Gefahr für Tier und Mensch

Von den jährlich 125 Millionen Tonnen Kunststoff, die wir produzieren, landet ein beträchtlicher Teil im Meer. Forscher arbeiten nun an einem Plastik, das sich in Salzwasser auflöst

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Hätten Kolumbus und seine Männer ihre Lebensmittel schon in Plastiktüten aufbewahrt - die Reste davon würden sich wohl heute noch an Amerikas Stränden finden. Insofern hat die Menschheit noch Glück, dass Plastik sich erst seit dem vergangenen Jahrhundert so großer Beliebtheit erfreut. Es gibt wenige Zivilisationsprodukte, die sich wirklich hartnäckig in den Stoffkreislauf einklinken. Radioaktiver Abfall mit seinen teilweise langen Halbwertszeiten ist problematisch - und das Plastik-Material, aus dem mittlerweile ein Großteil der Produkte des täglichen Lebens besteht. Plastik hält gut und gern ein halbes Jahrtausend, und obwohl es ein „organischer“ Stoff ist, wird es trotzdem zur teilweise auch toxischen Gefahr für Tier und Mensch.

Weil die daraus hergestellten Produkte so schön leicht sind, landen sie außer in der Müllverbrennung oder auf Deponien auch gern im Meer. Ein relativ aktueller Bericht der UNEP beschreibt, dass momentan auf jedem Quadratkilometer Meeresoberfläche rund 18.000 Plastikteile treiben.

Mit der Zeit, das zeigte eine britische Studie, verwandeln sich die Abfälle in Kügelchen, die kleiner als Sandkörner sind. Diese „Tränen der Seejungfrau“ entdeckten Forscher in den Verdauungstrakten von Krebsen, Würmern und Sandhüpfern. Wale verwechseln Plastiktüten mit Tintenfischen, Vögel halten Plastikreste für Fischlaich. Letztlich schadet der Meermüll auch dem Menschen - finanziell zum Beispiel, weil der Müll mittlerweile eine Gefahr etwa für die Kühlwassereinläufe oder Propeller bei kleineren Schiffen ist. Anhang 5 der International Convention for the Prevention of Pollution from Ships verbietet zwar jegliche Entsorgung von Plastik im Meer - doch die Regelungen sind sehr schwer zu überprüfen.

Zwei der Forscher platzieren Testmuster des seewasserabbaubaren Plastiks im Golf von Mexiko: Scott Moravek (vorn), Mohammad Hassan. (Foto: Robson Storey)

Dass das Problem prinzipiell lösbar ist, weiß die Industrie eigentlich schon länger. Natürlich denkt der Mensch zuerst an sich selbst: Für den Einsatz im menschlichen Körper wurden bereits biologisch abbaubare Polymere entwickelt, die sich in ungiftige Komponenten zersetzen. Ähnliche Stoffe haben Wissenschaftler der University of Southern Mississippi nun auf den Zerfall in Seewasser optimiert.

Erste Ergebnisse stellten Robson Storey und Kollegen gerade auf einem Chemiker-Kongress in Chicago vor.

Sie synthetisierten thermoplastische Polyurethane, die aus einem harten und einem weichen Segment bestehen. Während das harte Segment aus verkettetem Isocyanat aufgebaut ist, hat man beim weichem Segment die Wahl zwischen Polyestern und Polyethern. Mit Hilfe dieses Mechanismus kann man die physikalischen und thermischen Eigenschaften des Endprodukts besonders gut variieren.

Weil der Stoff zumindest in Seewasser möglichst schnell wieder in seine Einzelteile zerfallen soll, ist es wichtig, dass diese ungiftig sind - was besonders beim Isocyanat die Auswahl einschränkt. Die Wissenschaftler entschieden sich für eine Struktur, die sich von einer im menschlichen Körper vorkommenden Aminosäure ableiten lässt.

Zurzeit sind die Wissenschaftler dabei, im Golf von Mexiko die Zerfallsraten der von ihnen entwickelten Materialien zu testen - die ersten Ergebnisse entsprechen den Erwartungen. Als vorteilhaft könnte sich auch erweisen, dass die Stoffe schwerer als Wasser sind - sie sinken deshalb auf den Grund und lassen sich schwerer von Strömungen forttreiben.

Bis zu einem möglichen kommerziellen Einsatz ist jedoch noch einige Forschungsarbeit zu leisten - zum Beispiel ist zunächst der Einfluss wechselnder Umgebungsbedingungen wie Salzgehalt und Temperatur zu untersuchen.