Fliegende Sternwarte SOFIA beflügelt Infrarot-Astronomie

Seite 3: Flexibler als Satellit

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Auch wenn das leistungsfähigste und hochmodernste Weltraum-Infrarotteleskop der Europäischen Weltraumagentur ESA, Herschel, mit seinem im Durchmesser 3,5 Meter großen Hauptspiegel (derzeit der größte Spiegel aller im All treibenden Teleskope) noch weitere drei Jahre nach Infrarotstrahlen fahndet, vornehmlich in einem Wellenlängenspektrum von 157 bis 670 μm, soll SOFIA mindestens 20 Jahre lang dem bislang vernachlässigten mittleren Infrarotbereich sezieren, der bislang weder vom Erdboden noch von einem Satelliten aus systematisch durchforstet werden konnte, da sowohl bodengestützte als auch orbitale Teleskope ihn (größtenteils) nicht erfassen können.

Astro-Foto des 650 Lichtjahre entfernten Sterns CW Leonis. Aufgenommen von Herschel im fernen Infrarotbereich. Bild: ESA/PACS/SPIRE/MESS Consortia

Ohnehin kann SOFIA mit Qualitäten auftrumpfen, mit dem selbst das Beste in der Schwerelosigkeit treibende Fernrohr nicht konkurrieren kann. Denn wenn die fliegende Sternwarte in der Stratosphäre Position bezieht und dabei etwa 99 Prozent des störenden Wasserdampfs unter sich gelassen hat, schließt sie nicht nur eine wichtige Lücke im Infrarotfenster, sondern spielt zugleich ihre Stärken gegenüber einem vermeintlichen High-Tech-Satelliten vollends aus. Schließlich hadern Weltraumteleskope seit Beginn der Raumfahrt mit dem Schicksal, dass ihre Hard- und Software, insbesondere der Hauptspiegel, die Detektoren, Sensoren und Spektrometer schon viele Jahre vor dem Starttermin, manchmal bis zu 10 Jahre, eingefroren wird. So gesehen hievt das Trägersystem bei jedem Start technisches Instrumentarium in den Orbit, das beim Abheben der Rakete bereits obsolet ist.

SOFIA-Aufnahme von Jupiter (rechts); links im sichtbaren Licht

Und angesichts der harten „Umweltbedingungen“ im Orbit und an den Lagrangepunkten beschleunigt sich der Alterungsprozess der veralteten Hardware um ein Weiteres.

Während Weltraumteleskope infolge des großen zeitlichen und finanziellen Aufwandes in der Regel nicht nachgerüstet werden (das NASA-ESA-Fernrohr Hubble bildete hier die absolute Ausnahme), können die SOFIA-Wissenschaftler und Ingenieure nach jeder Landung bei Bedarf alle Teile und Instrumente optimieren – auch das Trägerflugzeug selbst. Ob kleinere oder größere Reparaturen anstehen, ob der komplette Austausch eines Spektrometers vorgesehen ist oder sogar ein noch sensiblerer Hauptspiegel eingesetzt werden soll – SOFIAs Hardware kann stets dem neuesten Stand der Hard- und Software entsprechend angepasst werden.

Mehr noch: Im Gegensatz zu einem Satelliten ist SOFIA äußerst flexibel und variabel. So können die SOFIA-Forscher etwa, die eine Langzeitbeobachtung einer ausgewählten Infrarotquelle in Erwägung ziehen, die Flugbahn des Jumbo-Jets gezielt und beliebig ändern.

Bild: NASA

Da der modifizierte Jumbo Jet keine spezielle Start- oder Landebahn benötigt und somit jeden größeren Flughafen weltweit ansteuern kann, können die Wissenschaftler praktisch jeden Punkt dieser Welt anfliegen und somit auch kurzfristig rein lokal auftretende astrophysikalische Ereignisse wie Sonnen- und Mondfinsternisse studieren – auch auf der Südhalbkugel.

Loch im Flugzeugrumpf

Erreicht die ehemalige US-Linienmaschine ihre Dienstgipfelhöhe (12 bis 14 Kilometer), rollt am linken hinteren Rumpf des Jets eine jalousieähnliche Schiebetür nach oben, wodurch ein zehn Quadratmeter großes Loch entsteht. Was in der Luftfahrt schlichtweg als das klassische Schreckensszenarium gilt, ist von den SOFIA-Forschern jedoch ganz und gar beabsichtigt, ebnet doch just dieses Loch dem Hauptspiegel einen freien Blick in den Himmel.

Die SOFIA-Teleskopeinheit. Die gesamte Teleskopanlage wiegt bei einem Spiegeldurchmesser von 2,70 Metern (Teleskopöffnung: 2,50 Meter) etwa 20 Tonnen. Bild: DLR. Links/Nächstes Bild: Das im Innern des Jumbo-Jets platzierte Original. Bild: NASA

Während die Forscher und die Bedienungsinstrumente durch ein Sicherungsschott vor dem niedrigen Luftdruck und der Kälte in der Teleskop-Kabine getrennt sind, starrt das „Fernrohr“ so lange durch das künstliche Loch, bis die Observation beendet ist. Bereits vor dem Landeanflug schließt die Rolltür wieder und schützt auf diese Weise das "Fernrohr" vor Feuchtigkeit und Schmutz.

Fraglos ist das Herzstück der SOFIA-Mission der aus Glaskeramik gefertigte 800 Kilogramm schwere Hauptspiegel von 2,7 Meter Durchmesser, der sekundiert wird von einem kleineren zweiten Spiegel (34 Zentimeter) und einen Tertiärspiegel. Selbst die in der irdischen Stratosphäre vorherrschenden extremen Wetter- und Temperaturschwankungen können dem Equipment nichts anhaben – weder der hohe Luftdruck noch die Kälte (bis zu minus 60 Grad Celsius). Vor allem die turbulenten Luftströmungen, die in zwölf Kilometer Flughöhe die Teleskopanlage normalerweise ohne Rücksicht auf elektronische Verluste durchschütteln würden, kommen nicht zum Tragen, weil die SOFIA-Forscher das Teleskop mit Luftpolstern umgeben haben.

GREAT-Empfänger unmittelbar vor dem Transport ins Flugzeug, Flugzeug-Observatorium SOFIA im Hintergrund. Bild: MPIfR

Außerdem installierten die Ingenieure einen speziell vollautomatischen Motor, der den Spiegel im Flugzeug präzise nachjustiert, damit das anvisierte Objekt trotz solcher Vibrationen im Fokus bleibt.

GREAT

Nachdem unlängst (am 21. und 22. Januar 2011) der "German Receiver for Astronomy at Terahertz Frequencies" (GREAT) im Flugzeug-Observatorium installiert wurde, sind nur noch eine Reihe von Tests zu absolvieren, bevor SOFIA im April dieses Jahres in offizieller wissenschaftlicher Mission starten kann.

GREAT ist einer von zwei wichtigen Empfängern für spektroskopische Infrarot-Beobachtungen, an dessen Einwicklung, Umsetzung und Bau das Max-Planck-Institut für Radioastronomie Bonn, die Universität zu Köln, das Max-Planck-Institut für Aeronomie in Katlenburg-Lindau und das DLR-PF Berlin maßgeblich beteiligt waren.

Während sich GREAT auf den Frequenzbereich von 60 bis 220 µm Wellenlänge (1,2 bis 5 Terahertz) konzentriert, widmet sich das ebenfalls von deutschen Wissenschaftlern entwickelte zweite SOFIA-Instrument FIFI-LS (Far-Infrared Field-Imaging Line Spectrometer) fernen Infrarotbereich.

GREAT. Bild: NASA/Tom Tschida

Seine Stärken kann GREAT vor allem bei der Analyse von physikalischen sowie chemischen Prozessen ausspielen, die in der Umgebung von jungen Sternen, in der Milchstraße und in nahen Galaxien vorkommen. Aber auch bei der Erforschung unseres Planetensystems, zum Beispiel bei der Atmosphärenanalyse unseres Schwesterplaneten Venus oder der des Saturnmondes Titan wird GREAT gefordert sein.

SOFIA beim Start und Öffnen der „Teleskoptüre“ - NASA-Video

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Herschel aus der Sicht eines Künstlers. Bild: ESA