Frauen in Deutschland 2023 – das gesellschaftlich benachteiligte Geschlecht?
Seite 2: Männer – das faule Geschlecht?
Von den legitimen Anliegen des Gleichstellungsfeminismus unterscheidet sich das in seinen Reihen beliebte Urteil, Frauen müssten im Durchschnitt mehr arbeiten als Männer.
Der Titel eines feministischen Buches (von Claudia Pinl) lautet: "Das faule Geschlecht. Wie Männer es schaffen, Frauen für sich arbeiten zu lassen" (Frankfurt M. 2000). Zeitbudgetuntersuchungen bestätigen diese Vorstellung nicht.
Einer Untersuchung des Statistischen Bundesamts von 1994 zufolge herrscht zwischen den Geschlechtern eine ausgewogene Bilanz: Frauen leisteten 15,1 Stunden bezahlte Arbeit in einer Woche, Männer 30,7 Stunden. Frauen leisteten 35 Stunden unbezahlte Arbeit, Männer 19,5. Insgesamt kamen Frauen auf 50,1 und Männer auf 50,2 Stunden (Ernst, Herbst 1997, 207).
Das Ergebnis der Zeitverwendungserhebung 2012/13 für Personen im Erwerbsalter zeigt:
Erwerbstätige Männer verbringen im Durchschnitt täglich 5:32 Stunden mit bezahlter Arbeit, etwa 1,2-mal so viel Zeit wie erwerbstätige Frauen (4:15 Stunden). Erwerbstätige Frauen verwenden auf unbezahlte Arbeit im Schnitt 3:29 Stunden und damit etwa 1,6-mal so viel Zeit wie erwerbstätige Männer (2:08 Stunden)." Insgesamt "fällt die Gesamtarbeitszeit von erwerbstätigen Frauen und Männern ähnlich hoch aus – die Frauen arbeiten im Schnitt täglich 7:44 Stunden, die Männer 7:40 Stunden.
Unbezahlte Arbeit –Frauen leisten mehr, Hans Böckler Stiftung
Die Ergebnisse der Zeitverwendungserhebung 2022/23 liegen noch nicht vor. Es sind weniger Frauen als Männer erwerbstätig und Frauen arbeiten viel öfter als Männer in Teilzeit.
2016 waren 69,8 Prozent der Frauen und 77,8 Prozent der Männer erwerbstätig. 9,3 Prozent der Männer und 46,7 Prozent der Frauen arbeiten in Teilzeit (Eurostat 2019). Althaber (2018) zufolge "arbeitet fast jede zweite erwerbstätige Frau in sozialversicherungspflichtiger Teilzeit oder geringfügiger Beschäftigung (46 Prozent), ein Großteil davon sind Mütter. Bei Männern sind es lediglich 9 Prozent. […] Diese ausgeprägten Unterschiede in der Teilzeitbeschäftigung von Frauen und Männern haben sich in den letzten 30 Jahren kaum verändert. […] Das ist insofern erstaunlich, als in derselben Zeit andere Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern abgebaut wurden: Frauen und Männer haben heute vergleichbare Qualifikationen und damit ähnliche Startbedingungen für den Arbeitsmarkt.
Feministinnen heben häufig hervor, dass Männer in Familien weniger Hausarbeit und Care-Tätigkeiten übernehmen, übergehen aber gern das von Männern geleistete höhere Ausmaß an Erwerbsarbeit.
Viele "Frauenforscherinnen zählen Tätigkeiten wie Steuererklärung, Autowartung oder Kleinreparaturen" nicht zur Hausarbeit. Solche Tätigkeiten werden häufiger von den Männern übernommen als von den Frauen.
Diese Aktivitäten sind aber keineswegs männliche Selbstverwirklichung im Hobbykeller. Es handelt sich vielmehr um Service- und Instandhaltungstätigkeiten, damit die Lampe im Bad wieder funktioniert oder das Fahrrad einwandfrei läuft, mit dem die Kinder aus der Tagesstätte abgeholt oder Einkäufe gemacht werden. Selbstverständlich ist das also auch Familienarbeit.
Gesterkamp 2012, 5
Leisten Frauen unbezahlte Arbeit?
Kai Paulsen fragt, ob Gleichstellungsfeministinnen "den Fehler machen, eine von der Frau geleistete Speisezubereitung komplett als unbezahlte Care-Tätigkeit zu buchen? (Gleiches gilt ja auch für die übrige Hausarbeit.) Immerhin fällt ja auch für die Frau etwas dabei ab. Sie wäre ja nur dann komplett als Haushaltshilfe tätig, wenn sie die Wohnung nicht bewohnt und auch nicht mitisst."
Männer in Partnerschaften teilen ihr Einkommen mit dem der Frauen. Wer in einer Partnerschaft oder Ehe ein höheres Arbeitseinkommen nach Hause bringt, ermöglicht der jeweils anderen Person insofern einen höheren Lebensstandard. Frauen in Partnerschaften trugen 2013 in Deutschland durchschnittlich ein gutes Drittel zum gemeinsamen Haushaltseinkommen bei (Frankfurter Rundschau, 23.6. 2017).
Dass im Durchschnitt immer noch Frauen mehr Haus- und Erziehungsarbeit in einer Paarbeziehung oder einer Familie leisten als Männer, heißt dann nicht, dass sie unbezahlte Arbeit leisten, wenn der Mann mehr Erwerbsarbeit leistet und mit seinem Arbeitseinkommen die weniger oder gar nicht verdienende Frau finanziell mitversorgt.
Gewiss bezahlt der Mann nicht zu Hause bei seiner Frau für das von ihr gekochte Essen. Aber die Hausfrau verschuldet sich auch nicht finanziell beim erwerbstätigen Mann.
Aus der Tatsache, dass sie durchschnittlich zwei Drittel des gemeinsamen Haushaltseinkommens einbringen, leiten selbst Männer nicht das Recht in der Partnerschaft ab, zwei Drittel der Ausgaben für sich beanspruchen zu dürfen.