Gefährlicher Proteinverkehr

Zwei neue Studien beschäftigen sich damit, wie sich der Malaria-Erreger in seinem Wirt einnistet und weisen der Malariaforschung eine neue Richtung.

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Die Malaria ist mit ein bis zwei Millionen Todesfällen derzeit eine der bedrohlichsten Infektionskrankheiten. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erkranken weltweit jedes Jahr 300 bis 500 Millionen Menschen – vor allem Kinder – am Wechsel- oder Sumpffieber, wie die Malaria auch genannt wird.

Zwei Forschungsteams haben die Aktivitäten des gefährlichen Erregers im Menschen unabhängig voneinander untersucht. In der aktuellen Ausgabe von Science präsentieren sie neue Einsichten in die Art und Weise, wie sich der Parasit in seinem Wirt etabliert.

Der gefährlichste Erreger: Plasmodium falciparum

Von den vier Malaria-Erregern, die den Menschen befallen können, ist Plasmodium falciparum die gefährlichste Form. Sie endet – wenn nicht therapiert – häufig mit tödlichem Ausgang. Die drei anderen Formen verursachen ebenfalls Krankheiten, die aber weniger heftig verlaufen.

Der Krankheitsverlauf einer falciparum-Malaria beruht auf der Schädigung der inneren Organe. Rote Blutzellen, die mit dem Erreger infiziert sind, verändern ihre Fließeigenschaften: Sie durchströmen die Blutgefäße nicht mehr, sondern haften an den Innenwänden der Adern fest. Dies kann zu Gefäßverschluss, Durchblutungsstörungen und letztendlich zu Organversagen führen.

Ein Parasit richtet sich ein

Um zu verstehen, was die Untersuchungen der Forschungsgruppen von N. Luisa Hiller von den Abteilungen für Pathologie und Mikrobiologie-Immunologie der Northwestern University, Chicago und Matthias Marti vom Walter and Eliza Hall Institute of Medical Research, Melbourne an Neuem für die Forschung gebracht haben, muss man wissen, wie der Malaria-Parasit vorgeht, um es sich in seinem Wirt – dem Menschen – gemütlich zu machen.

Stark verkürzt gesagt gelangt der Erreger durch den Stich infizierter Stechmücken (Anopheles gambiae) ins Blut und dringt in die Leber ein. Dort vermehrt er sich und nistet sich schließlich in den roten Blutkörperchen (Erythrozyten) ein. Er lebt in seiner eigenen Vakuole in der Blutzelle, aber er braucht Nährstoffe aus der Blutbahn. Doch da liegen drei Membranen dazwischen (Parasitenplasmamenbran, Vakuolenplasmamenbran und Erythrozytemembran), zudem besitzt die Zelle, in der er existiert, keinen Zellkern mehr und ist damit nicht in der Lage Proteine herzustellen. Um Wege einzurichten, damit Nährstoffe zu ihm gelangen können, schickt der Parasit Proteine ins Zytoplasma und durch den Erythrozyten.

Das alles ist schon länger bekannt. Rätselhaft war jedoch bislang, wie P. falciparum das genau anstellt. Denn Aminosäuren durch eine Zelle zu transportieren erfordert einen Mechanismus, der wiederum aus anderen Proteinen besteht.

Suche nach den steuernden Proteinsequenzen

Der Mechanismus ist weiter unbekannt, doch der Transport von Proteinen konnte geklärt werden. Proteine besitzen nämlich so genannte Targeting-Sequenzen – das sind Proteinsequenzen, die steuern, wo ein Protein eingebaut wird. Wie die Malariaforscher Jude Przyborski und Michael Lanzer von der Abteilung für Parasitologie am Universitätsklinikum Heidelberg in einem begleitenden Artikel schreiben, liegt die Bedeutung der beiden Studien nun darin, dass die Wissenschaftler eine solche Targeting-Sequenz beim Malaria-Parasiten identifizieren konnten: Sie fanden eine Sequenz, die bei Proteinen vorkam, von denen man wusste, dass sie exportiert werden. Diese überprüften sie, indem sie die Sequenz änderten und dann nachsahen, wo die Proteine hinwanderten – an ihrer alten Stelle durften sie nicht sitzen.

Transgener Malaria-Parasit in einem roten Blutkörperchen. Die grüne Färbung stammt von einem grün fluoreszierenden Protein und markiert den Körper des Parasiten. (Bild: Jude Przyborski/Michael Lanzer, Hygiene-Institut Heidelberg)

Mit diesem Ergebnis konnten die Forscher dann noch einen entscheidenden Schritt weiter gehen: Sie verglichen diese Gensequenz in einer P. falciparum-Datenbank und fanden dabei erstaunlich viele Proteine (250 bis 350), die diese Sequenz besitzen. Von diesen Proteinen waren zirka die Hälfte bereits bekannt. Doch die restlichen waren fremd und so weiß man jetzt auch, dass der Malaria-Erreger rund 150 Proteine besitzt, die – bislang jedenfalls – bei keinem anderen Lebewesen gefunden wurden. Dies ist ein spannendes Ergebnis, denn jedes dieser Proteine bedeutet ein wichtiges Forschungsziel, weil es eine Möglichkeit bietet, ein Medikament zu entwickeln.

Die Logik dahinter ist einfach: Wenn man herausfindet, welches Protein für den Erreger so wichtig ist, dass er ohne es stirbt, hat man eine gute Waffe gegen ihn in der Hand. Und dem Menschen kann man damit nicht schaden, da er dieses Protein nicht besitzt.

Neue Forschungsrichtung

Beide Veröffentlichungen bieten keine vollständige Lösung, aber sie weisen die Richtung, in der es weiter gehen kann. "Eine neue Malariatherapie ist damit noch nicht in Sicht", so Jude Przyborski im Gespräch mit Telepolis. "Im Moment gibt es 'nur' zirka 150 Forschungsziele und das sind die Proteine, von denen unbekannt ist, was sie machen. 90 Prozent machen wahrscheinlich wenig aufregende Dinge, die lassen sich ausschalten und der Parasit überlebt trotzdem. Doch die restlichen 10 Prozent sind spannend", erklärt er.

Wie Przyborski weiß, forschen beide Teams weiter. Mit dem Knockout-Verfahren, also der gezielten Ausschaltung bestimmter Proteine, versuchen sie nun diejenigen zu identifizieren, die lebensnotwendig für den gefährlichen Parasiten sind. "Erst im nächsten Schritt wäre es dann möglich, ein Medikament zu entwickeln, das dieses Proteine funktionsunfähig macht", erklärt Przyborski, "aber das wird noch ein paar Jahre dauern."