkehrschluss, die Freiheit der Information einzuschränken und nichtkonforme Medien zumindest zu brandmarken. Was man in Russland heftig kritisiert, soll auch in den westlichen Ländern eingeführt werden.

Verdächtige Intellektuelle, Thinktanks, Kommentatoren und politische Berater müssen ihre Verbindungen zu Russland offenlegen, was heißt, dass sie beobachtet werden sollen, um russische Netzwerke aufzudecken. Dazu gehören auch Medien und Websites, die Propaganda oder Fakenews verbreiten. In Medien sollten "Counter-Disinformation"-Redakteure installiert werden, die gleich an der Quelle Zensur ausüben. Bevölkerungen sollten auch direkt beeinflusst werden, um sie nicht der russischen Propaganda anheimfallen zu lassen. Natürlich sagen sie, man müsse Zensur vermeiden, aber gleichwohl sollten "Medien, die bewusste Täuschung praktizieren, von der Gemeinschaft ausgeschlossen werden". Was das sein soll, sagen sie nicht.

Ein erster Schritt wurde mit PropOrNot gemacht. Wer tatsächlich dahintersteht, ist nicht bekannt, was natürlich auch der von von Weiss und Pomerantsev geforderten Transparenz widerspricht. Es ist die Welt, wie sie in der Ukraine, gefördert von zahlreichen US-Organisationen, als Anti-Propaganda-Informationskampagne auftritt und dort etwa dazu führte, dass ebenso massiv wie in den russischen Medien Propaganda und einseitige Informationen verbreitet werden, aber dass auch eine Liste von tausenden Journalisten von Hackern, die mit dem ukrainischen Geheimdienst kooperieren, ins Netz gestellt wurde, die verdächtig werden, prorussisch zu sein, weil sie einmal aus dem Donbass berichtet hatten und sich dafür akkreditieren mussten. Und das in einem Klima, in dem auch Journalisten getötet wurden. In der Ukraine werden Bücher, Filme und Sender zensiert und Künstler oder andere Personen ausgesperrt, die nicht genügend pro-ukrainisch sind.

Hoffnung, doch noch die Wahl anfechten zu können?

The Interpreter übt sich derweilen auch im McCarthy-Stil. So schrieb in dem Magazin der Ex-NSA-Mitarbeiter John Schindler unter dem Titel "Is a Top American Diplomat a Russian Agent?", dass der frühere US-Botschafter der Nato und spätere Botschafter in Russland Alexander Vershbow ein "Beeinflussungsagent des Kreml gewesen sei. Die Story basiert auf einem Interview mit dem russischen Geschäftsmann und Putin-Gegner Konstantin Borovoy in einem ukrainischen Medium. Schindler breitet lediglich Verdächtigungen aus, aber beklagt, dass sich die Medien nicht um solche Fälle kümmern. Nach einem Artikel in The Nation gab es offenbar kaum Unterstützung für Vershbow gegen die Schmierenkampagne, man hat Sorge, als pro-russisch wahrgenommen zu werden.

Und dann gibt es noch Alexandra Chalupa, die im Democratic National Committee mitgearbeitet hat und als Ukraine-Amerikanerin Lobbyarbeit für die Ukraine macht. Sie hatte während des Wahlkampfs Proteste organisiert, als Trump Paul Manafort zu seinem Berater machte, ein "Trojanisches Pferd des Kreml". Im April soll sie dann zum Ziel von Cyberangriffen geworden sein.

Auch wenn sie den DNC wohl nicht mehr berät und Manafort kein Berater von Trump mehr ist, setzt sie ihren Ehrgeiz darin, den Verdacht, dass Russland in die Wahl zugunsten von Trump eingewirkt hat, zu stärken, um noch Trump als Präsidenten zu verhindern. Damit ist sie Teil von interessierten Medien und Politikern, die Trump als Putinfreund diskreditieren und letztlich die Wahl als ungültig erklären wollen.

So setzt sie auf die Initiative der amerikanischen Grünen, die Stimmen nachzuzählen. Und sie hat gerade einen Tweet ihrer Schwester retweetet: "If GOP doesn't stand up to Putin now and do everything in its power to avoid Trump taking office, Russia blackmail will keep GOP in-check." Sie vermutet, dass RNC, in dessen Computer auch eingedrungen worden sein soll, erpresst worden sein könnte. Und sie sagt: "Russians rigged their own elections, & this is how they rigged Ukraine's elections. Did they tamper in U.S. elections?" Ein Eingreifen in die US-Wahl hatte sie als "Kriegshandlung" bezeichnet.

Die Kampagne gegen den hybriden russischen Krieg begann bereits vor der Annexion der Krim durch Russland. Im Hintergrund geht es um die Erweiterung der Nato und der Reaktion der russischen Regierung. Und beim ausgerufenen Informationskrieg darum, dass Russland erst vor kurzem staatliche Auslandsmedien wie RT oder Sputnik geschaffen, die das Weltbild Moskaus darstellen, was der Westen schon seit Jahrzehnten unter der Ideologie des "free flow of information" macht. Nachdem Russland den freien Informationsfluss auch nutzt, um ebenso wie europäische und amerikanische Medien in Russland Informationen im Westen auf Englisch, Französisch oder Deutsch zu verbreiten, herrscht im Westen Panik und wird die Doktrin des freien Informationsflusses in Frage gestellt und so getan, als habe der Westen die Wahrheit gepachtet und als gebe es keine westliche Propaganda, keine Spin doctors der Politik, keine interessengeleitete Thinktanks und keine Versuche, die Öffentlichkeit in Russland und anderen Ländern zu beeinflussen.

Die jahrzehntelang selbst ausgeübte Propaganda nun als Krieg oder als Waffe zu bezeichnen, ist eine deutliche Konfliktverschärfung, eine hybride Kriegsführung, von der man glauben machen will, dass sie nur die anderen im neu-alten Reich des Bösen machen. Die russischen Medien machen das Spiel vermutlich offensiver und sind weniger geschult, das hinter vorgeblichen Werten zu verstecken. Im Wettrüsten des Informationskriegs wird es freilich um so wichtiger, dass es wirklich unabhängige Medien gibt, die in Distanz zu beiden Seiten bleiben, denn im Wettrüsten bleibt die Wahrheit wie im Krieg auf der Strecke.

Und was den Wahl Sieg von Trump betrifft, dürfte weder Microtargeting noch Moskau dafür verantwortlich sein, sondern der falsche Kandidat der Demokraten.