Gefiederter Riesensaurier

Chinesische Paläontologen haben in der Inneren Mongolei ein Saurierskelett ausgegraben, das der Art eine verblüffende Vogelähnlichkeit bescheinigt - bei acht Metern Körperlänge

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Was müssen das für Nester sein, wo die großen Oviraptorn spazieren gehen, ohne sich zu stoßen: Der Gruppe der Oviraptorosaurier ist von der Wissenschaft schon frühzeitig nachgesagt worden, zu Lebzeiten als Eierdiebe unterwegs gewesen zu sein (vgl. Der Eierdieb mit den Kaninchenzähnen). Dabei haben die Vertreter dieser Gruppe selbst schon Eier gelegt - eines der Merkmale, die sie sich mit den neuzeitlichen Vögeln teilen, vermutlich bis hin zur Art der seriellen Eierproduktion.

Künstlerische Rekonstruktion des Riesensauriers, gemeinsam mit viel kleineren gefiederten Vogelartigen (Bild: Zhao Chuang and Xing Lida/IVPP)

Ein anderes Merkmal, das sich bei den Vögeln als sehr praktisch erwiesen hat, ist die Befiederung. Die urzeitlichen Oviraptoren müssen zweibeinig ähnlich wie Riesenhennen durch die damals noch fruchtbare Gegend gerannt sein, die heute Wüste Gobi genannt wird. Dort, genauer: in der Iren-Dabasu-Formation im Erlian-Becken in der Nähe der Stadt Eren Hot ein chinesisches Wissenschaftlerteam um den bekannten Paläontologen Xing Xu nun einen Riesensaurier, der einigermaßen an die in der Final-Fantasy-Spielserie so beliebten Chocobos erinnert. Gigantoraptor erlianensis war, so lässt sich aus der Rekonstruktion seines Skeletts ableiten, vermutlich rund acht Meter lang dreieinhalb Meter hoch und 1,4 Tonnen schwer.

Das ist besonders überraschend, weil die anderen Angehörigen dieser Sauriergruppe ein weit geringeres Körpergewicht erreichten. Die Oviraptorosaurier bilden gewissermaßen einen Schritt hin zu den Vögeln, waren aber selbst nicht flugfähig. Dass die Gruppe um Xu die Art trotzdem den Oviraptoren zuschlägt, liegt an der großen Menge an Ähnlichkeiten, die die Forscher in einem Beitrag im Wissenschaftsmagazin Nature erörtern. Verantwortlich für die enorme Körpergröße des Gigantoraptor war wohl seine ungewöhnliche große Wachstumsrate, die deutlich über der nordamerikanischer Tyrannosaurier-Arten lag.

Ein Techniker hält das vogeltypische Ende des Oberschenkelknochens des in der Wüste Gobi ausgegrabenen Riesensauriers (Bild: Xing Xu)

Die Forscher vermuten sogar, dass es sich bei dem Skelett um das eines noch recht jungen Erwachsenen von etwa elf Jahren handelte - komplett ausgewachsen könnte der Ur-Chocobo noch ein Stück größer gewesen sein. Ob der Saurier allerdings tatsächlich Federschmuck trug, lässt sich heute nicht mehr nachweisen. Der Paläontologe Xu vermutet dies aber, weil auch die engen Verwandten Caudipteryx und Protarchaeopteryx nachweislich befiedert waren. Demnach habe Gigantoraptor erlianensis mindestens an Armen und Schwanz, womöglich auch am Körper Federn getragen.

Der Saurier würde damit den Stirton-Donnervogel, der vor einigen Millionen Jahren in Australien lebte und rund 500 Kilogramm Gewicht erreichte, als schwerstes Federtier aller Zeiten ablösen. Klar ist, dass sich die Konkurrenten zumindest nicht vor seinen Zähnen fürchten mussten: Die besaß er nämlich gar nicht. Wovon das Tier sich ernährte, bleibt deshalb noch unklar - zumal es Merkmale sowohl von Pflanzenfressern (schmaler Kopf, langer Nacken) als auch von Fleischfressern (scharfe Klauen) trug.

Rekonstruktion des in der Inneren Mongolei gefundenen Saurierskeletts. Die grau schraffierten Bereiche sind erhalten. Der skizzierte Mensch ist 1,75 Meter groß. (Bild: Li Rongshan/IVPP)

Dass das Saurierskelett überhaupt wieder komplett ans Sonnenlicht kam, ist übrigens den Medien zu verdanken - zumindest erzählt das eine Anekdote, die Xing Xu der offiziellen Pressemitteilung beifügte. Demnach habe der japanische Fernsehsender NHK vor zwei Jahren Xu und sein Team im Erlian-Becken interviewt - wo die Kameraleute zufällig einen großen, bereits an der Oberfläche liegenden Knochen als Beleg für die Fossilreichheit dieses Gebiets filmten. Zunächst hatten die Forscher den Knochen damals einem Tyrannosaurier zugeschlagen - schon wegen seiner Größe. Die Entdeckung weiterer, passender Knochen in der unmittelbaren Umgebung zeigte jedoch, dass es sich um riesige Oviraptorosaurier-Reste handeln musste.