Fünf Euro mehr, ein Bildungspaket(chen) und ein Mindestlohn für Leiharbeiter

Seite 2: Sparen, sparen sparen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Der ALG-II-Regelsatz enthält nach Ansicht der Bundesregierung auch einen Anteil, der eine Rücklage sein soll - ein Ansparbetrag. Doch in der Neuregelung wurde akribisch auch noch der letzte Posten herausgerechnet, zum Beispiel Schnittpflanzen oder die chemische Reinigung, die ALG-II-Empfänger angeblich nicht benötigen, weil ihnen die Kleidung dafür fehlt. Erst durch diese Herausrechnung von Posten war es möglich, dass die Erhöhung letztendlich bei nur 5 Euro lag. Das Statistikmodell soll es dem ALG-II-Empfänger erlauben, einen höheren oder niedrigen Bedarf im Rahmen des Regelsatzes auszugleichen, was bei einer derartigen centgenauen Berechnung aber nicht mehr machbar ist.

Hierzu muss noch berücksichtigt werden, dass diese centgenaue Berechnung nur von jenen, die die Berechnung vorgenommen haben, nachvollziehbar ist. Der Grund liegt hier in der Datenbasis beziehungsweise in der geringen Zahl der Haushalte, die befragt wurden oder Angaben machten. Sind nämlich Daten nur von weniger als 25 Haushalten angegeben, so werden diese nicht veröffentlicht. Das heißt, hier ist keine Transparenz gegeben sein, wie sie das Bundesverfassungsgericht forderte, sondern es muss blind auf eine korrekte Berechnung vertraut werden.

Mal centgenau, mal pauschaliert

Bei Schnittpflanzen wurde centgenau erfasst, bei dem Bedarf für Kinder hingegen erneut von den Familienausgaben auf die Ausgaben für das Kind im speziellen geschlossen. Das zeugt von einer inkonsequenten Haltung bei der Ermittlung der Sätze, die diejenigen, die die Datenbasis anforderten, damit begründen, dass sich bei einer kinderspezifischen Ermittlung voraussichtlich zu wenig Haushalte gefunden hätten, die eine solche akribische Aufschlüsselung vornehmen, was zu einer Verringerung der Datenbasis führen würde. Aber zum einen ist dies eine Vermutung, die nicht näher belegt wird, zum anderen ist angesichts der centgenauen Angabe von Schnittpflanzen, chemischer Reinigung, Ausgaben für Werkzeug, welches mit dem Garten zu tun hat und so weiter eher nicht davon auszugehen, dass gerade diese weiteren Angaben, die für die Berechnung wie sie das Bundesverfassungsgericht gefordert hat, notwendig sind, an einer mangelnden Bereitschaft in den Haushalten gescheitert wären.

Dies sind nur einige Punkte, die die Einigung beim ALG-II-Regelsatz angreifbar machen. Normenkontrollklagen sowie Verfassungsbeschwerden sind bereits angekündigt worden und werden das neue Gesetz, sobald es in Kraft tritt, auf dem Direktwege nach Karlsruhe befördern. Der vermeintliche "Riesendurchbruch" ist niemandem gelungen, doch wähnen sich alle beteiligten Parteien als Sieger, wobei die Linke zu den abschließenden Beratungen und Sitzungen nicht eingeladen wurde und die Grünen aus Protest den Saal verließen. Die "Einigung" dürfen sich somit CDU/CSU, FDP und SPD auf die Fahnen schreiben. Die SPD versucht hier einen von ihr bekannten Schlingerkurs - Sigmar Gabriel äußerte bereits in einem Interview, dass die Grünen mit ihrer Einschätzung der Verfassungswidrigkeit recht haben könnten. Eine Einigung voller Überzeugung sieht anders aus.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.