Fracking: Auf zu neuen (Fall-)Höhen?
Seite 2: Frac, Baby, Frac! und eine Trendumkehr
- Fracking: Auf zu neuen (Fall-)Höhen?
- Frac, Baby, Frac! und eine Trendumkehr
- USA: Neue Lücken im Gesetz
- Eine Industrie sucht ihren Weg
- Fracking wechselt keine Paradigmen
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Die wohl größte mediale Aufmerksamkeit bekommt derzeit eine Technik-Kombination, die aus rein ingenieurtechnischem Blickwinkel eine Meisterleistung darstellt. Die Horizontalbohrungen in tausenden Metern Tiefe, in die unter hohem Druck tausende Liter Flüssigkeiten gepumpt werden, um künstliche Risse in festes Gestein zu sprengen, sind allgemein unter dem Begriff "Fracking" bekannt. Fracking ist eine Abkürzung für Hydraulic Fracturing. Diese Technik soll nun die Sorge um ein Ölfördermaximum gänzlich vertreiben, denn sie macht Ressourcen von enormem Umfang nutzbar. Dank Fracking haben es die USA geschafft, den seit Anfang der 1970er anhaltenden Trend fallender Förderraten umzukehren.
Diese Umkehrung sorgt für große Euphorie in der Ölförderindustrie. Auf 104 Millionen Barrel pro Tag soll sich die Ölförderung bis 2030 steigern lassen, sagt BP in seinem neuen World Energy Outlook (BP-Chef: Warnungen vor Peak-Oil sind "zunehmend grundlos"). Von einem Ölfördermaximum sei bis dahin also nichts zu sehen und die meisten Veröffentlichungen zu dem Thema suggerieren, 2030 sei so weit weg, dass es uns heute noch nicht sorgen muss, was danach geschieht. Die technikgebundene Euphorie suggeriert überdies: Vermutlich werden wir auch nach 2030 weitere Öl- und Gasressourcen verfügbar machen und uns falls nötig weitere Technologien einfallen lassen.
Die derzeitige Berichterstattung schafft es also, jegliche Fragen nach Risiken des eingeschlagenen Weges auszublenden und wegzuschieben und legt das Ergebnis des weiteren Prozesses bereits im Vorfeld fest: Fracking wird die neue Technologie der Ölförderung. Weltweit eingesetzt wird sie dazu beitragen, selbst den stark wachsenden Ölbedarf Chinas und Indiens zu sichern.
Diese Euphorie ist verständlich. Noch vor wenigen Jahren stand die Ölindustrie unter Druck, als sich die Stimmen eines naheliegenden Ölfördermaximums mehrten. Szenarien, die bis zum Kollaps des bestehenden, weil ölbasierten Wirtschaftssystems gingen, schafften es bis in die großen Medien. (siehe: "Rohstoffknappheit: Bundeswehr-Studie warnt vor dramatischer Ölkrise" im Spiegel). Nach mehreren Jahren Erfahrung mit der Fracking-Technik in den USA kann die Industrie jetzt sichtbare, in Zahlen messbare Fördererfolge nachweisen. Der immer wiederkehrende Verweis auf die US-Entwicklung ist werbewirksam genug, um die Technik auch in andere Weltregionen zu exportieren.
Konventionell am Limit
Es gilt jedoch festzuhalten: Ohne Fracking & Co. wäre das Ölfördermaximum bereits erreicht. Die konventionellen Fördertechniken haben ihre Boomphase hinter sich und sind in ihrer Lebensmitte angekommen. Das Ölzeitalter hat den Zeitpunkt einer Zäsur erreicht, da die vergleichsweise aufwandsarmen Ölfördermethoden an ihre Grenzen des Wachstums gekommen sind.
Nicht Artikel über eine neue Fördertechnik würden in den Medien dominieren, sondern die Diskussion um einen Pfadwechsel bei unserem Energieverbrauch würde dominieren, wenn es die neuen Fördertechniken nicht gäbe. Nicht die Subventionskosten erneuerbarer Energieträger stünden im Mittelpunkt der Energiewendediskussion, sondern die steigenden Kosten der fossilen Energieträger und die Suche nach Strategien zur Abkehr von Öl, Kohle und Gas. In jedem Fall wäre ein neuer Umgang mit Öl notwendig, doch das Aufkommen der neuen Ölfördertechniken suggeriert uns, dass wir diesen neuen Umgang nur auf der Angebotsseite einüben müssen, also dort, wo Öl gefördert wird. Strategien für die Drosselung des Ölverbrauchs werden nicht in den Medien diskutiert, und es ist nachvollziehbar, warum dies so ist: Auch Medienleute wollen ihren Lebensstil fortführen, sie wollen in den Urlaub fliegen und die Annehmlichkeiten des Ölzeitalters beibehalten - Suffizienzdiskussionen sind unpopulär.
Die Fortführung des Lebensstils versprechen uns die Ölkonzerne, die in diesem Sinne als Heiland auftreten. Sie haben die neuen Technologien, die alle Bedrohungsszenarien mangelnder Ölverfügbarkeit wegwischen, und vermutlich werden wir bereit sein, diese Technologien anwendbar zu machen. Fracking ist zumindest schon einmal medial ein wirksamer Game-Changer. Ob die Technik die vollmundigen Versprechen überhaupt halten kann, wird durchaus angezweifelt und in den kommenden Monaten sicherlich aufmerksam beobachtet.