Globaler Wettlauf um LNG: Energiekrise bedroht Entwicklungsländer

Luftaufnahmen eines Flüssiggas-LNG-Trägers, der an einem kleinen Gasterminal festgemacht ist.

(Bild: Evgenii Bakhchev / Shutterstock.com)

Europa droht eine Gaslücke, die Preise weltweit in die Höhe treibt. Ärmere Länder könnten vom Markt verdrängt werden. Entspannung ist erst 2026 in Sicht.

Europa gibt sich entspannt beim Thema der Gasversorgung. Die Speicher sind noch relativ voll und eine Mangellage ist nicht zu erwarten. Doch Experten warnten bereits, dass es im Sommer schwieriger werden könnte, die Speicher wieder aufzufüllen, weil Europa mit asiatischen Ländern um das begehrte verflüssigte Erdgas (LNG) konkurriert.

Der Finanzdienst Bloomberg hat das Geschehen am Weltmarkt für LNG skizziert – und es ist nichts anderes als ein erbitterter Kampf um die LNG-Mengen, bei dem wohl einige arme Länder unterliegen werden.

Ein Grund für dieses Geschehen ist der Transitstopp der Ukraine. Das russische Erdgas, das durch die Pipeline über ukrainisches Territorium nach Europa gelang, machte zwar nur etwa fünf Prozent des europäischen Bedarfs aus, aber diese Mengen müssen jetzt an den LNG-Märkten besorgt werden.

Francisco Blanch, Rohstoffstratege bei der Bank of America, sagte gegenüber Bloomberg:

In diesem Jahr wird es in Europa mit Sicherheit eine Energielücke geben. Das bedeutet, dass das gesamte zusätzliche Flüssigerdgas, das in diesem Jahr weltweit in Betrieb genommen wird, dazu verwendet wird, diesen Engpass bei russischem Gas auszugleichen.

Für Europa bedeutet die prognostizierte Entwicklung einmal höhere Gaspreise, mit denen Verbraucher und Industrie zu kämpfen haben. Mit Blick auf den aktuellen Wahlkampf kann sicherlich gesagt werden, dass die künftige Bundesregierung daran gemessen wird, ob es ihr gelingt, die Energiepreise zu senken.

Es könnte aber auch dazu kommen, dass Europa seine Gasspeicher für den kommenden Winter nicht füllen kann, wie vorgesehen ist. Denn Optionen für neue Lieferungen sind begrenzt, seitdem die Ukraine den Transit für russisches Gas verweigert – und der verbliebene Strang der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 nicht in Betrieb geht.

Preisexplosion bedroht Entwicklungsländer

Um die prognostizierte Versorgungslücke zu schließen, muss Europa laut Experten bis zu zehn Millionen Tonnen zusätzliches Flüssiggas (LNG) pro Jahr importieren – rund zehn Prozent mehr als 2024. Ob dies gelingt, hängt unter anderem davon ab, wie schnell die neuen Exportkapazitäten in Nordamerika in Betrieb gehen. Wegen rechtlicher Bedenken erwägt die neue Trump-Administration allerdings, sich mit neuen Genehmigungen etwas Zeit zu lassen.

Wahrscheinlich ist es daher, dass Europa LNG-Lieferungen, die für Asien bestimmt sind, mit höheren Preisen von dort abzieht und nach Europa umlenkt. Das wiederum treibt die Preise weltweit in die Höhe. Und Länder wie Indien, Bangladesch und Ägypten könnten sich die teuren Importe dann wohl kaum noch leisten. Aber auch die wirtschaftliche Erholung Deutschlands wäre gefährdet, warnen Experten laut Bloomberg.

Schon jetzt liegen die Gaspreise in Europa, die sich auch auf die LNG-Preise in Asien auswirken, rund 45 Prozent über dem Vorjahresniveau. Für 2025 werden die Kontrakte bisher etwa dreimal so hoch gehandelt wie vor der Krise. "Die Preissteigerungen würden sich noch verschlimmern, wenn auch die Lagerbestände im asiatisch-pazifischen Raum erschöpft sind, was zu einem Wettbewerb um Frachtgut führen würde", sagt Jason Feer von der Energiehandelsfirma Poten & Partners laut Bericht.

Besonders prekär ist die Lage in Entwicklungsländern, die im Wettbieten um LNG den Kürzeren ziehen. In Südamerika hatte Brasilien bereits Mühe, die schwindende Stromerzeugung aus Wasserkraft zu ersetzen. Argentinien könnte in der kommenden Heizperiode in den Wettbewerb um LNG geraten. Auch Ägypten ist gefährdet: Das Land, das im vergangenen Sommer selbst vom LNG-Exporteur zum Importeur wurde, könnte in diesem Jahr Dutzende zusätzliche Lieferungen benötigen, um Stromausfälle zu vermeiden.

Hoffen auf Entspannung ab 2026

Entscheidend für die weitere Entwicklung ist, wie schnell neue LNG-Exportkapazitäten ans Netz gehen. Die Hoffnungen ruhen hauptsächlich auf den USA, dem weltweit größten LNG-Lieferanten. Dort sollen die Exporte in diesem Jahr laut Experten um rund 15 Prozent steigen. Allerdings warnte der Exporteur Cheniere bereits, dass der Anstieg "relativ langsam" ausfallen werde.

In Russland, bisher Europas zweitgrößter LNG-Lieferant, ist die Lage noch ungewisser. Hier drohen neue US-Sanktionen, um die Exporte zu behindern. Bereits jetzt haben westliche Strafmaßnahmen das große Arctic-LNG-2-Projekt um zwei bis drei Jahre zurückgeworfen.

Experten erwarten eine Entspannung der Märkte erst ab 2026, wenn verzögerte Projekte endlich Flüssiggas liefern. Bis 2030 sollen weltweit weitere 175 Millionen Tonnen LNG hinzukommen, hauptsächlich aus den USA und Katar. Dies könnte die Preise drücken und verdrängte Kunden zurück auf den Markt bringen. "Wenn die aktuellen LNG-Expansionspläne umgesetzt werden, sollte 2026 das Licht am Ende des Tunnels sein", sagt Florence Schmit, Energiestrategin bei der Rabobank.