Gehirn-Wäsche im Schlaf: Wie unser Denkapparat nachts entgiftet wird
![Durch gesunden Tiefschlaf wird das Gehirn entgiftet und bleibt damit länger gesund.](https://heise.cloudimg.io/width/700/q75.png-lossy-75.webp-lossy-75.foil1/_www-heise-de_/imgs/18/4/7/9/0/2/8/5/shutterstock_2170583023-8c0262d001059d45.jpeg)
(Bild: mi_viri / Shutterstock.com)
Forscher haben entdeckt, wie das Gehirn im Schlaf Abfallprodukte entsorgt. Bestimmte Schlafmittel könnten diesen Prozess jedoch stören.
Wer kennt es nicht: Nach einer erholsamen Nacht fühlt man sich wie neugeboren. Der Kopf ist klar, die Gedanken sind sortiert. Kein Wunder, denn im Schlaf führt unser Gehirn eine Art Großreinemachen durch. Wie das im Detail funktioniert, haben Wissenschaftler der Universität Kopenhagen jetzt genauer untersucht.
Die Studie wurde in der Fachzeitschrift Cell veröffentlicht.
Das Gehirn auf Sparflamme
Sobald wir einschlafen, fährt unser Gehirn herunter. Die Verarbeitung äußerer Reize wird gedrosselt. Gleichzeitig werden Reparatur- und Reinigungsprozesse hochgefahren.
"Wenn das Gehirn vom Wachzustand in den Schlaf übergeht, lässt die Verarbeitung externer Informationen nach, während Prozesse wie die glymphatische Entfernung von Abfallprodukten aktiviert werden", erklärt Studienleiterin Maiken Nedergaard von der Universität Rochester.
Pumpe für Gehirnwäsche
Mithilfe eines speziellen Verfahrens beobachteten die Forscher die Hirnaktivität von Mäusen. Dabei entdeckten sie, dass im Non-REM-Schlaf, also dem Tiefschlaf ohne Träume, langsame synchronisierte Wellen des Neurotransmitters Noradrenalin, des Hirnblutvolumens und der Rückenmarksflüssigkeit auftreten.
Noradrenalin löst dabei sogenannte "Micro-Arousals" aus – winzige Weckreaktionen, die zu einer rhythmischen Verengung der Blutgefäße führen. "Diese Erkenntnisse, kombiniert mit dem, was wir über das glymphatische System wissen, zeichnen ein vollständiges Bild der Dynamik im Gehirn, und diese langsamen Wellen, Mikroerregungen und das Noradrenalin waren das fehlende Glied", sagt Erstautorin Natalie Hauglund.
Die Verengung der Blutgefäße erzeugt eine Pumpwirkung, die die Rückenmarksflüssigkeit tief ins Gehirn drückt. Dort schwemmt sie Stoffwechselabfälle und potenziell schädliche Proteine wie Beta-Amyloid und Tau-Proteine weg, die mit neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer in Verbindung stehen. Dieses "Abwassersystem" des Gehirns wird als glymphatisches System bezeichnet.
Die Experimente zeigten zudem, dass das glymphatische System durch das Pulsieren der Blutgefäße weiter in das Gehirn hineinwirkt. Das unterstreicht noch einmal mehr die Bedeutung von Tiefschlaf für die Gesundheit des Gehirns.
Schlafmittel als Bremse?
Doch nicht jeder Schlaf ist geeignet, um die Schadstoffe aus dem Gehirn zu spülen, die sich über den Tag angesammelt haben. Besonders wenn Schlafmittel genutzt werden, kann das glymphatische System ausgebremst werden.
Die Forscher untersuchten auch die Wirkung des Schlafmittels Zolpidem, dessen Wirkstoff in einigen Schlafmitteln enthalten ist, die auch in Deutschland vertrieben werden. Das Ergebnis: Es versetzte die Mäuse zuverlässig in den Schlaf, gleichzeitig unterdrückte es die für das Gehirnwäsche-System so wichtigen Noradrenalin-Schwankungen.
Diese Erkenntnis lenke schließlich "auch die Aufmerksamkeit auf die möglicherweise schädlichen Auswirkungen bestimmter pharmakologischer Schlafmittel auf die Gesundheit des Gehirns", so Nedergaard.
Die Erkenntnisse unterstreichen die Bedeutung eines gesunden, natürlichen Schlafs für die Regeneration unseres wichtigsten Organs. Sie könnten auch erklären, warum chronischer Schlafmangel und Schlafstörungen langfristig die Entstehung von Demenz begünstigen. Weitere Forschung muss nun zeigen, inwieweit sich die Ergebnisse auf den Menschen übertragen lassen.