Graue Wölfe: Spezis aus dem Kalten Krieg
Neue Studie: American Jewish Committee warnt vor dem Einfluss der türkischen Ultranationalisten in Deutschland. Einst waren sie eng mit der CSU verbandelt, jetzt wird ein Verbot geprüft
Anhänger der Grauen Wölfe sind türkische Ultranationalisten, wollen aber mit deutschsprachigen Rap-Songs hierzulande eine Generation von Jugendlichen erreichen, die den Alltag in der Türkei gar nicht mehr aus eigenem Erleben kennt. Dabei dürfen sexistische Kraftausdrücke für ganze Länder nicht fehlen - Allah allerdings auch nicht. In ihren Texten werden Feindbilder wie "USA und Fotze Israel, dazu noch die PKK" genannt - entsprechende Musikvideos sind auf ihren Youtube-Kanälen zu finden. Im "Turan-Song" des Rappers Osun Baba heißt es außerdem: "Wir haben keine Angst, außer vor Allah."
Doch nicht nur diese Subkultur ist Thema der Studie "Türkischer Rechtsextremismus in Deutschland - Die Grauen Wölfe", die das American Jewish Committee (AJC) Berlin am Montag vorgestellt hat. Im Nato-Partnerland Türkei koalieren Anhänger der Grauen Wölfe in Form der "Partei der Nationalistischen Bewegung" (Milliyetçi Hareket Partisi, kurz MHP) zur Zeit mit der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP.
In der Studie werden zudem Verflechtungen und gemeinsame Wurzeln mit Organisationen wie der Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa (ATIB) aufgezeigt. Das AJC kritisiert daher auch, dass derlei Vereine über ihre Mitgliedschaft im Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) Gesprächspartner der Bundesregierung seien. Zur bayerischen Unionspartei CSU hatte die MHP einst noch viel engere Kontakte.
Brüder im Ungeist
Dr. Remko Leemhuis, Direktor des AJC Berlin, nennt im Vorwort der Studie die Grauen Wölfe in einem Atemzug mit deutschen Rechtsterroristen: "Gemeinsam mit Islamismus ist Rechtsextremismus hierzulande zweifellos die größte Gefahr für die Demokratie. Der antisemitische Terroranschlag in Halle, der rassistische Massenmord in Hanau sowie der Mord an dem CDU-Politiker Walter Lübcke haben dies in jüngerer Vergangenheit schmerzlich in Erinnerung gerufen." Diese Gefahr sei lange unterschätzt worden, dennoch sage "eine der personenstärksten rechtsradikalen Strömungen, die türkischen Grauen Wölfe, bis heute bestenfalls Expertinnen und Experten etwas". Die Sicherheitsbehörden rechnen ihr rund 18.000 Personen zu.
Die sonstigen Gemeinsamkeiten mit deutschen Neonazis, die türkischstämmige Menschen wegen ihrer Herkunft ablehnen, sind frappierend: "Die Ideologie und Gesinnung der Grauen Wölfe stützt sich auf ein Konglomerat verschiedener Diskurse und Grundpfeiler. Dazu zählen neben Rassismus auch Sexismus, Homophobie, Antisemitismus, Autoritarismus, Führerkult und Gewaltakzeptanz", schreibt der Kölner Sozialwissenschaftler Kemal Bozay in der Studie. Eine Gefahr gehe von ihnen vor allem für Jüdinnen und Juden sowie Mitglieder der kurdischen, der alevitischen und anderer Communities aus. Seit 1974 gehen auch in Deutschland Tötungsdelikte auf das Konto der Grauen Wölfe: Fünf Fälle, in den die Opfer nicht überlebten, sowie einen weiteren Mordversuch in der Bundesrepublik listet Bozay in der Studie auf.
Vereint im Antikommunismus
Der Gründer der Organisation, MHP-Politiker Alparslan Türkeş, unterhielt allerdings auch gute Kontakte zur Law-and-Order-Partei CSU und traf im April 1978 bei einer BRD-Reise deren Chef Franz-Josef Strauß, um sich mit ihm "über die kommunistische Gefahr, die man gemeinsam bekämpfen sollte" auszutauschen, wie der Spiegel im Februar 1980 berichtete. Strauß sagte demnach in den Gesprächen zu, dass Bayern den Anfang machen werde, um für die MHP und die Grauen Wölfe ein günstiges psychologisches Klima in Deutschland zu schaffen.
Kurdisch- und türkischstämmige Linke, die aus diesem Spektrum regelmäßig Morddrohungen erhalten, bekommen dieses Klima bis heute zu spüren. Während die linke Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) in Deutschland seit 1993 verboten ist, wird die Möglichkeit eines Verbots der Grauen Wölfe erst offiziell seit November 2020 geprüft. Dieses Verbot sei überfällig, erklärte am Montag die Obfrau der Bundestagsfraktion Die Linke im Auswärtigen Ausschuss, Sevim Dagdelen. Sie warnt davor, dass Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) den damals erteilten Prüfauftrag des Bundestags weiter verschleppen könnte.
Über die mögliche Auflösung "von Verbänden wie ATIB als Teil des Netzwerks des türkischen Autokraten Recep Tayyip Erdogan in Deutschland" müsse zügig entschieden werden, so Dagdelen. Für "die Hetze von Erdogans Islamisten und türkischen Nationalisten gegen Andersdenkende, Gewerkschafter, Kommunisten, Aleviten, Armenier, Kurden und Juden" dürfe es in Deutschland keine Toleranz geben.
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