Gefährliche Baubranche, behütete Behördenarbeit?

Eine französische Studie untersucht den Zusammenhang von Suchtgefahr und Arbeitsplatz

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Haben die Krisenzeiten, die Angst um den Arbeitsplatz, der damit einhergehende Druck, die gestiegenen Anforderungen dazu geführt, dass sich Arbeitnehmer öfter Erleichterung und Entspannung durch den Konsum von Alkohol und Drogen suchen? Die Überschrift zu einer aktuellen Studie des französischen Instituts für Vorbeugung und Erziehung im Gesundheitsbereich INPES lässt an einen solchen Zusammenhang zwischen Arbeitsstress und Drogenkonsum denken: "In bestimmten Arbeitsgebieten werden mehr psychoaktive Substanzen konsumiert", ist die Veröffentlichung erster Ergebnisse überschrieben.

Um es vorwegzunehmen, die Studie - durchgeführt mit einer relativ großen Grundgesamtheit von 28.000 Personen zwischen 15 und 85 Jahren, von Oktober 2009 bis Juli 2010 - beantwortet diese Frage nicht. In der Präsentation der ersten Ergebnisse findet sich nur ein kurzer, eher generell gehaltener Absatz, der einen solchen Zusammenhang zum Thema hat:

Mehr als ein Drittel der Raucher (36 Prozent), 9,3 Prozent der Alkoholkonsumenten und 13,2 Prozent der Cannabis-Konsumenten gaben an, dass sie ihren Konsum im Laufe des vergangenen Jahres gesteigert hätten und dies mit Problemen in der Arbeit und ihrer beruflichen Situation in Verbindung bringen.

Dazu gibt es den Nachsatz, dass sich die Verstärkung von Suchtproblemen deutlich gewichtiger bei den Arbeitslosen zeige als bei den Beschäftigten. Die Libération argwöhnt in ihrem Kommentar, dass man die Studie "optimistisch" halten wollte - durch die Botschaft, wonach Beschäftigung in der Arbeitswelt generell einen Schutzfaktor gegen Suchtverhalten darstellt, deutlich zu sehen im Vergleich zur Situation der Arbeitssuchenden. So steht das auch wortwörtlich im Bericht des nationalen Instituts, leider ohne dies mit konkreten Zahlen zu untermauern.

Die Schlussbemerkung, wonach viele nach einer Jugend, in der sie zu berauschenden Substanzen gegriffen haben, mit der Geburt eines Kindes oder mit dem Eintritt in die Arbeitswelt ein gesünderes Leben führen, passt zum pädagogischen Auftrag des Institut national de prévention et d’éducation pour la santé (INPES).

Doch kommt aus politischen Kreisen, von ministeriellen Drogenbauftragten, Lob für den Wagemut der Studie, weil sie ein Tabu breche. Man spreche über Alkohol- und Drogenkonsum in bestimmten Branchen, Schwarz auf Weiß habe man das aber noch nicht lesen können, läßt sich die Äußerung von Etienne Apaire, Präsident der "Mission interministérielle" im Kampf gegen Drogen und Drogenabhängigkeit verstehen.

Die Untersuchung über den Gebrauch von Drogen in bestimmten Berufszweigen bringt wenig Überraschendes zutage. Männer, heißt es dort, konsumieren mehr Alkohol und Drogen als Frauen, weswegen klassische Männerberufe den größten Konsum solcher Substanzen aufweisen. Anzugeben war von Befragten, wie oft sie in einem Monat 6 oder mehr Gläser Alkohol bei einer Gelegenheit tranken, ob sie im angegebenen Jahr schon betrunken waren ("Ivresse année"), ob sie täglich Tabak rauchten, ob sie in diesem Jahr Kokain probierten, Cannabis konsumierten und ob sie schon einmal im Leben Ekstasy probiert haben.

Harte Arbeit, Zigaretten und Alkohol

Spitzenreiter beim Trinken und Tabakkonsum war der Bausektor (siehe Tabelle), wo man sich offensichtlich aber auch vergleichsweise aufgeschlossen für Cannabis und Kokain zeigte. Den deutlichsten Konsum der beiden letztgenannten Rauschmittel gaben Beschäftigte in der Kunst-und Unterhaltungsindustrie an. Unter den Bauern, Fischern und Waldarbeitern gibt man dagegen Alkohol den Vorzug, die in diesen Feldern Beschäftigten folgten beim Alkoholkonsum den auf dem Bau Beschäftigten auf dem zweiten Rang.

An dritter Stelle beim Alkoholkonsum werden die Beschäftigten in der Gaststätten- und Hotelbranche gelistet, mit ebenfalls relativ hohen Werten beim Zigaretten-und Cannabiskonsum, wozu die dort üblichen langen Nachtdienste verleiten könnten. Journalisten, bzw. das Metier "Information, Communication" hat den höchsten Wert in der Kategorie ("Ivresse année"/"Trunkenheit im Jahr").

Nach Dienstschluss ein Gläschen mit Kollegen

Dem stehen um Einiges geringere Werte bei Beschäftigten in Behörden, im Schul- und Erziehungswesen, im sozialen Bereich und im Gesundheitswesen entgegen. Die Studienverfasser erklären sich dies, wie oben bereits angedeutet, damit, dass dort mehr Frauen beschäftigt sind, die generell weniger zu solchen Substanzen greifen würden. Ein Widerspruch zu dieser Erklärung scheint allerdings im relativ hohen Anteil des Cannabiskonsums in der Handelsbranche ("Commerce") auf, wo ja ebenfalls viele Frauen arbeiten.

Interessantere Ergebnisse zeigt die Studie bei der Frage, wo und wann die Rauschmittel von den Beschäftigten konsumiert werden. So heißt es am Ende des Berichts, dass immerhin 16,4 Prozent am Arbeitsplatz - außerhalb der Pausen - Alkohol trinken (18,9 Prozent der Männer und 10,3 Prozent der Frauen). Und 40 Prozent aller befragten Angestellten, bzw. Arbeiter gaben an, dass sie am Feierabend mit ihren Kollegen etwas trinken (43 % Männer und 32,6 % Frauen).