Griechenland-Zirkus auf neuer Bühne
Entgegen allen Erwartungen stellt der IWF, die EZB und die EU dem Land ein positives Zeugnis aus
Um die baldige Pleite Griechenlands abzuwenden, hat Athen nun ein positives Zeugnis ausgestellt bekommen. Dabei hatte man lange auf das Land eingeprügelt, weil es die Auflagen für die Nothilfe nicht erfüllt. Doch an einem positiven Zeugnis kam die Troika gar nicht vorbei, weil es die Vorraussetzung dafür ist, dass die nächste Nothilfe-Tranche ausgezahlt werden kann. Doch wie passen zum Beispiel angebliche Fortschritte bei der mittelfristigen Finanzplanung damit zusammen, dass das Land mindestens weitere 60 Milliarden Euro an neuer Nothilfe braucht?
Es ist ein Schmierentheater, das derzeit wieder um Griechenland gegeben wird. Nun wird auf politischer Ebene eine Hürde nach der anderen aus dem Weg geräumt, um eine schnelle Pleite des Landes zu vermeiden und die erwartete Umschuldung zu verschieben. (Schnelle Umschuldung oder neue 25 Milliarden und spätere Umschuldung) Eine Vorraussetzung war, dass man sich grundsätzlich darauf geeinigt hat, dass Griechenland über einen Notfonds 2.0 erwartungsgemäß weitere Milliarden erhält. Die bisherigen 110 Milliarden Euro aus dem speziellen Nothilfetopf haben wie erwartet ihr Ziel verfehlt. Denn das Land konnte nicht stabilisiert werden, damit es sich ab 2012 wieder mit Geld auf dem Kapitalmarkt versorgen kann.
Die Nachrichtenagentur Reuters hatte schon am Donnerstag berichtet, dass eine zweite Extrawurst für Griechenland gebraten wird. Denn Vertreter des Wirtschafts- und Finanzkomitees (EFC) der Eurozone hatten sich bei einem Treffen in Wien in groben Zügen auf weitere Notmaßnahmen geeinigt. "Es gibt eine Vereinbarung und in Kürze wird dazu auch offiziell etwas gesagt werden", zitierte Reuters eine den Verhandlungen nahestehende Person. Details sollten bis zum Treffen der Eurozonen-Finanzminister am 20. Juni ausgehandelt werden. Am Freitag wurde dies bestätigt. Zuvor hatte sich der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou sich mit dem Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker in Luxemburg getroffen und für neue Milliarden auch Sparpläne auf den Tisch gelegt.
Nach dem Treffen sagte Juncker, dass weitere Finanzhilfen möglich seien. Voraussetzung dafür sei aber, dass der private Sektor sich auf freiwilliger Basis beteilige. Schon hier wird die gesamte Absurdität deutlich. Was passiert, wenn sich der private Sektor nicht beteiligt? Man muss kein Wahrsager sein, dass auch dann Griechenland weitere Milliarden erhält, weil man sich in Brüssel längst in eine Sackgasse manövriert hat. Wie verträgt sich diese Bedingung sonst mit einer weiteren Aussage von Juncker: "Es wird keine Pleite geben." Doch das wäre die Konsequenz, wenn die Bedingung nicht erfüllt würde. Dieser Satz hört sich ohnehin so glaubwürdig an, wie die einst gebetsmühlenhaft vorgetragenen Formeln, Griechenland, Irland, Portugal (die Ländernamen sind austauschbar) benötigten keine Nothilfe. Entsprechend klingt es auch, wenn Juncker erklärt, Griechenland werde in der Lage sein, vollständig seinen Verpflichtungen nachzukommen. Natürlich betonte er auch, dass das Land nicht aus der Eurozone ausscheiden werde. Auf keine der Aussagen sollte gewettet werden.
Genaue Zahlen, wie viele neue Milliarden es denn nun sein sollen, gibt es noch nicht. Während die griechische Zeitung "Kathimerini" Notkredite in Höhe von 30 bis 40 Milliarden Euro meldet, kann es dabei nicht bleiben. Aber es könnte sein, dass man zur Salamitaktik greift. Denn schon seit längerer Zeit kursieren Zahlen, die allein bis 2013 von bis zu 60 neuen Milliarden gesprochen haben (Wenn "Verrückte" in Europa regieren). Und ob es dabei bleiben wird, darf ebenfalls bezweifelt werden, denn dieses zweite Nothilfepaket soll nun sogar einen Zeitraum bis 2014 überbrücken. Schließlich wurde mit der ersten Milliardenhilfen völlig unrealistische davon ausgegangen, dass Griechenland 2012 an die Finanzmärkte zurückkehren und sich dort 2012 und 2013 wieder mit 65 Milliarden Euro besorgen kann.
Immer dieselben Konzepte
Davon geht nun aber nun niemand mehr aus. Genau deshalb wird an dem zweiten Nothilfepaket gebastelt. Weil nicht endlich die Reißleine über eine Umschuldung mit einem Schuldenschnitt unter Beteiligung der privaten Kreditgeber gezogen wird, erhöht sich aber die Schuldenlast des Landes immer weiter. Damit lastet auch die Zinslast immer stärker auf dem Haushalt. Wie Griechenland die bezahlen soll, ist aber völlig unklar, viel Geld wird für Zinsen bezahlt, die für Investitionen, Bildung und Infrastrukturmaßnahmen fehlen werden. Wie das Land aus diesem Teufelskreis kommen soll, wissen ganz offensichtlich die an den Verhandlungen beteiligten Personen nicht. Denn als Rezept bieten sie nur die immer gleichen Konzepte an, die das Land schon jetzt immer tiefer in die Krise und in die Pleite reiten.
So wird von immer neuen Sparanstrengungen berichtet, die Griechenland durchziehen muss, um angeblich eine Pleite abwenden zu können. Nun soll das Land bis 2015 weitere 78 Milliarden Euro sparen und dazu sollen 50 Milliarden aus Privatisierung von Staatsunternehmen und durch den Verkauf von Tafelsilber kommen. Allein in diesem Jahr sollen nach schon bisherigen harten Sparbemühungen weitere 6,4 Milliarden Euro gespart werden. Dabei wird der Bevölkerung weiter massiv Kaufkraft entzogen. Die Löhne im Staatsdienst sollen sinken und nun soll auch die Mehrwertsteuer für Lebensmittel steigen. Dazu sollen auch die Steuerfreibeträge für Niedrigverdiener gesenkt werden. Dazu stehen auch massive Entlassungen im öffentlichen Sektor an. Womit die Arbeitslosigkeit natürlich weiter ansteigen wird.
Dabei hatte Eurostat gerade mitgeteilt, dass das Land schon den höchsten Anstieg der Arbeitslosigkeit verzeichnet hat. Sie stieg in Griechenland "von 10,2% auf 14,1% zwischen dem vierten Quartal 2009 und 2010". Der Anstieg geht einher mit der tiefen Rezession, in die das Land gespart wurde.
Allen Beteiligten müsste klar sein, dass man das Land auch noch in eine tiefe Depression sparen kann. Deshalb kritisieren Experten immer wieder, dass die Programme, die dem Land aufgedrückt werden, zu stark auf Austerität und zu wenig auf Wachstum ausgerichtet sind. Über sie wird aber die gefährliche Spirale angetrieben, nach der Steuerausfälle und steigende Sozialleistungen bei hohen Zinslasten immer krassere Sparpakete nach sich ziehen müssen. Die neuen Spar-Ankündigungen, gepaart mit der Nothilfe 2.0, sind ein Beleg dafür, dass sich das Land in ein Fass ohne Boden verwandelt.
Letztlich wird im Politzirkus freihändig jongliert. Ein neues Nothilfepaket wird nun also geschnürt, um die Finanzierung des Landes für mehr als ein Jahr zu sichern. Das war wiederum die Bedingung vom Internationalen Währungsfonds (IWF) dafür, dass die nächste Tranche aus dem ersten Nothilfepaket über 12 Milliarden Euro Anfang Juli ausgezahlt werden kann. Sonst, so hatte Griechenland gedroht, wäre das Land im Sommer pleite und könnte Löhne, Renten… nicht mehr bezahlen. So blieb der Troika aus EU, Europäischer Zentralbank (EZB) und IWF gar keine andere Möglichkeit, als dem Land nun ein positives Urteil bei seinen Sparbemühungen auszustellen. Griechenland werden "signifikante Fortschritte im ersten Jahr seines Sparprogramms" und Fortschritte bei der mittelfristigen Finanzplanung bescheinigt.
An der Zielerfüllung kann das nicht liegen, denn eigentlich sollten die Hellenen das Haushaltsdefizit schon 2010 auf 8% gesenkt haben. Tatsächlich lag es nach einer ersten Meldung von Eurostat aber noch bei 10,5%. Es könnte real noch höher sein, schließlich wurde in den vergangenen Jahren mit jeder neuen Meldung weiter nach oben korrigiert, bis 2009 dann der Rekord von 15,4% festgestellt. Dass es bei den versprochenen Privatisierungen bisher nicht voran ging, dürfte aus Sicht der Troika eigentlich auch kein positives Ergebnis sein. Man kann sich also vor allem daran festhalten, dass Griechenland beim von Angela Merkel verordneten Lohndumping vorangekommen ist (Merkel brüskiert Spanien, Portugal und Griechenland). Die Reallöhne sind inzwischen pro Kopf um fast 8% gesunken und damit die realen Lohnstückkosten um 3,5%.
Nur eine Entschuldung könnte das Land noch retten
Man könnte das positive Zeugnis für Griechenland auch so werten, dass sich die Troika selber ein negatives Zeugnis ausstellt. Schließlich gesteht sie damit ein, dem Land bisher unerfüllbare Vorgaben gemacht zu haben. Doch von Selbstkritik ist real keine Spur, sonst würde nicht der Kurs weiterhin verordnet, der bisher schon so grandios gescheitert ist. Dass mit den neuen Versprechungen und Spar- und Privatisierungsplänen das Land tatsächlich stabilisiert wird, darf auch diesmal niemand ernsthaft erwarten. Denn die extreme Staatsverschuldung steigt nicht nur nominal weiter gefährlich an, sondern sie explodiert angesichts schrumpfender Wirtschaftskraft im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) regelrecht. War das Land mit fast 300 Milliarden Euro 2009 im Verhältnis zum BIP mit gut 127% verschuldet, waren es 2010 mit fast 329 Milliarden schon fast 143%.
Nur eine Entschuldung könnte das Land aus der schwierigen Lage führen. Die wird aber mit vielen Milliarden teuer für fast alle weiter in die Ferne geschoben. Sie wird damit für die Gläubiger später noch deutlich drastischer ausfallen müssen. Man kann aus dem Vorgehen der Troika einen Schluss ziehen: Die politische Klasse hält das Finanzsystem, anders als ihre frohen Botschaften vom Aufschwung vermuten lassen, weiterhin für sehr labil.
Man geht davon aus, dass eine Umschuldung in Griechenland mindestens die Schockwellen aussenden würde, wie sie zu Beginn der Finanzkrise durch den Absturz der Investmentbank Lehman Brothers ausgesandt wurden. Deshalb soll Banken, Versicherungen und Finanzinstituten noch viel Zeit gegeben, um sich aus Griechenland zurückzuziehen. Derweil wird der Steuerzahler über neue Nothilfefonds und über die Aufkäufe von griechischen Staatsanleihen durch die EZB in Stellung gebracht wird, um letztlich fast die gesamte Last zu tragen.