Ganz anders als Krieg sollte ein gutes Spiel immer Spaß machen

Medal of Honor: Frontline: "Realismus" würde Krieg sofort zum ungeeigneten Stoff machen für einen Shooter klassischer Prägung

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Es werden keine Gefangenen gemacht in MEDAL OF HONOR: FRONTLINE. (Für PS2, Publisher: EA.) Es gibt nur eins, was man mit feindlichen Soldaten tun kann: Auf sie schießen. Auf sie schießen, so lange, bis sie tot sind. Der Krieg ist ein Schützenfest in diesem Spiel (und selbstverständlich nicht nur in diesem). Krieg ist Dauer-Action hier, ist Geballere und Explosionen, ein stetes heroisches, geradliniges Vorwärts durch feindliche Reihen.

Ohne jeglichen politischen Kontext, ohne Verhandlungen, ohne Strategie und Taktik auch. Und ohne lange Märsche, zermürbende Tage und Nächte des Wartens, eingegraben in irgendeinem Dreckloch. Ohne Sorgen um Menschen in der Heimat, ohne ein Leben in der Fremde außerhalb des Kampfs. Ohne Kontakt zu Soldaten der Gegenseite, die man nicht sofort niederknallt. Nur in ein paar Levels kann man immerhin versuchen, mit einer deutschen Uniform verkleidet eine Zeitlang unerkannt durch Feindesland zu streifen - aber wer mehr als 5% der Gegner in einem Level am Leben lässt, hat die Chance auf einen anschließenden Orden (der Bonus-Material frei schaltet) verspielt, und so wird man meist gleich zu Anfang die Tarnung auffliegen lassen und die Waffen zücken.

Ein gewöhnlicher First Person Shooter, der sich nur eine 2. Weltkriegs-Uniform übergestreift hat?

Das alles hat eine simple Erklärung: MEDAL OF HONOR:FRONTLINE ist eben lediglich ein gewöhnlicher First Person Shooter, der sich nur eine 2. Weltkriegs-Uniform übergestreift hat. Das Spiel wurde merklich nicht zuvorderst mit dem Anspruch designt, ein umfassendes, wie auch immer "realistisches" Abbild des Krieges zu liefern. Es gehorcht zuerst einmal den vertrauten Regeln und Konventionen eines Computergame-Genres - und kleidet diese dann in ein bisschen Mummenschanz wie "authentische" Waffen.

Nur, weil uns diese Konventionen schon so vertraut sind, wir gelernt haben, sie nicht mehr bewusst wahrzunehmen, kann überhaupt die Illusion aufkommen, dass die dargestellte Welt etwas mit unserer echten - und zwar speziell mit der des Kriegs - zu tun hat. (Und weil das Spiel in manchen Aspekten nicht minder "unrealistische" Muster reproduziert, die der Kriegsfilm in unseren Köpfen etabliert hat.)

Jeden echten Träger der "Medal of Honor" (der höchsten Auszeichnung des US-Militärs) würde die unglaubliche Helden-Kampagne dieser 19 Level vor Ehrfurcht und Neid erbleichen lassen - einem wirklichen Soldat, der auch nur eine dieser Missionen in der dargestellten Weise hinter sich bringen könnte, wäre die Ehrenmedaille absolut sicher, und für den Rest des Krieges dürfte er sich zur Ruhe setzen. (Man darf gar nicht daran denken, dass der Held des Spiels, James Patterson, ja schon auf der PSone zwei nicht minder spektakuläre Einsätze absolviert hat...)

Patterson hat es aber auch leicht: Er ist nicht mit einem Körper belastet. Er ist ein digitales Figment, eine simple Ansammlung von Parametern und Regeln. Er kann ein Waffenarsenal und ein Munitionsdepot mit sich schleppen, dessen Gewicht allein jeden Soldat an den Rand des Kollapses bringen würde und mit dem behängt er sowieso kaum noch bewegungsfähig wäre. Er kennt keine Erschöpfung, wird nie langsamer, nie weniger zielsicher. Und jeder Treffer, den er einstecken muss, egal wie und wo, verursacht eine exakt vorherbestimmte Dosis an Schaden - die ihn nicht weiter hindert, bis die Summe einen gewissen Wert überschreitet und Patterson augenblicklich mausetot umfällt.

Aber er braucht nur einen der Erste-Hilfe-Koffer berühren, die im Feindesland so praktisch an den verblüffendsten Stellen herumliegen, und schon ist die Gesundheit um einen genau abgezirkelten Wert völlig wiederhergestellt. Und doch zeigt diese ungeheuerliche Elite-Kampfmaschine erstaunliche Schwächen: Kniehohe Hecken, leicht ansteigende Böschungen, kleine Schuttberge stellen für ihn oft absolut unüberwindbare Hindernisse dar. Die klapprigste Holztür kann er weder auftreten noch aufschießen, wenn sie nun mal verschlossen ist, durch kein Fenster kann er springen. Und es IST eine Welt der versperrten Türen, verstellten Wege, durch die er streift: Unzählige Häuser säumen seine Wege, doch nur in die allerwenigsten kann er je hinein; so viele Straßen gäbe es, die das Terrain durchziehen, und doch sind sie fast alle blockiert. Es fügt sich die Welt um ihn auf wundersame Weise so, dass es für den Soldat James Patterson stets nur genau einen Pfad gibt, dem er folgen kann.

Der Versuch, die Game-Missionen in die Ränder der Geschichtsbücher zu schreiben

Freilich banal, festzustellen, dass nichts davon auch nur entfernt mit dem zu tun hat, was ein wirklicher Soldat im Krieg erlebt. Wenn das aber alles so erkennbar den Gesetzen des Videospiels und nicht der Welt folgt, warum dann also nicht MEDAL OF HONOR: FRONTLINE einfach nur nach dem beurteilen, was es eigentlich bloß ist: Ein weiterer Ego-Shooter? (Qualitativ einer aus dem oberen Mittelfeld.) Weil das Spiel eben selbst ganz entschieden den Anspruch heischt, etwas mit dem 2. Weltkrieg zu tun zu haben. Und zwar nicht in der Weise, wie manch B-Picture-Abenteuerfilm die historische Kulisse ohne weiteren Tiefgang als Hintergrund wählt, oder wie das beispielsweise die WOLFENSTEIN-Spiele tun - weil Klischee-Nazis nun mal so dankbare Bösewichte abgeben. Nein, MEDAL OF HONOR: FRONTLINE kommt gewichtig und bedeutungsschwanger daher und heischt mittels vielerlei Details, mittels des Versuchs, die Game-Missionen in die Ränder der Geschichtsbücher zu schreiben, rund um historische Kriegsereignisse wie Operation Market Garden, den Eindruck von Authentizität.

Als Vorspann hat man Eisenhowers historische "The eyes of the world are upon you"-Ansprache gewählt - und es hat allein schon etwas Frivoles, dass man als Videospieler diese Worte, mit denen vor nicht einmal 60 Jahren abertausende Männer in ein alles andere als vergnügliches Schicksal geschickt wurden, nun auf sich beziehen soll, wenn's aufgeht zur Pixeljagd. Und dazu (und auch später des öfteren bei Missionsbeschreibungen) läuft eine Montage aus Dokumentarmaterial aus dem 2. Weltkrieg. Wohlgemerkt keine Computeranimationen, keine CGI-Tableaus, die das Ganze in einem geschlossenen Zirkel der reinen Virtualität hielten. Sondern Bilder, die bewusst die Brücke schlagen zur historischen Realität. Wir sehen Bomben auf Städte fallen, die dort realen Tod und Leid gebracht haben, wir sehen die Gesichter von Männern, die tatsächlich auf dem Weg waren in den Tod, für die das alles andere war als ein Spiel, denen keine Medikits helfen und die kein Level neu starten konnten.

Und es handelt sich ja nicht um ein Ereignis, das schon ganz entrückt wäre in den Tiefen der Zeit, dessen Schmerzen und Traumata und Wirkungen schon längst vergessen und verheilt wären - es sind unsere Väter und Großväter, die am eigenen Leib erlebt haben, was uns jetzt Stoff für Spielvergnügen ist. Wenn diese Bilder nicht mehr sein soll als bloße Ausschmückung, ein bisschen Zierde, um Atmosphäre zu schaffen, dann ist das reichlich zynisch und unlauter. Wenn die Spieldesigner aber glauben, mit ihrem Werk den gewichtigen Anspruch, den eine solche Eröffnung erhebt, verantworten zu können, dann müssen sie das Werk an diesem Anspruch auch messen lassen. Dann wollen sie mehr liefern als nur noch einen Shooter, und dann gelten zur Beurteilung auch nicht nur die Genre-üblichen Kriterien.

Das Bild vom Krieg, das MEDAL OF HONOR: FRONTLINE zeichnet, ist seltsam körperlos, nicht nur was den Helden Patterson angeht. Mit Absicht haben die Designer gänzlich auf Blut verzichtet bei diesem Shooter (auch hier zeigt sich wohl eine Art Prestige-Dünkel, ein hochnäsiges Abstandhalten zu den übrigen Genre-Vertretern und ihren berüchtigteren Aspekte). Und so wird ganz sauber, aseptisch gestorben in diesem Spiel. Die tödlich getroffenen Feinde spulen eine ihrer zahlreichen Todes-Animationsroutinen ab, liegen noch eine Weile herum und verschwinden dann, gelegentlich sich in Munitionsnachschub oder Health-Items verwandelnd.

Die Uniforms- und Haut-Texturen bleiben intakt - wie in alten Western (oder eben Kriegsfilmen) ist das, wo Kugeln fast magisch den Tod herbeizuführen scheinen, ohne sichtbare Verletzungen zu hinterlassen. Richtig absurd wird es bei den eigenen Mannen: In mehreren Missionen wird man von alliierten Soldaten begleitet - die zu verlieren ein Beenden des Levels unmöglich machen würde. So stecken sie eine beliebige Anzahl an Treffern weg - fremde wie eigene: Wer aus dem Kriegs- einen perversen Slapstick-Film machen will, der nimmt einen der Kameraden ins Visier, schießt auf ihn, sieht ihn straucheln, zusammenbrechen - und dann sich erholen und unversehrt aufstehen. Wieder und wieder und wieder.

Das Medium fordert Lös- und Wiederholbarkeit in einer Weise, die die wahre Welt gerade im Krieg nicht bietet

Dies sind die Momente, in denen am deutlichsten wird: Jeglicher Grad an "Realismus" und an "realistischer" Entscheidungsfreiheit würde Krieg sofort zum ungeeigneten Stoff machen für einen Shooter klassischer Prägung. Das Genre, das Medium fordern Sicherheiten, Überschaubarkeiten, Lös- und Wiederholbarkeit in einer Weise, die die wahre Welt gerade im Krieg überhaupt nicht bietet. Ein "realistisches" Kriegsspiel wäre eins (wenn man ihm überhaupt zugesteht, sich lediglich auf Schlachten zu konzentrieren, die eben nicht den Hauptteil des Soldatenlebens ausmachen), in dem man nach 10 Sekunden zufällig von einer Kugel getroffen werden kann, dann ein paar Stunden mit Qualen auf dem Feld liegt, danach einige Tage im Lazarett hinsiecht und schließlich dahinscheidet, Neustart ausgeschlossen.

Da die Gewalt in MEDAL OF HONOR: FRONTLINE so klinisch sauber aussieht, musste die deutsche Fassung des Spiels in dieser Hinsicht ausnahmsweise einmal nicht "entschärft" werden. Dafür ist aber bei Kriegsspielen noch immer nicht gestattet, was bei Kriegsfilmen als Selbstverständlichkeit durchgeht: Dass die dargestellten Nazis auch Nazi-Insignien tragen. Diese (ihrem Ursprung nach ja völlig verständliche und gut gemeinte) Empfindlichkeit zeitigt leicht bizarre Resultate: Aus dem Spiel wurden für den hiesigen Markt alle verfassungsfeindlichen Symbole entfernt, und nun kämpft man sich durch eine Welt, in der die Nazis allesamt Ritter- statt Hakenkreuz zeigen. In einem Kontext, der sonst so drauf bedacht ist, die historische Kulisse möglichst getreulich nachzubauen, wirkt das nicht wenig surreal, hat den Touch einer Science Fiction-Parallelwelt. Und dadurch verschwindet letztlich nochmal ein Stückchen politisch-geschichtlicher Verankerung des Geschehens aus dem Spiel, das sich darum ohnehin herzlich wenig kümmert. Die Bösen sind halt die Bösen sind halt die Bösen - warum, das wird nie gefragt.

Viel anders war das ja schon nicht in Steven Spielbergs Film SAVING PRIVATE RYAN, der überhaupt erst den Anstoß gegeben hat zur MEDAL OF HONOR-Videospiel-Reihe. Der hatte den 2. Weltkrieg als Kulisse genutzt, weil da keine großen Diskussionen anzufangen sind, ob es gut und richtig ist, Hitlers "Drittes Reich" zu bekämpfen. Durch die Hintertür wurde das dann aber zur Sinnstiftung ausgebaut für amerikanische Kriege überhaupt - fing an mit "modernen", "aufgeklärten", also wirren und erschreckenden Bildern des Kriegs und arbeitete sich dann langsam wieder vor/zurück zum Krieg als Abenteuerspielplatz, zum heldischen Loblied auf das soldatische Menschen-/Männerbild, auf den Opfertod und das Befolgen von Befehlen, die, so sinnlos sie zunächst scheinen mögen, am Ende doch Instrumente höherer Weisheit sind.

Das Spiel präsentiert kein Argument

MEDAL OF HONOR: FRONTLINE bezieht sich mehr als einmal direkt auf den Spielberg-Film, serviert Level, die Szenen daraus möglichst genau nachempfunden sind. (Dass Spielberg die Reihe mit initiiert hat, und dass sich PRIVATE RYAN so relativ problemlos zum Videospiel ummünzen lässt, sagt sehr viel über diesen Film, den manche ja immer noch aus unerfindlichen Gründen für einen Anti-Kriegsfilm halten...) Aber wo der Film eine Entwicklung durchmachte, mit der Figur des bebrillten Funkers dezidiert einen Stellvertreter für die Zuschauer etablierte, der zunächst keine Waffe anrühren will und dann Schritt für Schritt dahin gebracht werden muss, dass er das Töten lernt, zum "richtigen" Soldat wird und das gut findet - da gibt es für das Spiel nichts Entsprechendes zu leisten. Es gibt höchstens die grundsätzliche Wahl, das Game zu spielen oder nicht - wenn man sich einmal darauf einlässt, dann gibt es keine großen Freiheitsgrade mehr. In der Welt von MEDAL OF HONOR kann man nicht viel tun, außer Feinde erschießen.

Das Spiel präsentiert kein Argument, von seinem filmischen Vorbild hat es nur den Oberflächenreiz der Action übernommen. Überhaupt sind die Einflüsse hinter der Fassade, die sich im Glanz eines Oscar-prämierten Films sonnt, deutlich weniger prestigeträchtig: Zwar kann das eine Level, bei dem man in einer Lore durch ein Bergwerk rauscht, als eindeutiges Vorbild einen anderen Spielberg-Film nennen - INDIANA JONES AND THE TEMPLE OF DOOM. Aber es offenbart dabei, dass sein Bild der Nazis insgesamt deutlich mehr auf dem Niveau dieser Popcorn-Action ist, mit deutlicher Tendenz zum weniger hoch budgetierten und starbesetzten B-Picture.

Die Stimmen der deutschen Soldaten wurden für die hiesige Version direkt aus dem Original importiert (nur das Amerikanisch wurde - mit einigen Schnitzern - übersetzt und synchronisiert, was es teilweise schwer macht, die Sprachsamples von Freund und Feind zu unterscheiden) - und da sind jede Menge an Sätzen dabei, die so sonst einfach nur deutsche Statisten in US-Filmen aufsagen, kurz bevor sie über den Haufen geschossen werden. Das hat oft nicht unerhebliches komödiantisches Potential, trägt aber wenig dazu bei, das Spiel selbst dem pseudo-authentischen, pathetischen Brimborium drumrum angemessen scheinen zu lassen.

Wem das noch nicht reicht, für die gibt's noch einen Oberbösewicht mit dem Namen Rudolf Ulbricht von Sturmgeist (nein, wirklich!) - für den, wie im Spielgenre üblich, aber im Krieg eher selten, gilt: Je höher der Dienstgrad, je mehr Treffer kann einer unbeschadet wegstecken. Überhaupt schlingert auch das Leveldesign zwischen ganz unterschiedlichen Polen des Anspruchs und der Vorbilder: Während einige Missionen sehr bemüht sind, die Illusion der Plausibilität zu wahren, mutiert beispielsweise das Abschluss-Level zur reinen Schießbude, lässt spüren, wo Games prinzipiell eben immer noch an der Rummelplatz-Attraktion viel näher dran sind als am vollgültigen narrativen Medium.

Der eine Aspekt, der bei MEDAL OF HONOR: FRONTLINE jedoch wirklich glänzt, und der zugleich viele der anderen Elemente wesentlich eindrucksvoller und edler erscheinen lässt, als sie es für sich betrachtet eigentlich sind, ist der Sound. Allein die Geräuschkulisse sorgt oft dafür, dass ein Level weit übers Tatsächliche hinaus belebt erscheint, dass man ein Gefühl für den Raum bekommt, für Kämpfe, die außerhalb des Gesichtsfeldes toben, dafür, dass das Terrain nicht hinter der nächsten unüberwindbaren Hecke endet. Die Schüsse, Einschläge, Explosionen sind es, die dem ganzen Geschehen doch noch wenigstens etwas Körperlichkeit verleihen, die ein Gefühl vermitteln für Masse und Wucht - und die durch ihre Lautstärke und Menge nicht unerheblich am Stresspegel beteiligt sind. Und dazu kommt noch die symphonische Musik von Michael Giacchino, die auf genau der selben, bewährten Gefühlsklaviatur spielt wie bei Spielberg-Filmen John Williams mit seinem Salm. Es sind musikalische Reize, auf die wir durch Kino und Fernsehen so tief konditioniert sind, dass sie ihre Wirkung kaum verfehlen können. So gekonnt eingesetzt wie hier (und mit einem veritablen Orchester und Chor statt mit Samplern und Synthis eingespielt), verleiht das einem Videospiel noch immer etwas Besonderes, gibt ihm einen deutlichen Hollywood-Anstrich.

Es ist ungeheuer, wie sehr allein der Sound die ganze Stimmung kippen lassen kann

Dem Musikeinsatz verdankt MEDAL OF HONOR: FRONTLINE auch seinen einen Moment wahrer Größe, das eine Level, das Wegweisendes für das ganze Medium leistet - die Mission "Arnhem knights" (Deutsch: "Ritter von Arnheim"). Am Leveldesign selbst ist kaum Außergewöhnliches - obwohl man dem schon zugestehen muss, dass es sich nicht ohne Erfolg müht, die trostlose Atmosphäre eines halbzerstörten Städtchens einzufangen. Die Aufgabe an sich unterscheidet sich nicht von den anderen - das Gebiet ist möglich vollständig von feindlichen Soldaten zu "säubern", die eigenen Männer sind zu schützen. Das Brillante ist aber, dass auf dem Soundtrack dazu nicht die üblichen martialisch-heroischen Themen zackig rumpeln - sondern ein elegisches, getragenes Stück, mit klagenden Sopranpartien.

Es ist ungeheuer, wie sehr allein dieser Kniff die ganze Stimmung kippen lassen kann. Man tut nichts, was man nicht in allen anderen Leveln genauso machte - und doch meint man auf einmal, etwas von der Traurigkeit und Sinnlosigkeit des Gemetzels zu spüren, fällt ein fahler Schatten auf die Ballerei. Das ist ein grandioser Beweis dafür, was das Medium Videospiele noch alles zu leisten im Stande wäre, wenn es sich trauen würde mehr zu experimentieren mit dem Bruch zwischen dem, was der Spieler tut, und dem, wie dies zu bewerten ist. Wenn es nicht immer alles Eins-zu-eins nehmen würde, nicht immer alle Elemente deckungsgleich in die selbe Richtung weisen müssten.

Ein Fingerzeig dafür, was alles möglich wäre...

Leider untergräbt MEDAL OF HONOR: FRONTLINE diesen anfangs so eindringlichen Effekt recht bald wieder selbst. Gerade "Arnhem knights" ist eines der schwierigeren Level, man muss es mehrmals angehen, um zum erfolgreichen Abschluss zu kommen. Und verbringt so einfach zuviel Zeit in dieser Mission. Die dauernde Wiederholung ist Feind aller überwältigenden Wirkung - es dauert nicht lange, da hat die Musik ihren Loop so oft durchlaufen, dass sie ihren emotionalen Gehalt verliert, dass sie zum ziemlich neutralen Hintergrundgedudel wird. Und der Schleier der Traurigkeit über allem verschwindet auch recht schnell, wenn einen das Spiel nunmal dazu zwingt, wieder und wieder die selben Gegner über den Haufen zu schießen, wenn die Aufgabe etwas Mechanisches bekommt und sowieso keine Alternative zum radikalen Schusswaffengebrauch in Sicht ist.

Immerhin ist dieses Level ein Fingerzeig dafür, was alles möglich wäre. Wie man vielleicht einmal dahin kommen könnte, das Medium e-Games zu mehr zu nutzen als zu sportiven Kämpfen, zu Reaktionstests im munteren Action-Gewand. Wie es sich auch einem Thema wie Krieg nähern könnte, ohne es nur als billige Kulisse für ein reines Genre-Spiel zu verwenden. Wobei gerade in der Darstellung von Krieg wohl immer ein prinzipielles Problem auftauchen wird, ein ganz fundamentaler Unterschied: Ganz anders als Krieg sollte schließlich ein gutes Spiel immer Spaß machen...