Frau Merkel, wir haben ein Problem

Seite 2: Der Wahnsinn hat Methode

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Den ganzen Sommer 2016 über gab es Berichte von derartigen Vorfällen - allerdings in viel kleineren Rahmen - wie in der Silvesternacht. Egal ob in einer Großstadt wie Bremen oder einem kleinen Kaff wie Ahrensburg in Schleswig-Holstein, viele Stadtfeste boten den Rahmen für diese Art der (sexuellen) Gewalt.

Diese Art des kollektiv verübten Diebstahls war als "Antanz-Delikt" bekannt. Auch in Köln, an jenem Platz, wo sich in der Silvesternacht die Gewaltorgie ereignete, vor der die Polizei schlicht kapitulierte. Inzwischen ist klar, dass es genau umgekehrt war.

Ziel war die sexuelle Erniedrigung, die Diebstähle waren Nebensache. Erniedrigung der betroffenen Frauen, die damit für ihren freizügigen Lebensstil abgestraft wurden. Aber auch der Männer der Mehrheitsgesellschaft (egal, ob mit oder ohne deutschen Pass), als deren Besitz die Frauen gelten und die mit dem Angriff auf diesen "Besitz" empfindlich getroffen werden sollten.

Inzwischen geht das BKA davon aus, dass in Köln das in arabischen Staaten bekannte "taharrush gamea" praktiziert wurde. "Taharrush" bedeutet Belästigung, "gamea" gemeinschaftlich. Als Merkmale wurde die gemeinschaftliche Begehung von sexuellen Belästigungen von Frauen bis hin zu Vergewaltigungen durch Gruppen meist junger Männer in der Öffentlichkeit, meist in größeren Menschenansammlungen, genannt.

Völlig aus dem Ruder gelaufen

Die Antwort auf die Frage, was genau in der Silvesternacht und in deren Folge eigentlich schief lief, lautet: Alles!

In der ARD-Dokumentation Der Silvester-Schock, in der u.a. auch Claudia Vosen zu Wort kommt, wird deutlich: Schon am späten Silvesterabend und in der Nacht gingen beim Notruf der Kölner Polizei Hunderte Anrufe ein, die alle beim leitenden Beamten gebündelt wurden, und die alle dieselben Vorfälle beschrieben.

Menschen wurden von größeren Männer-Gruppen bedrängt. Dabei wurden Wertsachen gestohlen (Männern und Frauen) und Frauen und Mädchen sexuell belästigt. In vielen Beschreibungen ist von Händen im Hosenbund, in einigen von Fingern in der Vagina die Rede.

Auch die Täter werden im Wesentlichen immer gleich beschrieben: junge Männer, deren Wurzeln vermutlich im nordafrikanischen Raum zu finden sind. Der Leiter der Notrufzentrale beschrieb die Nacht in einer internen Mitteilung abschließend als "friedlich", und die Stimmung als "ausgelassen". Genauso wurde das dann am Neujahrsmorgen in einer Pressemitteilung kommuniziert.

Die Hinweise auf die Herkunft der Täter ließ er unter den Tisch fallen. Das sei ihm zu heikel erschienen, sagte er später. Noch etwas wird deutlich: Schon sehr viel früher zeichnete sich eine klare Gefahrenlage ab. Nämlich so gegen 18 Uhr 30, als im Dom die Messe stattfand.

Dass nicht sein kann, was nicht sein darf

Das Problem sexueller Belästigung bis hin zu Gewalt äußert sich auf der Flucht, in den Asylunterkünften und darüber hinaus. In Freiburg z. B. kamen im Januar 2016 mehrere Discotheken überein, (vorerst) keine Flüchtlinge mehr einzulassen. Darunter auch der Szene-Club "White Rabbit", in dem u.a. Solidaritätspartys für Flüchtlinge stattfinden. Auf ihrer Facebook-Seite gaben die Betreiber eine Erklärung dazu ab, und listeten auch die Vorfälle auf, die sie zu dem Schritt bewogen hatten.

Freiburgs grüner Oberbürgermeister Dieter Salomon versuchte das Problem kleinzureden.

Salomon sagte, er wolle die Vorfälle nicht verharmlosen. Der grüne Politiker weist aber darauf hin, dass es sich bei den mutmaßlichen Tätern höchstwahrscheinlich um junge Männer aus den Maghreb-Staaten handelt. "Das sind junge Männer, die in ihren Heimatländern Gewalterfahrungen gemacht haben, die kampfbereit und bewaffnet sind. Es handelt sich um eine schwierige Klientel. Mit Flüchtlingen aus Syrien hat das wenig zu tun".

SZ

Diese Verharmlosung, diese Relativierung und das schlicht Nicht-wahrhaben-Wollen, dass Flüchtlinge auch nur Menschen sind, Männer zu einem großen Teil, in vielen Fällen Männer mit einer "problematischen Prägung", wie Pfeiffer sagt, begleitete uns durch das ganze Jahr.

War es Silvester, das Oktoberfest, das als Vergleich herangezogen wurde, war es an anderer Stelle die Statistik der untergetauchten verurteilten Neonazis, die mit dem Hinweis, vor der eigenen Tür zu kehren, in die Runde geschmissen wurde, die Statistik der Verkehrstoten nach dem Anschlag auf dem Berliner Weihnachtsmarkt oder die Auflistung der 28 von Nazis ermordeten Obdachlosen, nachdem eine Horde junger Flüchtlinge in einem Berliner U-Bahnhof einen schlafenden Obdachlosen in Brand gesetzt hatten. Egal was, irgendeine Statistik, die vermeintlich Schlimmeres, vor allem aber "eigenes" Ungemach belegte, fand sich immer.

Damit werden die Täter nicht nur entschuldet, sondern auch ausgegrenzt. Denn Gewalt wird eingeteilt in "unsere" Gewalt, die schlimm ist, und um die wir uns kümmern müssen, und in "deren" Gewalt, die offenbar nicht so schlimm ist und die wir deswegen zu akzeptieren haben, solange wir "unsere" Gewalt nicht in den Griff kriegen.

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