Gegen die Folterausbildung in den USA

Aachener Friedenspreis ehrt den US-Pater Roy Bourgeois für seinen Kampf gegen die Folter und die Militärakademie Fort Benning

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Angesichts der jüngsten Folterskandale ehrt der Aachener Friedenspreis in diesem Jahr mit dem US-Pater Roy Bourgeois einen langjährigen Antifolteraktivisten. Der Vereinsvorstand teilte heute mit, man würdige, dass der katholische Theologe sich seit mehr als 25 Jahren "unter großen persönlichen Opfern für Frieden und Menschenrechte" einsetze. Der Friedenspreis-Vorsitzende Otmar Steinbicker verwies auf die viele Protestaktionen von Bourgeois und der von ihm gegründeten "School of the Americas Watch" (SOAW) gegen das Foltertraining von Soldaten an der US-Militärschule in Fort Benning.

Pater Roy Bourgeois (re.) auf der Protestaktion gegen Fort Benning am 19.11.2004. Foto: SOAW

In Deutschland dürfte der Pater nur Insidern bekannt sein. 1938 im US-Bundesstaat Louisiana geboren, kämpfte der heute zum Pazifismus und Katholizismus konvertierte Bourgeois von 1963 bis 1967 als Marineoffizier im Vietnamkrieg. 1972 wurde er als katholischer Priester ordiniert und arbeitete mehrere Jahre in Südamerika für die Rechte der Armen. Deswegen wurde er in Bolivien während der Diktatur von General Hugo Banzer verhaftet und ausgewiesen. Als 1980 in El Salvador vier Ordensschwestern seines Maryknoll Ordens von Soldaten umgebracht wurden, wurde Bourgeois zum Kritiker der US-Außenpolitik in Lateinamerika und beteiligte sich an Protesten, die er später selbst organisierte.

Ein Schwerpunkt jener Proteste ist der Kampf gegen die Militärakademie Fort Benning im US-Bundesstaat Georgia. Dort, so die ursprüngliche Kritik, würden lateinamerikanische Soldaten ausgebildet, auch, um gegnerische Soldaten und Zivilisten zu foltern (Die Folter hat System). Panamas Drogen-General Manuel Noriega soll hier ebenso seinen militärischen Feinschliff erhalten haben wie Anführer der Todesschwadronen aus El Salvador (vgl. Der antikommunistische Kreuzzug unter Reagan in Lateinamerika). Unterdessen lernen in Fort Benning, der drittgrößten Militärakademie der Welt, auch Soldaten ihr Handwerk, die in Afghanistan und Irak für die Werte der "zivilisierten Welt" kämpfen (vgl. Von Fort Benning, Georgia, nach Abu Ghraib).

Was wir hier haben, ist ein Ausbildungslager für Terroristen. Viele dieser (lateinamerikanischen; mik) Soldaten haben nach der Rückkehr in ihre Heimat Terror, Leid und Tod über ihr Volk gebracht. (...) Die Frage sei erlaubt, wie man hinter einem Stacheldrahtzaun (...) Unterricht in Menschenrechten erteilt. Wie lehrt man Demokratie in einer nicht-demokratischen Einrichtung? Ich war vier Jahre in der Armee (...) und habe eines gelernt: Demokratie und Menschenrechte lernt man nicht beim Militär. (Die Soldaten) erwerben diese Fähigkeiten, um in ihrem Heimatland ein System verteidigen zu können, dass die Reichen reich und die Armen arm hält. An dieser Schule werden die Muskeln für die US-Politik in Lateinamerika trainiert.

Pater Bourgeois in einem Beitrag des TV-Senders 3sat im Jahr 2001
Protestaktion im November 2004. Foto: SOAW

1990 gründete Bourgeois die US-Menschenrechtsorganisation SOAW, ein Büro, das die Aktivitäten der "School of the Americas" (SOA) in Fort Benning recherchierte und zu massiven Gegenprotesten aufrief. Das SOA heißt heute "Western Hemisphere Institute for Security Cooperation" (WHINSEC). Zuletzt demonstrierten im November letzten Jahres rund 16.000 Menschen vor Fort Benning, um gegen die Folterausbildung zu protestieren. Bourgeois selbst hat wegen der Teilnahme an gewaltfreien Protestaktionen vier Jahre in US-Haft gesessen. 1997 wurde ihm von der US-Sektion der katholischen Friedensbewegung Pax Christi der Preis "Teacher of Peace" verliehen.

Der Prozess gegen Lynndie England wegen der Folterungen im US-Militärgefängnis Abu Ghraib im Irak macht unsere Preisträgerwahl geradezu tagesaktuell. Er zeigt, wie wichtig es ist, in aller Deutlichkeit darauf hinzuweisen, dass Folter nicht nur von in Kriegen verrohten Individuen ausgeübt wird, sondern dass Folter nach jeweils neuesten Erkenntnissen der Wissenschaft gelehrt und systematisch angewendet wird. Dass solche Ausbildungsstätten, wie Fort Benning in den USA, geschlossen werden, ist das Anliegen unseres Preisträgers Roy Bourgeois.

Friedenspreis-Vorsitzender Otmar Steinbicker

Der Verein Aachener Friedenspreis ist eine 1988 aus der Friedensbewegung hervorgegangene Bürgerinitiative und gibt seine Preisträger traditionell am bzw. um den 8. Mai herum bekannt, dem Tag der Kapitulation Nazideutschlands. Die feierliche Preisverleihung findet immer am Antikriegstag (1. September) statt. Ausgezeichnet werden ­ entgegen dem Aachener Karlspreis ­ "Männer, Frauen und Gruppen, die von unten her" dazu beitragen, Frieden zu stiften. Neben dem internationalen Träger gibt es einen nationalen, in diesem Jahr ist dies die Tochter Bertolt Brechts, Hanne Hiob. Die 82-jährige Schauspielerin, Sängerin und "grimmige Kassandra", sagte Steinbicker, habe sich "seit mehr als 30 Jahren unerschrocken und mit aller Kraft gegen Faschismus, Rassismus und Krieg eingesetzt".

Bisherige Preisträger waren u.a. die Flüchtlingsinitiative Pro Asyl, der japanische Atomwaffengegner Kazuo Soda sowie die kurdische Parlamentsabgeordnete und Journalistin Leyla Zana. Geehrt wurden auch der Friedenspädagoge Bernhard Nolz und die US-Kongressabgeordnete Barbara Lee (vgl. Unbeugsame an der Heimatfront) sowie die israelischen und palästinensischen Friedensaktivisten Reuven Moskovitz und Nabila Espanioly (vgl. Feinde zu Freunden gemacht). Vergangenes Jahr erhielt die Auszeichnung die derzeit durch Morddrohungen türkischer Nationalisten gefährdete Menschenrechtsanwältin Eren Keskin.