Fremdes Leben im Sonnensystem

Seite 3: Jenseits von Mars und Venus

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Vielleicht glauben Sie irrtümlicherweise, dass die Erde - deren Oberfläche zu 70% mit Wasser bedeckt ist - das wasserreichste Objekt im Sonnensystem sei. Irrtum. Dieser Titel geht an Europa, einen der 67 Jupitermonde. Europa ist zwar kleiner als unser Mond, besitzt aber rund zweimal so viel Wasser wie alle Ozeane, Seen und Flüsse der Erde zusammen. Dieses Wasser ist flüssig, obwohl Europa 750 Millionen Kilometer von der Sonne entfernt ist - das ist dreimal weiter als die Außengrenze der habitablen Zone. Nicht die Sonne hält das Wasser von Europa warm, sondern der Jupiter. Europa umkreist den Gasriesen in gerade einmal dreieinhalb Tagen und wird dabei von der immensen Jupitergravitation brutal durchgerüttelt. Die Schwerkraft überträgt dabei soviel Energie in den Kern des Mondes, dass ein großer Ozean mit Flüssigwasser existieren kann. Die kolossalen Gezeitenkräfte haben auch zur Folge, dass der unterirdische Ozean um Hunderte von Metern steigt und fällt. Er ist durch einen gigantischen Eispanzer vom Vakuum des Weltraums abgeschottet. Auf dem Panzer zeigen sich gigantische Sprünge, die Lineae, die das darunter herumschwappende Wasser aufbricht.

Leben in diesem unterirdischen Ozean wäre von dem wenigen Licht abgeschottet, das überhaupt das äußere Sonnensystem erreicht. Doch wir kennen auf der Erde auch Leben, das tief in den Ozeanen ohne jedes Sonnenlicht gedeiht. Es zieht seine benötigte Energie stattdessen aus Mineralströmen, die aus Spalten in der Erdkruste empor sprudeln. Jupiters Gezeitenkräfte könnten vergleichbare hydrothermale Schlote auf dem Ozeanboden Europas entstehen lassen. Vielleicht gibt es sogar Sauerstoff: Kosmische Strahlung, die auf die Eisoberfläche trifft, könnte Wasser in Sauer- und Wasserstoff aufspalten, und der Sauerstoff könnte theoretisch durch die Sprünge in den Ozean darunter gelangen.

"Alles hängt letztlich davon ab, wie dick der Eispanzer ist, und derzeit wissen wir das schlichtweg nicht, " wendet allerdings Dartnell ein. Die große Menge an flüssigem Wasser macht die Wissenschaftler neugierig, und viele haben eine Mission gefordert, die auf dem Eis landen soll. Zwar gibt es derzeit nicht einmal derlei Planungen, aber JUICE (Jupiter Icy Moons Explorer, Start: 2022) soll immerhin nahe an Europa vorbeifliegen. Bislang hat dies nur Galileo (Start: 1989) getan.

Das mysteriöse Innenleben eines Eismonds. Bild: Science photo library
  1. Felskern Der Kern dürfte felsig sein und hauptsächlich aus Silikaten bestehen.
  2. Salzmeer Unter der Eisschicht von Enceladus soll sich ein Ozean verbergen. Er ist verantwortlich für die thermalen Ausbrüche in der Südpolarregion.
  3. Mantel Ein wassereisreicher Mantel umgibt den Kern des Monds.
  4. Tigerstreifen Diese Ritzen, aus denen Geysire spritzen, werden wohl in der turbulenten Vergangenheit des Monds entstanden sein.
  5. Geysire Flüssiges Wasser unter Druck steigt durch die spröden Eisschichten auf. Schließlich erreicht es die Oberfläche in Form von heißem Dampf und Wassertröpfchen.

Bislang stand Europa stets unangefochten im Mittelpunkt der Diskussion, wenn es um habitable Monde im Sonnensystem geht. Doch seit Kurzem wandte sich das Interesse einem noch kleineren, noch ferneren Mond zu: dem Saturnmond Enceladus. 2005 erwischte die Sonde Cassini den Mond, wie er an seinem Südpol eine Wasserfahne ins All spie. Das Wasser scheint aus vier gigantischen Rissen zu stammen, die sich über die Mondoberfläche ziehen und die man die Tigerstreifen nennt. Sie heißen Baghdad, Kairo, Alexandria und Damaskus. Seitdem wurden mehr als Hundert solcher Fontänen beobachtet. Zusammen speien sie 200 Kilogramm Wasser pro Sekunde aus.

Daten von Cassini weisen darauf hin, dass die Jets aus einem Wasserozean unter der Eiskruste des Monds stammen. "Das Wasser würde reichen, um den Lake Superior in den USA zu füllen," erklärt Luciano Iess von der Universität La Sapienza in Rom. Könnte sich in diesem Ozean Leben verbergen? Dartnell bleibt skeptisch: "Ich denke, eher findet man Leben auf Europa als auf Enceladus. Aber die Suche ist bei Enceladus nicht so schwierig." Da Enceladus Wasser ins Weltall speit, kommt man leichter heran als an das Europawasser unter dem Eispanzer. Sonden könnten durch die Wasserfahnen von Enceladus fliegen, Proben sammeln und diese sogar zur Erde zurückbringen. Dagegen wäre die Probenentnahme auf Europa sehr schwierig.

Eine Sonde auf einem Objekt im äußeren Sonnensystem zu landen, ist nicht trivial. Bislang geschah dies erst einmal: Im Januar 2005 ging Huygens auf die Titanoberfläche nieder. Titan, der größte Saturnmond und der zweitgrößte Mond im Sonnensystem, ist größer als der Merkur und besitzt als einziger Mond eine dichte Atmosphäre. Wie bei der Venus erschwert die Atmosphäre Oberflächenbeobachtungen sehr. Daher sollte Huygens nachsehen, was sich unter den Wolken verbirgt. Die so gewonnenen Erkenntnisse interessierten auch die Astrobiologen.

Wie auf der Erde gibt es auch auf Titan Seen, Flüsse und Meere. Man findet Inseln, Küstenlinien und Archipele. Doch dieses System basiert nicht auf Wasser, sondern auf Flüssigmethan, das auch als Regen wie bei uns das Wasser niedergeht. Kohlenwasserstoffe, die als Bausteine des Lebens dienen, hat man auch entdeckt. Doch kann sich Leben unter so fremdartigen Bedingungen entwickeln?

Wir wissen nicht, ob Flüssigmethan genauso effizient als Lösungsmittel für Strukturen wie DNA fungieren kann.

Dr. Lewis Dartnell

Titan hat auch flüssiges Wasser - nur nicht an der Oberfläche. Im Juli 2012 fanden Wissenschaftler in den Cassini-Daten Hinweise, dass der Mond einen Ozean unter der Oberfläche besitzt, der aus flüssigem Wasser und Ammoniak besteht. Er ist wohl extrem salzig, vielleicht so salzig wie das Tote Meer. Doch wiederum haben Extremophile bewiesen, dass sich Leben auch an hohe Salzmengen anpassen kann, zumal wenn das Wasser einst weniger salzig war. "Titan könnte theoretisch nicht nur eine Biosphäre haben, sondern zwei", meint Dartnell. Wäre dem so, könnten sich die beiden Ökosysteme völlig unabhängig voneinander entwickelt haben.

Zieht man weitere Stoffe als Lösungsmittel für Leben statt Wasser ins Kalkül, ist Triton, der größte Neptunmond, ein weiterer Kandidat. Die Temperatur dort beträgt nur noch -235 Grad Celsius, sodass nicht einmal mehr Methan flüssig bleibt. Doch unter der Eiskruste existiert wahrscheinlich ein Ozean. Eisvulkane an der Oberfläche speien flüssigen Stickstoff und Methan aus. Kohlenwasserstoffe gibt es auch. Trotzdem dürfte Triton kaum Leben zulassen. "Triton ist ein Außenseiterkandidat. Niemand weiß, ob Flüssigstickstoff Leben ermöglichen kann, " gibt Dartnell zu bedenken.

Die Crybot-Sonde soll kilometerdicke Eispanzer durchbrechen und erforschen, was darunter verborgen ist. Bild: NASA

Was Triton besonders interessant macht, ist die Tatsache, dass er als einziger größerer Mond des Sonnensystems rückläufig umläuft - also umgekehrt zur Eigendrehung seines Planeten. Es ist schwer vorstellbar, dass sich ein großer Mond rückläufig kreisend gebildet hat. Deswegen nimmt man an, dass Triton erst nachträglich von der Neptunschwerkraft eingefangen wurde. Entstanden ist der Mond wohl im Kuipergürtel - einer Region mit eisigen Objekten, zu denen auch der Zwergplanet Pluto gehört. In dieser Region befindet sich mindestens zwanzig Mal mehr Material als im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter. Jenseits des Kuipergürtels befindet sich die sogenannte Scattered Disk - Heimat kurzperiodischer Kometen wie des berühmten Halleyschen Kometen. Sowohl Kometen als auch Asteroiden tragen komplexe organische Moleküle, die das Bausteine des Lebens fungieren könnten. Missionen wie Rosetta von ESA - die nach einer zehnjährigen Reise über 400 Millionen Kilometer den Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko erreichte - sollen mehr über die Verbindung zwischen Kometen und Leben herausfinden.

In der Frühzeit des Sonnensystems waren die Planeten und Monde einer Vielzahl von Kometen- und Asteroideneinschlägen ausgesetzt. Diese Periode heißt "Großes Bombardement". Merkur und Mond zeigen noch heute Narben davon. Vielleicht kamen so diejenigen chemischen Verbindungen auf die noch junge Erde, aus denen sich später das Leben entwickelte. Wäre dem so, dann könnten auch andere Orte im Sonnensystem damals entsprechend geimpft worden sein. Diese Frage, nämlich ob sich diese Samen auch andernorts zu Leben entwickelten, war eine treibende Kraft hinter der bisherigen Weltraumforschung im Sonnensystem.

Allerdings wissen wir immer noch nicht, was eigentlich ein lebensfreundliches Habitat ausmacht. Nach wie vor ist die Erde der einzige Ort, der erwiesenermaßen Leben erlaubt. Und wir wissen nicht einmal, wie das Leben auf unserem Planeten überhaupt begann. Wüsste man, wie unbelebte chemische Verbindungen - die vielleicht von Kometen stammen - zu etwas wurden, was wir Leben nennen, wäre dies ein großer Schritt. So könnten wir besser vorhersagen, ob dies auch auf anderen Welten - in unserem Sonnensystem oder anderswo - geschehen sein könnte.

Fremdes Leben im Sonnensystem (6 Bilder)

Thermalquellen von Yellowstone. In manchen Quellen des Yellowstone-Parks findet sich so viel Schwefelsäure, dass kein Leben existieren kann - außer bestimmten Bakterien, die sich dort sehr wohl fühlen. Bild: Jim Peaco, National Park Service / Wikicommons, Public Domain

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.