Gaza-Krieg: Wird China seine enge Verbindung zu Israel lockern?

Seite 2: Beijing wird immer pro-palästinensischer

Und trotz der Balancierung zwischen Israel und palästinensischen Akteuren hat China die israelische Besatzungspolitik immer klar abgelehnt und sich geweigert, die Hamas oder die Hisbollah als Terrororganisationen zu bezeichnen.

Vor dem Hintergrund der wachsenden Empörung vor allem in den arabischen Staaten angesichts der katastrophalen Folgen der israelischen Gaza-Bombardierungen – die nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums in Gaza bisher rund 10.000 getötete Palästinenser einschließen, wovon wieder 40 Prozent Kinder sind –, scheint Beijing den Ton immer mehr zu verschärfen.

Die Rhetorik sei im Verlauf "deutlich pro-palästinensischer" geworden, stellt William Figueroa fest, Professor an der Universität Groningen. Er ist spezialisiert auf die Beziehungen Chinas zu den Ländern des Nahen Ostens.

So beschuldigt China Israel, dass dessen militärische Operationen über "Selbstverteidigung" hinausgingen. Im Sicherheitsrat stimmte man für eine Resolution, die zu humanitären Waffenpausen aufruft.

Zuvor hatte China zusammen mit Russland sein Veto gegen einen US-Resolutionsentwurf eingelegt, in dem das Recht Israels auf Selbstverteidigung bekräftigt und der Iran aufgefordert wurde, keine Waffen mehr an Hardliner-Gruppen zu exportieren.

In einer Abstimmung in der Generalversammlung über eine Resolution über einen humanitären Waffenstillstand – die von 22 arabischen Ländern entworfen und von 120 Staaten angenommen wurde, bei 14 Gegenstimmen, darunter wieder die USA – votierte China dafür.

Beijing, das im November den Vorsitz im UN-Sicherheitsrat innehat, verkündete bereits, dass man Gaza-Krieg ganz oben auf die Prioritätenliste setzen werde. Das Ziel von China wird sein, die Bombardierung und die Kämpfe so schnell wie möglich zu beenden. Denn Chaos und Gewalt beeinträchtigen die chinesischen Geschäftsinteressen in der Region.

Trotz aller Unklarheiten im Moment: Ob China seine Beziehungen, auch die wirtschaftlichen, zu Israel lockern wird bzw. lockern muss, hängt sicherlich vom Verlauf des Kriegs und dem ab, was darauf folgt. Doch je länger der Krieg dauert, je mehr er eskaliert, möglicherweise sogar zu regionalen Kämpfen, umso mehr drohen Beijings Interessen in der Region beschädigt zu werden.

Zudem belastet der Gaza-Krieg das erodierende Verhältnis mit den USA weiter. Die staatliche Zeitung Global Times erklärte in einem Leitartikel nach dem US-Veto im Sicherheitsrat, die USA hätten sich "mit dem Blut unschuldiger Zivilisten befleckt". Daran kann man die Konfrontationsdynamik ablesen, wobei sich China über Palästina enger an die arabische Welt und den Globalen Süden anzubinden versucht.

Die negativen geopolitischen Effekte könnte Tel Aviv am Ende auch ökonomisch zu spüren bekommen, wie Giorgio Cafiero feststellt:

Während es den Chinesen und Israelis in den letzten Jahren im Allgemeinen gelungen ist, ihre politischen Meinungsverschiedenheiten von ihren wirtschaftlichen Beziehungen zu trennen, hat Chinas zunehmend pro-palästinensische Position das Potenzial, erhebliche Irritationen in den bilateralen Beziehungen zu verursachen.

Ein Besuch Benjamin Netanjahus in China, wie Anfang des Jahres in Tel Aviv noch angedacht, ist jedenfalls nach den jüngsten Ereignissen erst mal vom Tisch.