Frankreich: der Mittelstand soll mehr Personal einstellen

Premierminister Valls ködert kleine Unternehmen mit Anreizprämien für Neueinstellungen und mittlere mit einer Deckelung von Abfindungen und erleichternden Regelungen für befristete Verträge

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Frankreich hat ein Arbeitslosigkeitsproblem. Im April erreichte die Quote erneut Rekordwerte (Frankreich: Erneuter Anstieg der Arbeitslosigkeit) - obwohl Hollande die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zur Priorität seiner verbleibenden Amtszeit gemacht hat. Damit Reformen endlich und möglichst rasch und sichtbar greifen, hat sein Premierminister Valls gestern einen neuen Maßnahmenkatalog vorgelegt, der die bisherigen Reformpakete ergänzen soll.

Für den Beschleunigungsgang, Motto: "Die Bremsen für die Einstellung von Beschäftigten lösen. Alles für die Anstellung!", hat er sich den Mittelstand ausgesucht, der von den sehr kleinen (unter 10 Angestellte) bis zu den mittelgroßen Unternehmen (10 bis 250 Angestellte) reicht. Sie beschäftigen in der Summe mehr als die Hälfe der angestellten Lohn-und Gehaltsempfänger, sind also ein lohnendes Ziel für die Beschäftigungspolitik, so der Grundgedanke.

Die Umsetzung der sozialdemokratischen Regierung orientiert sich am Musterargument der Arbeitgeber, in Frankreich ausgesprochen vom Vorsitzenden der Arbeitgebervereinigung Medef, Pierre Gattaz:

Es gibt eine echte Angst, jemanden in Frankreich einzustellen.

Unternehmen wünschen sich möglichst wenig Hindernisse bei der Kündigung, dazu gehört viel Spielraum bei den befristeten Arbeitsverträgen. Der Maßnahmenkatalog Valls kommt dem entgegen: die Abfindungen werden gedeckelt, gerade soweit, wie dies möglich ist, ohne mit den Regelungen des Arbeitsschutzes (französisch: "indemnité prud'homales") in Konflikt zu geraten. Für die kommunistische Zeitung L'Humanité geht damit ein Traum der Arbeitgeber in Erfüllung.

Tatsächlich zeigen sich Vertreter der Arbeitgeber mit diesem Punkt einverstanden, auch wenn die genaueren Abmachungen im Detail noch nicht feststehen - ob sich etwa eine Musterskala der Regierung durchsetzen wird, wie weit das vor Arbeitsgerichten Bestand hat, und andere Fragen sind noch nicht fix geklärt. Aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung, so der Tenor auf der Arbeitgeberseite.

Dort ist man auch zufrieden damit, dass der Maßnahmenkatalog nun die zweimalige Verlängerung befristeter Verträge zuläßt. Bislang war nur die einmalige Verlängerung erlaubt. Da es immer mehr solcher unternehmerfreundlicher befristeter Verträge, welche die Beschäftigten einer größeren Unsicherheit aussetzen gibt, sei das ein ganz schlechtes Signal, wird dem von der L'Humanité entgegengehalten.

Die linke Zeitung verweist darauf, dass es so viele befristete Verträge wie noch nie gebe. Sie würden mittlerweile 87,1 Prozent aller neuen Arbeitsverträge ausmachen, 70 Prozent davon seien auf eine Dauer unter einem Monat befristet.

Einiges Aufsehen erzielte Valls mit einem staatlichen Zuschuss für eine Neueinstellung. Bis zu 4.000 Euro Unterstützung - 2.000 pro Jahr - könnten Unternehmer vom Staat bekommen, wenn sie jemanden neu einstellen und zuvor noch keinen Angestellten hatten. Das gilt mit dem gestrigen Datum bis zum 8.Juni nächsten Jahres, wenn der angestellte einen unbefristeten Arbeitsvertrag bekommt oder einen befristeten mit einer Mindestdauer von einem Jahr.

Arbeitsminister Rebsamen hofft darauf, dass diese Maßnahme für 60.000 Neueinstellungen sorgt. Ansonsten hielt sich die Regierung mit Voraussagen über den Einstellungseffekt ihrer Maßnahmen deutlich zurück. Nach Auffassung der l'Humanité zeichnet sich dagegen ab: Der Maßnahmenkatalog und die Prinzipien, die damit in Gang gesetzt oder gefördert würden, würden auf Dauer nicht zu weniger Arbeitslosen führen, sondern zu mehr.