Gefahrenquelle Kassenbon

Bisphenol S (BPS) oder 4,4'-Sulfonyldiphenol. Bild: Bernd Schröder

Bisher in Thermopapier verwendetes Bisphenol A soll ersetzt werden, doch viele bereits eingesetzte Alternativen sind bisher wenig erforscht

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Thermopapier enthält potentiell toxische Zusätze wie Bisphenol A (BPA), die üblicherweise als Farbentwickler für den Druckprozess dienen. Da BPA als hormonaktive Substanz über Veränderungen des Hormonsystems die Gesundheit schädigen kann, werden heute öfters strukturell ähnliche Verbindungen als Ersatz verwendet, wie etwa Bisphenol S (BPS), D-8 und Pergafast 201. Bis auf BPS ist jedoch nur wenig über die Verbreitung und toxikologischen Auswirkungen dieser Alternativen bekannt.

Bisphenol A (Umwelthormone: Nur ein modernen Mythos?) hatte in der Vergangenheit in der Debatte um endokrine Disruptoren immer wieder für Schlagzeilen gesorgt; seine Verwendung in der Herstellung von Konsumprodukten ist in die Diskussion geraten. Ende Dezember 2016 setzte das Komitee der Mitgliedsstaaten der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) die Verbindung wegen ihrer Toxizität auf die Fortpflanzung als besonders besorgniserregenden Stoff (SVHC) auf die REACH-Kandidatenliste.

Aufgrund seiner Verwendung in Polycarbonaten und Epoxidharzen gelten Nahrungsmittelverpackungen und Plastikflaschen als Hauptquellen für die menschliche Belastung mit BPA. In der EU sind Produktion und Verkauf von Babyflaschen aus BPA-haltigem Polycarbonat deshalb seit 2011 verboten. Seit kurzem werden auch andere mögliche Expositionsquellen in Betracht gezogen, eine von ihnen: Thermopapier.

TGSA. Bild: Bernd Schröder

BPA ist als Entwickler in der thermosensitiven Schicht des Thermopapiers untergebracht. Beim Thermodruck bildet das BPA mit dem ebenfalls auf dem Papier befindlichen Farbbildner das Druckbild. Da BPA im Papier als ungebundenes Monomer vorliegt, wird es leicht in die Umwelt freigesetzt. Die Handhabung von Thermopapierprodukten wie Kassenbelegen wurde deshalb als eine potenzielle, nicht zu vernachlässigende Quelle für die menschliche BPA-Exposition vorgeschlagen, der Aufnahmeweg: über die Haut.

2016 hatte die Europäische Kommission schließlich in einem Änderungsentwurf zu REACH vorgeschlagen, eine Obergrenze von 200 Milligramm BPA je Kilogramm Thermopapier festzulegen. Die Regelung tritt Anfang 2020 in Kraft.

Schnell wurden BPA-Alternativen gesucht und gefunden, und es wird erwartet, dass ihre Verwendung künftig stark zunehmen wird. In diesem Sinne können auch die Meldungen vom eingeläuteten Austausch von BPA an den Registrierkassen keine Entwarnung sein. Denn noch ist wenig über die toxikologische Wirkung der eingesetzten Ersatzstoffe bekannt, und die genaue Zusammensetzung ist oft Betriebsgeheimnis. Aufgrund ihrer strukturellen Ähnlichkeiten können die Substanzen prinzipiell ein ähnliches toxikologisches Verhalten wie BPA aufweisen.

Bisphenol S: Ein fragwürdiger Ersatz

Bisphenol S gilt als kostengünstigste BPA-Alternative. Schnell kam die Verbindung als BPA-Ersatz auf und ist heute oft in Konsumprodukten zu finden, die als "BPA-frei" gekennzeichnet sind. Ebenso schnell verdichteten sich die Hinweise, dass die Substanz wie ihr zu ersetzender Vorgänger endokrin disruptiv wirkt - eine Verbindung, die die Funktion natürlicher Hormone nachahmen kann.

Die Konsumenten werden darüber oftmals im Unklaren gelassen. Dabei wurde bereits 2002 auf die Estrogen-Aktivität von BPS verwiesen. Sollten alle Industrieakteure auf BPS als BPA-Alternative setzen, wäre hinsichtlich der Minimierung der erkannten Gefahr wenig gewonnen, denn das ähnliche toxikologische Profil der Verbindungen lässt auch ähnliche nachteilige Wirkungen erwarten.

BPS ist in Thermopapier mittlerweile der am häufigsten nachgewiesene BPA-Ersatz und wird zum Beispiel in Kassenbelegen, Boarding-Pässen, Eintrittskarten oder Briefumschlägen angetroffen. Auch in Papiergeld wurde wie zuvor BPA mittlerweile BPS in erhöhten Konzentrationen gefunden. Wird BPS-haltiges Thermopapier recycelt, kann die Verbindung in die Papierherstellung geraten und andere Papierprodukte kontaminieren - in denen es bereits nachgewiesen wird, zum Beispiel in Toilettenpapier.

Die Europäische Kommission hat unterdessen mehr Daten zur BPS-Verwendung in Thermopapier und zur Toxizität der Verbindung angefordert. Die Substanz wird gerade im Rahmen des fortlaufenden Aktionsplans der EU (CoRAP) einer Stoffbewertung unterzogen. Frühestens 2018 will die Kommission darüber beraten, ob von BPS-haltigem Thermopapier eine Gefahr ausgeht.

Die US-Umweltbehörde EPA hatte 2015 eine Liste von 19 möglichen BPA-Alternativen zur Verwendung in Thermopapier veröffentlicht, unter anderem aufgeführt: Bisphenol S, TGSA, D-8 und Pergafast 201.

Andere Daten von Interesse sind jene, die Auskünfte zum Verhalten der Verbindung in der Umwelt geben. BPS beispielsweise ist in der Umwelt stabiler als BPA. Es kann zwar nicht als langlebig charakterisiert werden, jedoch auch nicht als leicht biologisch abbaubar. Pergafast 201 wiederum wurde von der EPA als wahrscheinlich sehr langlebig in der Umwelt eingestuft.

Pergafast 201. Bild: Bernd Schröder

Neue Studie weist auf dürftige Datenlage hin

Eine soeben im Fachblatt Science of the Total Environment erschienene Studie präsentiert Ergebnisse zur Analyse von 141 verschiedenen Thermopapierprodukten, wie etwa Kassenbelegen, Eintrittskarten für das Kino, Bus- und Zugfahrkarten, Gepäckanhänger und Bordkarten für den Flugverkehr. Die untersuchten Proben stammen aus den Niederlanden, Schweden, Norwegen und Spanien.

Während spanische Kassenbelege noch hauptsächlich BPA als Hauptentwickler enthalten, zeigen die untersuchten Proben aus den anderen Ländern, dass dort bereits deutlich mehr auf Alternativen zurückgegriffen wird, hauptsächlich auf BPS und Pergafast 201. Eine andere Studie hatte zuvor bereits von hohen BPS-Gehalten in Kassenbelegen aus den USA, Südkorea, Japan und Vietnam berichtet, die stellenweise mehrere Milligramm BPS pro Gramm Papier aufwiesen.

Um Hinweise auf eine mögliche Giftigkeit der Verbindungen zu bekommen, führten die Wissenschaftler außerdem Tests zur hormonaktiven Wirkung durch. Die Ergebnisse zur Estrogenaktivität legen nahe, dass die getesteten BPA-Alternativen vermutlich weit weniger wirksam sind - bis auf BPS. Die Untersuchungen haben einen vorläufigen Charakter müssen durch weitere Dosis-Wirkungs-Tests vertieft werden.

Die Giftigkeit für Nervensystem und Entwicklung wurde an den Embryos von Zebrabärblingen (Danio rerio) untersucht, einem weit verbreiteten Modellorganismus in der Entwicklungsbiologie. TGSA und D-8 zeigten hierbei ähnliche abnormale Entwicklungseffekte an Zebrabärbling-Embryos wie BPA in vergleichbaren Konzentrationen. Für die Autoren der Studie ein Hinweis, dass hier auch ähnliche toxikologische Mechanismen wirken - und für Beobachter ein weiteres Indiz für die Richtigkeit der Forderung nach einer eigentlich selbstverständlich anmutenden Praxis, nämlich chemische Verbindungen erst nach gründlicher Prüfung in Umlauf zu bringen.

D-8. Bild: Bernd Schröder