Galaktische Kollision für den Nachwuchs

Bestes Hubble-Bild der Antennengalaxie belegt, dass in NGC 4038 und NGC 4039 Sterne en masse geboren werden

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Die berühmte Antennengalaxien NGC 4038 und NGC 4039 zählen mit zu den beliebtesten Zielen, die Astronomen mit ihren sensiblen Teleskopen ins Visier nehmen. Schon seit längerem ist bekannt, dass in beiden Galaxien, die vor Jahrmillionen miteinander kollidierten, stellare Kreißsäle im großen Stil vorhanden sind. Bildlich bestätigte Hubble diese Annahme jüngst in Höchstauflösung und gab dabei einen eindrucksvollen Einblick in die stellaren Kinderstuben, in denen Milliarden von Sternen das Licht des Universums erblicken.

Waschechte Astronomen sind wahre Kosmo-Detektive. Auf den Spuren von Sherlock Holmes wandelnd, nutzen sie den Gravitationslinseneffekt wie eine Lupe und untersuchen das sichtbare Licht mittels der Spektralanalyse auf chemische Fingerabdrücke hin. Um kosmische Übeltäter wie etwa Schwarze Löcher oder rotierende Pulsare dingfest zu machen und mitunter sogar Spuren von noch unbekannten „Tätern“ zu ermitteln, bedienen sie sich (fast) der ganzen Bandbreite des elektromagnetischen Spektrums.

Hubble: 600 Kilometer über der Erde (Bild: ESA)

Das Handwerkszeug, mit dem sie alle möglichen suspekten Gestalten observieren, reicht von bodengebundenen High-Tech-Fernrohren bis hin zu Weltraumspähern, wie etwa dem seit 1999 im Orbit treibenden Chandra-Röntgenteleskop oder dem inzwischen legendären NASA-ESA-Weltraumteleskop Hubble.

Ineinander umschlungen

Letzteres hat jüngst im optischen Wellenbereich ein im wahrsten Sinne des Wortes „himmlisches“ Foto von den rund 62 Millionen Lichtjahre entfernten Antennengalaxien geschossen, die im Sternbild Rabe zuhause sind. Auf dem Bild, das die NASA und ESA am Dienstag veröffentlichte, sind beide Welteninseln namens NGC 4038 und NGC 4039 farbig und ineinander umschlungen zu bewundern. Zurückzuführen ist diese Struktur auf eine Kollision beider Spiralgalaxien, die bereits vor 500 Millionen Jahren ihren Anfang nahm. Voraussichtlich in rund 200 Millionen Jahren werden beide Spiralsysteme zu einer riesigen elliptischen Galaxie in- und miteinander verschmolzen sein.

Farbaufnahme der Antennengalaxien mit dem bodengestützten 20-Zoll-Teleskop des Kitt Peak National Observatory in Tucson (Arizona) (Bild: Bob and Bill Twardy/Adam Block/NOAO/AURA/NSF)

Heute zählen die Antennengalaxien zu den uns am nächsten gelegenen Systemen ihrer Art und zugleich zu den jüngsten. Ihren Namen verdankt das Galaxien-Duo den langen Gezeitenarmen, die wie Antennen aus Sternenmeer herausragen und vor rund 200 bis 300 Millionen Jahren entstanden sind.

Stellare Kollisionen sehr selten

Anders als zu vermuten wäre, kommt es bei einem Zusammenprall von Galaxien, der sich über hunderte von Millionen Jahren „ereignet“, aufgrund der großen Entfernungen der Sterne zueinander und infolge des ohnehin materiearmen Alls extrem selten zu direkten stellaren Kollisionen oder anders gearteten intergalaktischen Katastrophen. Schließlich ist der Sternenabstand innerhalb einer Galaxie durchschnittlich einige Lichtwochen bis -monate groß. Weitaus häufiger ereignen sich hingegen Zusammenstöße zwischen Gaswolken, was den Geburtsprozess von Sternen und Planeten begünstigt. Auf dem aktuellen Hubble-Bild, mit dem Astronomen genauer als bisher Sterne von Supersternhaufen abgrenzen können, sind die Auswirkungen dieses Prozesses bestens zu sehen.

Das neue Hubble-Bild der Antennengalaxien ist das in punkto Auflösung bislang beste (Bild: NASA, ESA und das Hubble Heritage Team (STScI / AURA) – ESA/Hubble Collaboration)

Bei den orange-farbigen Bereichen links und rechts sind die beiden Zentren der kollidierenden Galaxien zu sehen. Über die beiden Galaxien verstreut liegen bläulich leuchtende Sternentstehungsgebiete, die von glühendem Wasserstoffgas umgeben sind. Diese geben sich in rosa zu erkennen. Während die alten Sterne, die zum Teil von braunen Staubwolken verdeckt werden, ebenfalls bräunlich erscheinen, erstrahlen die Regionen, in denen neue Sterne entstehen, in hellblau. Sie sind (auf dem Hubble-Bild) von pinkfarbenem Wasserstoff umgeben.

Nach Ansicht der Forscher werden etwa nur etwa zehn Prozent der neu generierten Super-Sternhaufen länger als zehn Millionen Jahre leben. Die verbleibenden 90 Prozent werden sich später über die Galaxie verteilen. Das Schicksal, mit dem die Antennengalaxien zu hadern haben, steht nebenher bemerkt auch der Milchstraße und ihrer benachbarten Andromeda-Galaxie bevor, die in schätzungsweise sechs Milliarden Jahren miteinander kollidieren.

Bewohnbare Welten?

Schon einige Jahre zuvor offenbarten Beobachtungen mit dem Chandra-Röntgenobservatorium, dass in den blauen Regionen der Antennengalaxien große Mengen an Neon, Magnesium und Silizium vorhanden sind, deren Konzentration im Vergleich zu unserer Sonne um das 16- bis 24fache höher ist. In solchen galaktischen Bereichen ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis sich die lokalisierten "substanzreichen" Gaswolken abkühlen und in ferner Zukunft zu einer außergewöhnlich hohen Zahl von Sternen mitsamt bewohnbaren Planeten verdichten.

Antennengalaxien im Röntgenbereich. Aufgenommen am 1. Dezember 1999 vom NASA-Weltraumobservatorium Chandra (Bild: NASA)

Die vergleichsweise hohe Konzentration der in den Antennengalaxien angetroffenen planetaren Ingredienzien führen die Forscher auf Supernova-Ereignisse zurück. Infolge zahlreicher Supernova-Explosionen hat sich das Gas in den Galaxien auf Temperaturen von mehreren Millionen Grad aufgeheizt. Die hohe Zahl von Supernovae in NGC 4038 und NGC 4039 (diese weisen im Vergleich zu unserer Milchstraße den 30fachen Wert auf) ist nach Ansicht von Astronomen eine unmittelbare Folge des intergalaktischen Zusammenstoßes. Angesichts der hohen Konzentration von Neon, Magnesium und Silizium in den Antennengalaxien könnten in diesem Bereich des Universums bereits in Hundert Millionen Jahren eine sehr hohe Anzahl von Planeten entstehen, von denen wiederum viele bewohnbare Welten sein könnten.