Schnelle Umschuldung oder neue 25 Milliarden und spätere Umschuldung

Bei dem Geheimtreffen sollen sich Frankreich und Deutschland für neue Milliardenhilfen für Griechenland eingesetzt haben

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Inzwischen klärt sich die Lage um die Vorstellung, wie es kurzfristig mit Griechenland weitergehen soll. Die französische Wirtschaftszeitung Les Echos berichtet, auf dem Link auf www.heise.de/tp/blogs/8/149804 sei am Wochenende abgenickt worden, Griechenland noch einmal mit bis zu 25 Milliarden Euro unter die Arme zu greifen. Dass es bei dem Treffen wohl kaum um einen "informellen Gedankenaustausch" ging, wie nach dem Bekanntwerden des Treffens behauptet wurde, war ohnehin klar. Zeit um über andere Fragen, zum Beispiel über die Nothilfe für Portugal zu sprechen, habe es nicht gegeben.

Letztlich hat die Geheimniskrämerei um das Treffen die Spekulationen weiter angeheizt. Neben den Finanzministern Christine Lagarde (Frankreich), Wolfgang Schäuble (Deutschland), Giulio Tremonti (Italien), Elena Salgado (Spanien) sollen auch Jean-Claude Juncker (Luxemburg und Präsident der Eurogruppe), der EU-Währungskommissar Olli Rehn und der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) Jean-Claude Trichet mit dem griechischen Finanzminister Georges Papaconstantinou die Lage der Griechen erörtert haben.

Vermutet wird, dass Griechenland zuvor mit dem Austritt aus dem Euro gedroht hat, um die Umschuldung, also eine Entlastung der Schuldenlast, durch einen Haircut zu erhalten. Die soll dem Land schon mit der eiligen Verabschiedung der Nothilfe vor gut einem Jahr versprochen worden sein. Als damals eilig die Pakete gestrickt wurden und für Griechenland mit 110 Milliarden Euro schon eine Extrawurst gebraten wurde (Die hektische Eile nach der langen Weile), dürfte es tatsächlich nur um einen Zeitgewinn gegangen sein.

Allen Beteiligten dürfte schon damals klar gewesen sein, dass das Land auch mit massiven Sparpaketen kaum mehr von einem Schuldenberg herunterkommen kann, der mit mehr als 330 Milliarden nun schon bei 150% der jährlichen Wirtschaftsleistung erreicht hat. Dass man mit der Nothilfe sogar noch einen überhöhten Zinssatz von 5,2% verlangte, hat nur weiter zur Zuspitzung beigetragen, genauso wie die Sparprogramme das Land in der Rezession versenkt haben. Wirtschaftsnobelpreisträger hatten dieses Vorgehen einst scharf kritisiert und angesichts der Aussichten war klar, dass 110 Milliarden niemals ausreichen würden, um das Land bis 2012 zu stabilisieren, damit es dann wieder an die Kapitalmärkte zurückkehren kann.

Deutschland und Frankreich geben erneut den Kurs vor

Dass Griechenland jetzt aus Brüssel Zinserleichterungen für die Nothilfe-Milliarden angeboten werden, kann eigentlich nur als schlechter Witz gemeint sein. Helfen wird das nichts mehr, nachdem man das Kind in den Brunnen geworfen hat. Es zeigt nur die Kurzsichtigkeit, mit der die politischen Verantwortlichen vorgehen.

Stimmt die Darstellung von Les Echo, die sich auf eine qualifizierte Quelle in der EU beruft, dann haben Deutschland und Frankreich erneut den Kurs vorgegeben. Es soll also erneut eine kurzfristige und teure Politik weitergetrieben werden. Man ist in Berlin und Paris offenbar bereit, 2012 mit weiteren 25 Milliarden Euro einen neuen Flicken auf einen alten Flicken zu setzen, um dann ab Mitte 2013 die unvermeidliche Umschuldung durchzuziehen. Die soll dann offiziell möglich werden, wenn der European Stability Mechanism (ESM) den zeitlich befristeten Krisenfonds EFSF (European Financial Stability Facility) ablöst (Wie ein Krisenmechanismus zum Normalzustand mutiert). Vorgesehen ist sehr schwammig, dass beim Auftreten des "unerwarteten Falls" einer Staatspleite (die in Griechenland feststeht) auch private Gläubiger wie Banken mit einem Forderungsaufschub oder -verzicht an der Rettung teilweise beteiligt werden könnten.

Klar ist aber, dass das Hinauszögern der ohnehin unvermeidlichen Umschuldung im günstigsten Fall nur die Kosten für Griechenland weiter in die Höhe treibt. Das hatte man schon bei der Nothilfe erfolgreich geschafft, denn zunächst war nur von 30 Milliarden Euro Nothilfe gesprochen. Das Anhäufen weiterer Schulden in Griechenland, weil die Umschuldung verzögert wird, würde aber nur dazu führen, dass der Abschlag (Haircut) später noch höher ausfallen muss.

Welche Vorstellung sich dahinter verbirgt, ist ebenfalls einfach beschrieben. Man würde erreichen, dass Banken, Rentenversicherungen, etc. noch einmal Zeit bekämen, sich vollständig aus dem Land zurückzuziehen. Damit müssten aber bis 2013 noch deutlich mehr Schulden Griechenlands auf den EFSF und auf die Europäische Zentralbank (EZB) und damit auf die Steuerzahler in Europa abgewälzt werden. Man hätte es also mit einer weiteren getarnten Bankenrettung zu tun, damit sich nötige Forderungsverzicht der Finanzinstitute ab 2013 dann in sehr engen Grenzen halten könnten.

Nun hat sich die Lage in Europa durch diese kurzsichtige Flickenpolitik aber längst deutlich zugespitzt. Irland musste wegen seiner Bankenrettung ebenfalls Nothilfe beantragen. In Brüssel, Berlin und Paris hat man zugeschaut, wie Portugal regelrecht abgeschossen wurde (Portugal geht unter den Rettungsschirm). Spanien steht nach dem Fall Portugals als nächster Absturzkandidat schon bereit. Man riskiert also mit dem Vorgehen um Griechenland, dass die Risiken für Spanien noch deutlich größer werden.

Nervosität wächst

Vielleicht hat man im "selbstgefälligen Europa" aber auch längst eingesehen, dass Spanien nun dran ist, wie längst prognostiziert wird. Die neuen Daten über Kreditausfälle in dem Land lassen vermuten, dass bald die nächste Bankenrettung ansteht. Dass Portugals Banken über das Rettungspaket gestützt werden, in denen spanische Institute viel Geld stecken haben, spricht ebenfalls dafür. Dazu steigen die Zinsen für spanische Staatsanleihen weiter, womit das Land ebenfalls immer stärker auf den griechischen, irischen und portugiesischen Absturzpfad gerät. Bei einem Absturz des viertgrößten Eurolands würde dann aber der bestehende Rahmen von 750 Milliarden Euro des EFSF gesprengt, bevor er 2013 ausgeweitet wird.

Schaut man sich die Zinsentwicklung für Staatsanleihen an, dann wird deutlich, dass es für Spanien immer schwieriger wird. Schon letzte Woche musste Madrid für seine Staatsanleihen mit einer Laufzeit von fünf Jahren eine Rendite von durchschnittlich 4,55% bieten. Im März waren es noch 4,39%. Am Sekundärmarkt stiegen die Zinsen für zehnjährige Anleihen am Montag um 13 Basispunkte auf 5,3%. Damit muss Spanien schon fast doppelt so hohe Zinsen bezahlen wie Deutschland mit 3%. Die Börse ging gleichsam angesichts der steigenden Nervosität in Madrid auf Talfahrt und steht derzeit 2% im Minus.

Zur Nervosität trägt auch bei, dass die Bereitschaft in Europa weiter abnimmt, immer neue Milliarden für Notmaßnahmen aufzubringen. Das senkt wiederum das Interesse an Staatsanleihen von Ländern, die als Absturzkandidaten gelten, und treibt ihre Zinsen weiter hoch. Von der Absturzmarke von 7% ist Spanien nicht mehr weit entfernt. In Finnland, wo nach den Wahlen unklar ist, ob sich das Land noch an der Nothilfe für Portugal beteiligt, wird die Lust nun aber noch geringer ausfallen, erneut Griechenland mit 25 Milliarden unter die Arme zu greifen. Die Slowakei hatte sich ohnehin schon aus Griechenland-Nothilfe ausgeklinkt. Anders als in Irland wollen sich die Briten ebenfalls nicht an weiteren Nothilfen beteiligen. Der britische Finanzminister George Osborne sagte am Sonntag gegenüber der BBC, Großbritannien werde sich "sicher nicht" an einem "zweiten Rettungspaket" beteiligen.