Gravitationslinseneffekt

Aus der Ferne scheinen Quasare heller

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Wahrscheinlich sind ein Drittel der weit entfernten Quasare wesentlich kleiner als bisher angenommen. Durch den Gravitationslinseneffekt der Galaxien zwischen ihnen und der Erde sehen wir ihr Abbild verzerrt.

Quasar PKS 1127-145, Entfernung: 10 Milliarden Lichtjahre, Bild: NASA/Chandra Science Center

Quasare (Kurzform für "Quasi-Stellar Objects" bzw. "Quasistellare Radioquellen") sind sehr strahlungsintensive Objekte; im Spektrum des sichtbaren Lichts sind sie punktförmig, aber im Radiowellenbereich strahlen sie ungeheure Mengen Energie ab. Mit Radioteleskopen können deshalb auch sehr weit entfernte Quasare aufgespürt werden. Erst im März diesen Jahres entdeckte CHANDRA drei Quasare, die 13 Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernt sind (Vgl. Chandra Finds Well-Established Black Holes In Distant Quasars). Das Programm "Sloan Digital Sky Survey" (SDSS) hat es sich zum Ziel gesetzt, den gesamten Himmel zu kartografieren, also die Position, Entfernung und Größe aller entdeckten Himmelskörper zu erfassen. Dabei wurden auch sehr helle Quasare entdeckt, die bis zu 14,5 Milliarden alt sein sollen, wenn ihr Licht uns erreicht. Quasare gelten als beobachtbare Zeugen für den Zustand relativ kurz nach dem Urknall, als der Kosmos erst eine Milliarde Jahre alt war. Der direkte Blick in die Kinderstube des Universums fasziniert entsprechend die Astronomen, denn er verspricht Aufschlüsse darüber, wie sich Sterne und Galaxien gebildet haben (Vgl. Die ersten Atome).

Die quasistellaren Radioquellen leuchten deshalb so hell, weil es sich um Kerne von Galaxien handelt, in deren Mitte gewaltige schwarze Löcher klaffen, die alle Materie um sie herum verschlingen. Darum herum leuchtet dann eine scheibenförmige Struktur, die Akkretionsscheibe, sehr intensiv, weil das Gas sich enorm aufheizt, bevor es von der Schwerkraft des schwarzen Loches angezogen, hinter den Ereignishorizont stürzt. Allerdings sind viele Details in dieser Theorie noch nicht bewiesen, selbst die Existenz schwarzer Löcher ist in der Kosmologie nicht unumstritten (Vgl. Schwarzer Stern).

Gravitationslinse, Bild: MPG für Astronomie

Die Intensität der Strahlung von Quasaren ist von der Größe der schwarzen Löcher abhängig, die sich in ihrem Inneren verbergen. Je massiver es ist, desto mehr leuchtet die Scheibe. Dabei diskutieren die Kosmologen angesichts der Helligkeit einiger Quasare heftig darüber, wie es möglich ist, dass sehr kurz nach dem Big Bang bereits schwarze Löcher entstanden sind, deren Masse immens groß sein müsste - entsprechend einigen Milliarden unserer Sonne.

J. Stuart B. Wyithe und Abraham Loeb vom Astronomy Department der Harvard University präsentieren in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Nature eine plausible Erklärung für eine optische Täuschung. Sie argumentieren, dass Gravitationslinsen ein Drittel der sehr hellen Quasare größer erscheinen lassen, als sie wirklich sind. Wenn sich zwischen dem Betrachter und der Lichtquelle eine Masse befindet, von der gewaltige Gravitationskräfte ausgehen, wird das Licht verstärkt oder abgelenkt. Gravitationslinsen lassen uns das Licht weit entfernter Objekte leuchtender erscheinen, als es wirklich ist; manchmal sehen wir sogar mehrere Abbilder des selben Sterns (Vgl. Mikrolinse in der Milchstrasse), wenn das Teleskop über genügend Auflösung verfügt. Wyithe und Loeb haben sich die Ergebnisse des "Sloan Digital Sky Survey" vorgenommen und die Rotverschiebung sowie die Helligkeit nochmals genau analysiert. Je weiter von uns weg eine stellare Lichtquelle ist, desto stärker sind ihre Spektrallinien rotverschoben.

Diesen Effekt nennt man Rotverschiebung. Nach der Auswertung der Daten gehen die Harvard-Astronomen nun davon aus, dass mindestens ein Drittel der bekannten Quasare mit hohem Rotverschiebungswert von uns aus gesehen hinter Galaxien liegen, die für ein verzerrtes Abbild verantwortlich sind. Dadurch erscheinen sie uns mindestens zehn Mal heller, als sie in Wirklichkeit sind.

In einem begleitenden News-and-Views-Artikel wertet Edwin L.Turner vom Observatorium der Princeton University diesen neuen Ansatz als gute wie auch schlechte Nachricht für die Kosmologie.

Wenn Wyithe und Loeb Recht haben, dann sind die sehr alten Quasare viel kleiner als bisher angenommen und der Widerspruch zur Theorie zur Entstehung des Universums ist nicht mehr so groß. Allerdings wird die Forschung zur frühen Epoche des Kosmos sehr viel schwieriger, weil Gravitationslinsen als häufiges - und nicht wie bisher angenommen seltenes - Phänomen, künftig bei jeder Beobachtung mitberücksichtigt werden müssen. Es steht nun an, mit hochauflösenden Teleskopen und den neuen Kameras von Hubble (Vgl. Kollidierende und sich bildende Galaxien) den vorausgesagten Gravitationslinseneffekt in jedem Einzelfall zu überprüfen.