Germknödel mit Flachbildschirm

Der neue iMac oder - Liebe auf den zweiten Blick

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Ich gebe es ja zu, auch ich fand den neuen iMac am Anfang hässlich, um nicht zu sagen lachhaft. Unter den ersten Vergleichen, die mir dafür einfielen, befanden sich "Stehlampe" und "Germknödel mit Flachbildschirm". Da hatten sich die Experten mal wieder was geleistet, wie bei dem grandios gefloppten Apple Cube von vor anderthalb Jahren; auch so eine revolutionäre Designstudie, die aussah wie ein Toaster aus den Fünfzigern. Oder wie bei dem total untergegangenen "Twentieth Anniversary Mac", den sie für sage und schreibe 10.000 Dollar vermarkten wollten und am Schluß für ein Fünftel nicht los wurden. Ha!

Und dann erlag ich der Apple-Werbestrategie. Und vor allem dem Charisma des Chefdesigners.

Eigentlich ist ja der aktuelle Werbespot eine ganz biedere Sache. Fünf mehr oder minder berühmte Personen preisen die Qualitäten des Produkts. In Zeiten, in denen oft für Sachen geworben wird, ohne sie zu präsentieren, eine fast anrührend altmodische Strategie. Natürlich ist daran in Wahrheit nichts altmodisch. Jeder der fünf hat die Aufgabe, ganz bestimmte Qualitäten der Maschine zu illustrieren, und (fast) alle machen das hervorragend.

Annie Leibovitz, die Photografin, führt gleichzeitig die Maschine und die iPhoto-Software ein, indem sie wunderbar trocken und spröd die digitalen Bilder ihrer Tochter Sarah präsentiert, und die erstaunlichen Dinge, die man damit machen kann (vorausgesetzt, man hat die richtige Hard- und Software). Leibovitz soll ganz klar für die emotionale Verankerung des Produkts im Familienumfeld sorgen. "Er scheint zu lächeln", sagt sie, und meint damit den iMac und seinen Superdrive, der ungeöffnet tatsächlich ein wenig wie ein lächelnder Mund wirkt.

Seal, der Musiker, fetischisiert den iMac bis zum geht nicht mehr, vergleicht ihn mit einem Ausstattungsstück aus "2001" ("or even beyond that"), und gerät in fast erotische Verzückung angesichts des beweglichen Flachbildschirms. Sein Fazit: Das ist die Zukunft heute. Totaler Hipness-Alarm.

Francis Ford Coppola, der Regisseur, erdet das Ganze dann wieder, indem er nüchtern aufzählt, was man mit dem Ding alles machen kann, und für die nähere Zukunft die Erstellung eines multimedialen Meisterwerks durch "someone" in Aussicht stellt: "There's no limitation." Er würde auch gern 3 Millionen davon an 3 Millionen junge Leute verschenken.

Außerdem hätten wir da noch die beiden Apple-Funktionäre: Jonathan Ive, den Chefdesigner, und Philip Schiller, den Vizepräsidenten von irgendwas. Ein Unterschied wie Tag und Nacht. Philip Schiller rattert uninspiriert und kurzatmig die tech specs der Maschine herunter wie ein Ministrant im Samstagabendgottesdienst, alles ganz toll, business as usual, hundertmal gesehen. Die tech specs selbst sind beeindruckend genug: Flachbildschirm, G4 PowerPC-Prozessor, 60 GB HD, bis zu 1 GB RAM, Schnittstellen galore (USB, Firewire, etc., etc.), ein Superdrive, der DVDs nicht nur lesen, sondern auch brennen kann (wie selbstverständlich auch CDs in allen üblichen Varianten). Philip Schiller selbst hingegen ist leider total unbeeindruckend. Im Vergleich zu Jonathan Ive ein Totalausfall.

Jonathan Ive liefert fast gar keine Sachinformationen, sondern berichtet von der "Herausforderung, diesem Produkt Leben einzuhauchen", der "Reinheit des Entwurfs, der die Schwerkraft zu leugnen scheint", und der "einfachsten Lösung, die immer die schwerste ist". Nichts als Phrasen im Grunde, aber er trägt sie auf eine fast unwiderstehliche Art vor: frisch, ehrlich, begeistert wie ein 14-jähriger Junge, der einen wirklich, wirklich coolen Trick entdeckt hat. Was beim iPod, für den er auch verantwortlich war, schon deutlich wurde, ist hier unübersehbar: Der Mann liebt seinen Beruf, liebt die Dinge, die er tut, und kann darüber auf eine Art reden, dass man ihm gerne zuhört. Dieser Mann könnte mir alles verkaufen, sogar einen Staubsauger, obwohl ich schon einen habe.

Ich betrachtete also dieses Werbefilmchen - und dachte nach. Und zwar über die Computerkatastrophen, die meine Vorweihnachtszeit 2001 in ein Minenfeld verwandelt hatten. Kaputte Festplatte, bizarre BIOS-Probleme bei der Installierung einer neuen; mein Laptop wies Windows 98 gnadenlos zurück, das CD-Rom-Laufwerk rauchte beim Versuch ab, eine einfache Sprachsoftware zu installieren. Sicher, Bill Gates und die Seinen waren nicht an allem schuld. Und Jonathan Ive konnte sich mit dem iMac soviel Mühe gegeben haben, wie er wollte, auch mit diesem Computer würde es früher oder später Probleme geben. Aber die Versuchung war mächtig. Ich sah mir die Preislisten für den iMac an, rechnete die Extra-Software dazu, die ich brauchte (ohne eine PC-Emulation würde ich nicht weit kommen), verglich das Ergebnis mit meinem Kontostand - und seufzte. Ging nicht. Ob mit Jonathan Ive oder ohne.

Aber vielleicht gibt es ja Hoffnung. Was Brecht recht war, als er von Steyr ein Auto dafür bekam, daß er für die Firma Werbung machte sollte mir doch nur billig sein. Wenn hier jemand von Apple Deutschland oder Francis Ford Coppola mitliest: Einmal Germknödel mit Flachbildschirm bitte! Ich schreibe dann auch ein Gedicht darüber.