Gerüchte und Verschwörungen

Angeblich gefälschte CNN-Bilder jubelnder Palästinenser sorgen für Aufruhr

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Stunden nach dem Attentat auf das World Trade Center gingen die Bilder jubelnder Palästinenser um die Welt. Doch schon bald machte sich das Gerücht breit, CNN habe für diesen Beitrag Filmmaterial von 1991 verwendet. Für die FAZ ein klarer Fall von Verschwörung.

Einen Tag nach dem Attentat tauchte eine erregte Nachricht im Weblog der Indymedia-Website auf. Darin erklärte ein brasilianischer Student voller Empörung, die Berichterstattung nach dem Attentat sei ein typisches Beispiel für unsere Abhängigkeit von großen Medienkonglomeraten wie CNN. Weltweit würden Sender ihre Bilder übernehmen, ohne sie auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen. Dabei seien sie in diesem Fall eindeutig gefälscht gewesen:

"Diese Bilder wurden 1991 aufgenommen!!! Diese Bilder zeigen Palästinenser, die den Überfall auf Kuwait feiern!"

Das Gerücht verbreitete sich rasend schnell um den Erdball, fand sich bereits nach Stunden auf zahllosen Mailinglisten wieder. Doch bald tauchten Zweifel auf, ob CNN hier wirklich auf Archivbilder zugegriffen hatte. Vom Sender selbst folgen hochrangige Dementis. So erklärte Chief News Executive Tom Jordan auf der Mediennews-Website Poynter.org, das Gerücht sei "grundlos und lächerlich". Der Beitrag sei vielmehr von einem Reuters-Team am Tag des Attentats in Ost-Jerusalem aufgenommen worden. Ein Beweis dafür sei auch, dass einer der Palästinenser Osamar bin Laden lobe, und der sei schließlich gar nicht am Golfkrieg beteiligt gewesen. Auch Reuters und CNN Deutschland dementierten.

FAZ: "Die erste Verschwörung geht um"

Tatsächlich gibt es keine Gründe, den offiziellen Dementis nicht zu trauen. Für einen Beitrag in der gestrigen Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) war der Fall damit klar: CNN wurde Opfer einer Verschwörung von Globalisierungsgegnern, die durch gezielte Falschinformationen Zweifel am Nachrichtensender sähen wollten. Weshalb, so FAZ-Autor Michael Hanfeld, in den E-Mails auch der Hinweis nicht fehle, "dass die "Propagandamaschine" CNN nichts anderes zu tun habe, als Hass zwischen den Völkern zu schüren und die Welt auf einen Krieg vorzubereiten". Natürlich hätten die namentlich in dem Artikel nicht weiter benannten Globalisierungsgegner gar nicht erst bei CNN nachfragen müssen, um ihren Verdacht zu erhärten oder zu widerlegen. Für die FAZ ein klarer Fall von fehlender journalistischer Sorgfaltspflicht aufgrund ideologischer Scheuklappen.

Offenbar sind aber Recherchen aber auch für eine Zeitung wie die FAZ nicht mehr notwendig, wenn der Gegner erst einmal feststeht. Wer dem Gerücht einmal bis zum Ursprung folgt, landet früher oder später bei einem brasilianischen Studenten namens Marcio A. V. de Carvalho, der sich mittlerweile geläutert gibt. Am Tag des Attentats hatte eine Professorin in einem seiner Seminare erklärt, sie habe die Bilder bereits 1991 im Fernsehen gesehen und besitze dafür auch Beweise auf Video. Erhitzt von den Geschehnissen des Tages und der Tragweite der Vorwürfe veröffentlichte er diese im Netz und versprach, die Beweise in Form der Videoaufnahmen so bald wie möglich nachzuliefern. Als er seine Professorin jedoch darauf ansprach, erklärte diese plötzlich, keine derartigen Aufnahmen zu besitzen. Carvalho erklärte dazu bereits am Freitag letzter Woche:

"Ich entschuldige mich aufrichtig für diese ungeprüften Informationen, leider kann ich sie nicht belegen."

Fälschungen, Verschwörungen und der Wahrheitsgehalt der Bilder

Viel Aufregung um nichts, könnte man meinen. Interessant ist allerdings, warum das Gerücht so schnell auf fruchtbaren Boden fiel und sich im Netz in Windeseile verbreitete. Einerseits hat dies sicher mit den Strukturen der Aufmerksamkeitserzeugung und -verstärkung zu tun, die im Netz schon mal weitaus harmlosere Nichtigkeiten weltbekannt und Seltsamkeiten zum Kult werden lassen. Wie sonst ist zu erklären, dass die weltweit berühmteste aller Webcams nichts anderes zeigte als eine billige Kaffemaschine? Andererseits hat die Ausnahmesituation direkt nach den Attentaten sicher zur schnellen Verbreitung des Gerüchts beigetragen.

Vielleicht lohnt es sich aber auch, noch einmal einen Blick auf die fraglichen Bilder zu werfen. Die Kamera zeigt auf einen Cafe-Eingang, in dem sich ein paar Leute aufhalten. Ein Auto wird gezeigt, dann eine Frau und ein paar Kinder vor dem Cafe. Die Kamera schwenkt zurück auf den Cafe-Eingang, dann wieder auf das Auto. Insgesamt treten nicht viel mehr als 15 Personen auf, auch wenn die Kameraführung auf den ersten Blick eine größere Gruppe suggeriert. Dass die Aufnahmen dieser 15 Personen stellvertretend für "die feiernden Palästinenser" um die Welt ging, hat vielerorts Verwunderung hervorgerufen. So erklärte auch der Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbandes Siegfried Weischenberg gegenüber der Netzeitung, man habe diese Bilder nicht immer wieder zeigen dürfen, ohne sie richtig einzuordnen. Weischenberg wörtlich:

"Mit solchen Szenen werden Vorurteile gestützt."

Das große Echo auf das Fälschungsgerücht entsprang wohl nicht zuletzt einem allgemeinen Unbehagen im Umgang mit diesem Bildern. Einer Verschwörung bedurfte es dafür nicht. Zumal gerade die dafür von der FAZ verantwortlich gemachten Globalisierungsgegner zu den ersten gehörten, die sich an eine fundierte Faktenprüfung machten. Im Weblog der Indymedia-Website erklärte am Sonntag ein gewisser Mackie, warum die Bilder nicht von 1991 stammen können: In dem Film sei ein Ford Transit einer Baureihe zu sehen, die erst seit 1995 hergestellt werde.