Frieden mit dem Krieg machen
Seite 2: Die Ampel wird grün
- Frieden mit dem Krieg machen
- Die Ampel wird grün
- Die Moral zur Sache
- Auf einer Seite lesen
Im Unterschied zu den USA versteht und vollzieht die Bundesrepublik ihr Fortschreiten von Helmen zu Haubitzen und von Nord Stream 2 zur "Ruinierung" Russlands (Baerbock) als "Zeitenwende", weil der Ukraine-Krieg ihrem Sonderweg, der sich "Wandel durch Handel" nannte, den Boden entzogen hat.
Das friedfertige Gegenstück zur US-amerikanischen Politik der Stärke war er nicht. Deutschland unterstützte und benutzte sie vielmehr als Rückendeckung und als Druckmittel, um in berechnendem Abstand zu dieser Grundlage national ertragreiche Geschäftsbeziehungen mit Russland einzugehen. Das trug Berlin den Ärger mehrerer US-Administrationen ein, den Trump dann in die Worte münzte, die Nato sei wohl obsolete, weil in ihr Aufwand und Nutzen zum Schaden Amerikas verteilt seien.
In der Zuspitzung des Konflikts im Vorfeld, insbesondere dann in der Antwort auf die resultierenden Kriegshandlungen in der Ukraine haben die USA mit Zustimmung im Bündnis der Nato nun eine neue Notwendigkeit verpasst, was für Deutschland bedeutet, seine Räson und Rolle in dieser Lage neu zu definieren. Dank der ökonomischen Abhängigkeiten, in die es den Kreml gebracht hat, wusste es sich umgehend zum Vorreiter des fälligen Wirtschaftskriegs zu machen.
Mit seiner berühmten "Schuldentragfähigkeit" will es nicht nur dessen Kollateralschäden in der eigenen Ökonomie kompensieren, sondern vor allem die Bundeswehr nachhaltig zur führenden Armee Europas aus- und aufrüsten. Außerdem potenziert die Ampel-Koalition ihre Waffenhilfe entlang der militärischen "Dynamik", kreditiert und beschenkt den ukrainischen Staatshaushalt, fördert die neue Norderweiterung der Nato usw.
All das folgt eben auch aus der deutschen Lesart der europäischen Friedens- und Sicherheitsordnung, die es unter geänderten Umständen zu erhalten und wiederherzustellen gilt. In den Worten des Finanzministers "verteidigt die Ukraine auch unsere Werte der offenen Gesellschaft, der freiheitlichen Demokratie und der sozialen Marktwirtschaft" (Lindner bei Illner am 12.5.22).
Wie die Ukraine das als ein Staat erbringen soll, der im bisherigen Urteil von EU-Administratoren notorisch für Korruption, Machtmissbrauch und Oligarchenwirtschaft ist, lässt die Rede zwar etwas im Dunkeln. Hinreichend klar wird aber das Selbstverständnis und der Anspruch, mit dem auch Deutschland den russischen Behauptungswillen als Untat gegen eine fraglos gute Ordnung zurückweist.
Die praktischen Schritte, die die Bundesregierung dazu ergreift, reflektieren bei allen beschworenen Werten natürlich darauf – und relativieren sich gegebenenfalls daran –, dass die staatliche Handlungsfreiheit und der nationale Wirtschaftserfolg gewahrt bleiben. Deshalb werden etwa Energieabkommen mit Russland temporär fortgeführt, obwohl sie dem beschlossenen Finanzboykott zuwiderlaufen.
Die Schlote müssen dem grünen Klimaschutzminister zufolge schließlich rauchen, um die Finanzkraft und die Hardware zu erbringen, die gegen "Putins Krieg" in Stellung gebracht werden.
Außenpolitisch ist die Regierung darum bemüht, Stichwort dritter Weltkrieg, sich in der antirussischen Eskalation den eigenen Spielraum und die nötige Mitsprache zu sichern, wohl wissend, dass Deutschland in eine Auseinandersetzung zwischen Nuklearmächten involviert ist, in der ihm nationale Kalkulationen mit Atomwaffen nicht zu Gebote stehen.