G7-Gipfel: Hat diese Politik noch eine Zukunft?

Flaggen von Mitgliedern der G7

(Bild: Fly Of Swallow Studio / Shutterstock.com )

G7 beschließt Milliardenkredit für Ukraine aus eingefrorenen Geldern Russlands. Doch der Gipfel offenbart Schwächen des Formats. Steht G7 vor dem Aus?

In der süditalienischen Provinz Apulien hat am Donnerstag der diesjährige G-7-Gipfel begonnen. Die sieben führenden Industrienationen sollen sich darauf geeinigt haben, der Ukraine Kredite in Höhe von 50 Milliarden US-Dollar zu gewähren. Die Finanzierung soll aus den Zinsen der bis 2022 eingefrorenen Gelder der russischen Zentralbank erfolgen.

G-7-Gipfel in Apulien: Ukraine soll Milliardenkredite erhalten

Details der Vereinbarung wurden bisher nicht bekannt. Den Gesprächen nahestehende Personen erklärten gegenüber Reuters, man habe sich im Vorfeld im Prinzip geeinigt und man erwarte nicht, dass einer der sieben Staats- und Regierungschef Einwände dagegen erheben werde.

Zuletzt waren noch entscheidende Fragen offen. Zum Beispiel, ob die europäischen Steuerzahler für die Zinsen aufkommen müssen, wenn die russischen Guthaben nach Kriegsende wieder freigegeben werden oder wenn die Europäische Zentralbank die Leitzinsen senkt.

Umstrittene Finanzierung: Reichen die Zinsen der eingefrorenen russischen Gelder?

US-Finanzministerin Janet Yellen schrieb in einem Artikel in der New York Times, der Kredit werde der Ukraine die Mittel geben, die das Land für seine Verteidigung und den Wiederaufbau benötige.

Diese Behauptung entbehrt jedoch jeder Grundlage: Kiew benötigt jährlich rund 88 Milliarden Euro an ausländischer Hilfe. Der Kredit deckt also nicht einmal den Bedarf eines Jahres. Ganz zu schweigen von den Zinsen für die eingefrorenen russischen Gelder: Je nach Zinsniveau können so zwischen drei und vier Milliarden Euro zusammenkommen.

Man habe sich auch auf einen Weg geeinigt, erklärten Diplomaten gegenüber Reuters, wie die Unterstützung für die Ukraine auch im Falle eines Regierungswechsels in den G-7-Staaten gesichert werden könne.

Ukraine-Hilfe auch nach möglichen Regierungswechseln sichern

Das war laut Bericht eine Anspielung darauf, dass ein künftiger US-Präsident Donald Trump die Hilfen für Kiew wieder streichen könnte. Der amtierende Präsident Joe Biden liegt in vielen Umfragen hinter Trump, sodass es wahrscheinlich ist, dass dieser wieder ins Weiße Haus einzieht.

Aber auch die europäischen Regierungschefs stehen unter Druck und die Amtszeit des einen oder anderen könnte bald enden. Der britische Premierminister Rishi Sunak könnte im Juli abgewählt werden. Und um den französischen Präsidenten Emmanuel Macron ranken sich Gerüchte, dass er im kommenden Monat zurücktreten könnte, wenn die Rechtspopulisten um Marine Le Pen stärkste Kraft in der Nationalversammlung werden.

Auch in Deutschland gerät die Bundesregierung unter Druck. Die drei Regierungsparteien haben bei den Europawahlen kräftig Federn lassen müssen. Hinzu kommt, dass sie die Wirtschaftskrise nicht in den Griff bekommen oder sich im Streit um den Bundeshaushalt gegenseitig aufreiben.

G7 vor dem Aus? Schwinden von Einfluss und Bedeutung

Inzwischen ist es wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis sich das Format der G7 überlebt hat. Es wird immer deutlicher, dass die Staatengruppe die US-zentrierte Weltordnung nicht ewig aufrechterhalten kann. Der Finanzdienst Bloomberg zeigt dies in einer aktuellen Analyse eindrucksvoll auf.

Wirtschaftlich fallen die G-7-Staaten immer weiter zurück. Bereits in den vergangenen zehn Jahren hat sich das wirtschaftliche Gravitationszentrum der Welt vom Westen weg verlagert. Bis 2030 könnten die G-7-Staaten beim Bruttoinlandsprodukt vom Rest der G-20-Staaten in den Schatten gestellt werden. In der Analyse heißt es:

Ein Teil des Problems der G7 ist die seit der globalen Finanzkrise vorherrschende Malaise, die durch stagnierende Lebensstandards, schwache Produktivitätszuwächse und sich verlangsamende Wachstumsraten bei gleichzeitig steigender Staatsverschuldung gekennzeichnet ist.

Gleichzeitig altert die Bevölkerung in diesen Ländern schneller als in den G20-Staaten: Die Hälfte der 1,4 Milliarden Einwohner Indiens ist jünger als 30 Jahre, während in den G-7-Staaten etwa jeder Fünfte über 65 Jahre alt ist.

Die alternde Erwerbsbevölkerung trübt die längerfristigen Haushaltsaussichten und lässt die reichsten Volkswirtschaften der Welt mit wenig Kapazität zurück, um den nächsten Schock abzufedern. Von den sieben Ländern hat nur Deutschland einen niedrigeren Schuldenstand als vor zehn Jahren, und es wird erwartet, dass die meisten von ihnen in den kommenden Jahren weiter Kredite aufnehmen werden, anstatt Puffer aufzubauen.

Der Krieg in der Ukraine zeigt bereits, dass sich die Welt nicht mehr automatisch hinter dem Banner von "Freiheit und Demokratie" versammelt. Vielmehr werde er von vielen Ländern als weiteres Zeichen einer multipolaren Welt gesehen, heißt es bei Bloomberg. Perspektivisch werde auch der militärische Einfluss der G7 schwinden.

Protektionismus statt Freihandel: G7 verlieren an Rückhalt im Globalen Süden

Während die sieben Länder mit Russland bereits im Clinch liegen und sich nur schwer durchsetzen können, nehmen sie schon den nächsten Gegner ins Visier: China. Hatten die USA erst kürzlich Strafzölle auf Produkte aus China verhängt und die EU solche angekündigt, so wurden nun laut Deutscher Presse-Agentur (dpa) weitere in Aussicht gestellt.

Im Globalen Süden bleibt nicht unbemerkt, dass die wohlhabenden Staaten inzwischen weniger auf Freihandel setzen als noch nach dem Zweiten Weltkrieg. Immer mehr neigen zu Protektionismus. Wie der Streit zwischen den USA und der EU um den Inflation Reduction Act (IRA) gezeigt hat, führt dies auch zu einer Rivalität zwischen den G-7-Staaten. Aber die Staaten des Globalen Südens dürften sich angesichts dessen immer weniger mit den wohlhabenden Staaten verbunden fühlen.