Griechenland: Reeder für Putin

Öltanker der Suezmax-Klasse der griechischen Reederei Thenamaris, 2017. Bild: kees torn, CC BY-SA 2.0

Nur ein Schifffahrtsunternehmen will künftig kein russisches Erdöl mehr transportieren. Alle anderen scheren Regierung und EU nicht. Ein Reeder fand wenig schmeichelhafte Worte für Premier Mitsotakis

Reeder aus Griechenland, Zypern und Malta haben mit ihrem Lobbyismus bei ihren Regierungen und in Brüssel bei der EU erreicht, dass es kein Embargo gegen den Transport russischen Erdöls geben wird. Die Regierungschefs von Griechenland und Zypern, Premierminister Kyriakos Mitsotakis und Staatspräsident Nikos Anastasiades haben nach eigenen Angaben gemeinsam im Sinn der Reeder interveniert.

Reeder verdienen bereits an Kriegsfolgen

Gekippt sind offenbar auch die Pläne der Kommission, die Versicherung von europäischen Tankschiffen für den Transport russischen Öls zu unterbinden. Die Reedereien führen an, dass sie auch durch Charter-Verträge gebunden sind und bei einem Embargo in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht seien.

Noch Anfang April stellte sich die Situation anders dar. Die griechische Zeitung To Vima berichtete, dass die Reeder aufgrund der erhöhten Nachfrage von Flüssiggas mit wachsenden Erträgen rechnen können. Sie hatten frühzeitig, bereits vor Beginn des Krieges in entsprechende Tanker investiert. Im August 2021 meldete das Branchenmagazin maritimes.gr, "wenn es einen Markt gibt, der als Kapital für die Zukunft gilt und sich im Aufschwung befindet, dann ist es der Schiffstransportmarkt für LNG".

Vorgestellt wurden die Investitionen in LNG-taugliche Tanker der Reederfamilien Angelicoussis, Livanos, Kasidokostas, Latsis, Oikonomou und Martinos. Das Magazin vermeldet, dass die griechischen Reedereien ihre Investition verstärkt hätten und dass zahlreiche Schiffe unter griechischer oder maltesischer Flagge registriert seien.

Ebenfalls vor dem Krieg vermeldete die griechische Wirtschaftszeitung Naftemporiki einen langjährigen Leasingvertrag der Reederei Tsakos Energy Navigation für einen LNG-Tanker mit Nutzvolumen von 174.000 Kubikmetern.

Am 27. Februar, drei Tage nach Beginn der russischen Invasion in der Ukraine, vermeldete die Naftemporiki, dass die griechischen Reeder 2021 weltweit am stärksten in LNG-Tanker investiert hätten und im Fall eines russischen Gasembargos vor guten Geschäften stehen würden.

Griechische Reeder kaufen zudem vormals russische LNG-Tanker, die wegen der Sanktionen gegen Russland nun von Kreditinstituten, wie der ING Bank meistbietend verkauft werden. Die Banken versuchen über den Verkauf der von ihnen finanzierten Schiffe, die vertraglichen Bindungen an russische Firmen zu beenden.

Ein Rückgang der Transporte russischer Güter per Schiff von 35 Prozent, welche über die Lloyd’s List Intelligence ermittelt wurde, machten Reedereien gemäß der Reportage von To Vima mit höheren Transportpreisen wett. Auch bei den Containerschiffen sind die griechischen Reeder Weltmeister. In der Heimat genießen sie zahlreiche Steuervorteile und gehören somit nicht unbedingt zu denjenigen, die aktuell am meisten um ihre Existenz fürchten müssen.

Nach Angaben des Verbandes griechischer Reeder hatten die Schiffseigner des Landes 2021 30,25 Prozent der weltweiten Kapazitäten für Erdöltransporte. Bei LNG/LPG waren es 15,58 Prozent. Ein Anteil, der laut der Zeitung Kathimerini bis Mitte März auf 22,35 Prozent anstieg .

Reeder "scheißen auf Premierminister"

Politisch haben sie große Macht. Als vor einem Jahr herauskam, dass der Reeder Panos Laskaridis in einem Interview gegenüber der European Investigative Collaboration wortwörtlich sagte, dass die griechischen Reeder "den Premierminister nicht brauchen. Sie können auf den Premier scheißen", gab es keinerlei Konsequenzen von Seiten der Politik.

Laskaridis wurde wenige Tage später von der Kulturministerin Lina Mendoni empfangen und als Kunstmäzen geehrt.

Ähnlich hofiert werden Reeder auch auf Zypern, wo der Staatspräsident zum Festmahl bei ihnen erscheint und ihnen umfangreiche Unterstützung zusichert. Anastasiades sah in der Einladung im September 2021, einen "Vertrauensbeweis in die Regierungspolitik, die darauf abzielt, die Dienstleistungen für Reeder, Tycoons und Schiffsmanagementgesellschaften zu stärken."

Reporter und Greenpeace tracken die Tanker

Weniger freundlich gesonnen sind den Reedern investigative Journalisten und Umweltschutzorganisationen. Greenpeace hat per Twitter-Bot die Daten der Internetseite MarineTraffic.com erfasst und publiziert zu jedem Öltanker, der russische Häfen verlässt, einen automatisierten Tweet. Leser erfahren so den Namen des Tankers, die Ladung und den Zielhafen.

Die griechische Gruppe investigativer Journalisten Reporters United hat sowohl die Greenpeace und MarineTraffic Daten, als auch Daten von Equasis ausgewertet und eine Liste griechischer Reeder erstellt, die vom 9. März bis zum 30. April russisches Erdöl transportierten. Die Liste ist als Excel-Datei abrufbar.

Anders als bei den Tweets von Greenpeace gibt es hier durch die Kombination und Auswertung der Datenquellen eine größere Datensicherheit und auch die Information über die Schiffseigner.

In der Top-Ten der transportierten Mengen an russischem Öl finden sich die Namen der Reederfamilien Oikonomou, Martinos, Diamantidi, Vafeia, Tsakou und Anna Angelicoussi, die Schwester des verstorbenen Reeders John Angelicoussis. Dessen Tochter Maria Angelicoussi erklärte als bisher einzige Reederin, dass sie künftig aus ethischen Gründen auf den Transport russischen Öls verzichten will und somit selbst ein Embargo verhängt.

Sie besitzt die größte Flotte der griechischen Reeder.

Reporters United entdeckte trotzdem Datensätze eines Transports mit einem Schiff der Angelicoussis Group, der Maria Angelicoussi vorsteht. Über den Twitter-Boot von Greenpeace gibt es am 19. Mai einen weiteren Eintrag zur Maran Hermes, einem Tanker der Angelicoussis Group, der Russland mit Erdöl verlassen hat. Es ist aus den Datensätzen nicht direkt zu ermitteln, ob es sich bei Transporten von russischem Öl um Verträge handelt, die vor der Invasion oder danach abgeschlossen wurden. Die Reportergruppe schreibt dazu:

Viele Schiffe betreiben Zeitcharter, die vor Kriegsbeginn mit Moskau vereinbart wurden. Andere hingegen befördern Fracht per Spot-Charter, also für eine einzige Route, also Charter, die nach Kriegsbeginn beschlossen wurden.