Genesene? Welche Genesene?

Seite 2: Ein Problem namens PCR-Test

Das Problem knapper PCR-Tests und Laborkapazitäten in Deutschland ist in aller Munde. Dem folgt die sogenannte Priorisierung als politische Konsequenz. Ein aus der Priorisierung entstehendes Problem ist die Verschlechterung der bereits schlechten Datenlage, denn das RKI kündigte schon an, in Zukunft die Inzidenzen künftig nur noch schätzen zu wollen. Da die Höhe der Inzidenz aber über Grundrechte der Menschen entscheidet, sollten hier Bedenken angemeldet sein.

In Hinblick auf die Genesenen ergibt sich aber ein grundlegendes Problem. Menschen, die sich infiziert haben, benötigen den Beleg ihrer Infektion durch einen PCR-Test. Man kann nur vermuten, dass dieses Problem täglich Tausende, wenn nicht Zehntausende Menschen betrifft. Der SWR kommentiert:

Ändert sich daran nichts, würde die Priorisierung eine extreme Einschränkung für Genesene mitbringen, die ohne einen entsprechenden Nachweis von vielen Bereichen des öffentlichen Lebens ausgeschlossen werden.

Ein Blick ins Ausland kann manchmal helfen. Beispielsweise wird in Frankreich seit jeher der Antigenschnelltest als Beleg für den Genesenenstatus akzeptiert (was wiederum ungeahnte Probleme für genesene Franzosen ergibt, die nach Deutschland reisen und deren Zertifikat nicht anerkannt wird, da die Genesung nicht durch einen PCR-Test belegt ist).

Auf eine Anfrage von Telepolis erklärte das RKI "derzeit (werde) geprüft, ob bei den Vorgaben für den Genesenennachweises ein Antigentest statt PCR ausreicht".

Bei der Übersicht des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte der Antigenschnelltests zeigt sich, dass sehr viele Schnelltests sich hinsichtlich Spezifizität und Sensitivität nur geringfügig von PCR-Tests unterscheiden. Hendrik Streeck befürwortet ausdrücklich auf den Antigenschnelltest zu setzen.

Nur eine Lösung

Die deutsche Politik scheint nach wie vor nur einen wirklichen Lösungsvorschlag zu kennen: die Impfung. Gerade vor dem Hintergrund der extrem hohen Infektionszahlen durch Omikron ist es erstaunlich, wie wenig Einfluss die Rate der Genesenen auf die Politik hat. Auch heute ist der Blick weiterhin auf die Impfquote fokussiert.

Bestätigt wird diese einseitige Politik auch durch die Einkaufsliste der Bundesregierung. "Deutschland hat 2021 aus den EU-Verträgen zur Beschaffung von Corona-Impfstoff in verschiedenen Tranchen rund 554 Millionen Impfdosen bestellt," so die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der AfD. Über die Anfrage von Kathrin Vogler (die Linke) berichtete das ARD-Politikmagazin Report Mainz vorab:

Die Bundesregierung hat seit Beginn der Pandemie insgesamt mehr als 660 Millionen Dosen Corona-Impfstoff bestellt, die bis 2023 ausgeliefert werden sollen. (…) Wie viele der übrigen rund 400 Millionen Impfdosen tatsächlich in Deutschland verimpft werden sollen, ließ das Bundesgesundheitsministerium (BMG) auf Nachfrage von Report Mainz offen.

Anschaulich erklärt Kathrin Vogler: "Die insgesamt bestellten Dosen entsprechen pro Kopf der Bevölkerung, vom Baby bis zum Greis, fast acht Dosen Corona-Impfstoff." Eine Reduktion der Vorbestellungen sei "nur im Einvernehmen mit den Herstellern möglich".

Eine solche Anfrage liege aber beispielsweise bei Biontech nicht vor, wie Report Mainz berichtet. An dieser Stelle sei daher noch einmal an die Warnung von Marco Cavaleri, Leiter der Strategie für biologische Gesundheitsgefahren und Impfstoffe der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) erinnert: Boosterimpfungen "können einmal oder vielleicht zweimal verabreicht werden, aber wir können nicht davon ausgehen, dass sie ständig wiederholt werden sollten" Denn, so das Resumé von Cavaleris Pressekonferenz auf Bloomberg Press:.

Wiederholte Auffrischungsimpfungen alle vier Monate könnten die Immunreaktion schwächen und die Menschen erschöpfen.

Angesichts der rasant wachsenden Anzahl von Genesenen in Deutschland und dem sich abzeichnenden Willen der Bundesregierung in nächster Zeit, wiederholte Boosterungen durchzuführen, soll auch auf eine aktuelle Studie verwiesen werden, die belegt, dass Genesene bei der zweiten Impfdosis kaum mehr zusätzliche Antikörper bilden.

Wo ist der Ausgang?

Spanien hat entschieden, nun Sars-Cov-2 als eine normale Grippe zu behandeln und fordert andere EU-Länder auf, dies ebenfalls zu tun. Dänemark wird so gut wie alle Maßnahmen und Beschränkungen aufheben. Die Schweiz denkt konkret über Lockerungen nach.

Frankreich hat einen Fahrplan für die schrittweisen Lockerungen vorgestellt. Die Niederlande haben entschieden, weite Teile der Auflagen zu lockern. Großbritannien will die Corona-Maßnahmen zurücknehmen und auch Israel hat Lockerungen beschlossen.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach kann sich zwar Lockerungen nach der Omikron-Welle Mitte Februar vorstellen. Worin diese dann bestehen könnten, ist bislang jedoch völlig unklar.

Daher kritisiert Klaus Stöhr:

Dass die Ministerpräsidenten nun am 24. Januar verkünden, in der Zukunft einen Exitplan erarbeiten zu wollen, ist ein Beispiel für die Qualität der strategischen Pandemiebekämpfung hierzulande.

Die drei Schritte des Prof. Streeck

Angesprochen auf seine Haltung zur allgemeinen Impfpflicht stellt Hendrik Streeck drei Schritte dar (ab Minute elf), die seines Erachtens durchgeführt werden sollten, bevor man eigentlich wirklich über Sinn oder Unsinn einer Impfpflicht diskutieren könne. Sein Hauptkritikpunkt an der Impfpflicht bezieht er ausdrücklich auf das Interesse der Politik am Genesenenstatus: "Wir behandeln den sehr stiefmütterlich."

Streeck betont, dass die Studienlage den sehr guten Schutz nach einer Genesung belege. Daher besteht seine klare Forderung nicht darin, die Festlegung der offiziellen Genesenenschutzdauer wieder auf sechs Monate zurückzusetzen, sondern sie lautet schlicht und eindeutig: Impfstatus und Genesenenstatus müssten gleichgestellt werden.

Als weitere notwendige Ergänzung schlägt Streeck vor, den Antikörper-Nachweis als Nachweis für den Genesenenstatus zu akzeptieren (bei Masern gilt dies ebenfalls in Deutschland). Als dritter Schritt ist eine repräsentative Studie notwendig, um herauszufinden, wie viele Menschen, keinen Schutz haben:

Wir wissen nicht, wer Schutz hat. Wir wissen gar nicht, über was für einen Prozentsatz in der Bevölkerung wir eigentlich reden, womit wir solche drakonischen Maßnahmen einführen wollen wie eine Impfpflicht. Ich habe die Sorge, wir rennen da hinterher, um etwas durchzupeitschen, eine Impfwunschquote.