Mit dem abstürzenden Spanien spitzt sich die Euro-Krise zu
Fast 5 Millionen Menschen in Spanien sind ohne Job, aber auch Deutschlands Staatsverschuldung wächst und liegt bereits über dem EU-Durchschnitt
Nachdem man in Berlin, Paris und Brüssel zugelassen hat, dass Portugal unter den Rettungsschirm getrieben wurde, geht es nun dem viertgrößten Euroland an den Kragen. Denn Spanien hat deutlich dramatischere strukturelle Probleme als Portugal. Das hat gestern auch die vierteljährliche Jobstatistik gezeigt. Fast 5 Millionen Menschen sind nun ohne Stelle. Zudem steigen die Zinsen für spanische Staatsanleihen weiter an. Interessant sind aber auch die neuen Verschuldungsdaten von Eurostat. Deutschlands Staatsverschuldung liegt nun schon über dem EU-Durchschnitt und vor Frankreich. Auf der Rangliste der Schuldner liegt Deutschland nun auf einem Platz direkt hinter Portugal.
Es war schon nach den Daten der Arbeitsämter klar, dass die Arbeitslosigkeit in Spanien weiter steigt. Doch nun kam die Studie zur erwerbstätigen Bevölkerung (EPA), die nicht nur bei Arbeitsämtern gemeldete Arbeitslose registriert. Die Statistik des Arbeitsministeriums ist ohnehin deutlich geschönt, weil bestimmte Arbeitslose nicht einmal als solche registriert werden, wenn sie Arbeitslosengeld beziehen.
In der EPA zählt das Statistik-Institut (INE) etwas genauer, aber diese EPA-Studie wird vierteljährlich erstellt. Demnach haben sich ins Heer der Arbeitslosen im ersten Quartal erneut 213.500 Menschen eingereiht. Ende März waren damit schon 4.910.200 Menschen arbeitslos. Das sind also fast zwei Millionen mehr als in Deutschland, aber bei nur halber Bevölkerung. Die Arbeitslosenquote des Rekordhalters in der EU ist inzwischen auf 21,29% angeschwollen. In Andalusien und den Kanarischen Inseln werden 28% ermittelt, während es am anderen Ende der Skala im Baskenland 13,5% sind.
Dass man nun 1,4 Millionen Familien zählt, in denen alle Mitglieder arbeitslos sind, macht ein unbeschreibliches Drama deutlich. Denn es gibt in Spanien nach dem Ende des Arbeitslosengeldanspruchs in fast allen Regionen nur noch für sechs Monate gerade einmal 400 Euro Sozialgeld. Dann reißt das spanische Sozialnetz vollständig und ganze Familien stürzen ab und können sich nur noch durch Betteln, Schwarzarbeit oder Diebstahl über Wasser halten.
Das macht deutlich, in welche Misere ein europäisches Land gerade abstürzt. Trotz ständiger Beschwörungsformeln der sozialdemokratischen Regierung, wird es zudem sehr lange Zeit in schwerstem Fahrwasser bleiben. Schließlich sind mit der extremen Arbeitslosigkeit vielfältige Probleme und Kosten verbunden. Beispielsweise steigt die Kreditausfallquote dramatisch an. Nach den Sparkassen werden nun auch immer stärker die Banken in Bedrängnis kommen. Die Lage schön zu reden, wird nicht funktionieren, auch wenn in den Chor inzwischen auch der Internationale Währungsfonds (IWF) eingestimmt hat. Da liegen Analysten der Financial Times richtiger, die davon sprechen, dass ein "selbstgefälliges Europa" einsehen müsse, dass Spanien das nächste Absturzland ist. (Schaffung von Arbeitsplätzen geht vor Wachstum?)
Man muss neben der sehr starken Verschuldung von Familien und Firmen eben auch die extreme Arbeitslosigkeit als Absturzfaktor sehen. Sie ist ein deutlicher Indikator für die riesigen strukturellen Probleme des Landes, nachdem die Immobilienblase geplatzt ist (Spanien schlittert weiter in Richtung Abgrund). Dazu kommt, dass Spanien schon den europäischen Arbeitslosenrekord hielt, bevor die sozialdemokratische Regierung auf den von Berlin diktierten strengen Sparkurs ging (Spanien wird wegen Generalstreik herabgestuft). Da jetzt das Land nun wie Griechenland und Portugal zudem in die Rezession zurückgespart wird, muss klar sein, dass Spanien der nächste Kandidat für den Rettungsschirm ist, der damit an seine Grenze kommt.
Die Arbeitslosenquoten in Griechenland (14,1%), Irland (14.7%) und Portugal (11,1%) liegen noch immer deutlich unter den spanischen Extremquoten. In Griechenland steigt sie aber mit dem strikten Sparkurs besonders stark an, wie europäische Statistikbehörde Eurostat gerade festgestellt hat.
Spanien: Niedrige Staatsverschuldung, aber hohes Haushaltsdefizit
Nachdem man in Berlin, Paris und Brüssel zugelassen hat, dass Portugal abstürzt, hat man Spekulanten im Angriff auf das erste große Euroland Spanien bestärkt. So hatte kürzlich die Ratingagentur Moody's die Kreditwürdigkeit Spaniens erneut um eine Stufe auf "Aa2" herabgestuft. Da der Ausblick "negativ" ausfiel, dürften angesichts der wirtschaftlichen Entwicklungen neue Abstufungen anstehen, womit die Refinanzierungskosten für das Land noch weiter anziehen werden. Die Arbeitslosenzahlen bieten dafür eine neue Steilvorlage. Zudem sorgt auch noch die Debatte um die anstehende Umschuldung Griechenlands für deutliche Unruhe bei Geldgebern.
Aber auch ohne neue Abstufungen schießen die Zinsen weiter hoch. Zuletzt konnte am Dienstag das Land zwar neue Anleihen platzieren, doch die Preise dafür stiegen deutlich an. Mit einer Anleihe mit einer Laufzeit von nur drei Monaten hat der spanische Staat knapp 1,2 Milliarden Euro aufgenommen. Doch die Rendite lag dabei schon bei fast 1,4%. Das sind 0,5 Prozentpunkte mehr als bei einer vergleichbaren Versteigerung im März. Die Kosten sind also in wenigen Wochen um mehr als 50% gestiegen. Ähnlich sah es auch Papieren mit einer sechsmonatigen Laufzeit aus. Auch hier kletterten die Renditen deutlich von knapp 1,4% auf knapp 1,9 Prozent. Diese sehr starken Steigerungen hatte man zuletzt in Portugal beobachten können, wie zuvor schon in Griechenland und Irland, die daran jeweils abgestürzt sind.
Es wird Spanien dabei nichts mehr nützen, dass es eine niedrige Staatsverschuldung ausweist. Gerade hat Eurostat die Daten vorgelegt. Demnach liegt Spanien bei der Staatsverschuldung noch immer deutlich unter dem EU-Durchschnitt mit gut 60% im Verhältnis zum jährlichen Bruttoinlandsprodukt (BIP). Das Problem ist aber, dass in dem Land auch 2010 das Haushaltsdefizit von 9,2% über dem Defizit Portugals (9,1%) lag. Wie schnell sich der Schuldenberg aber enorm erhöhen kann, wenn man zur die Banken des Landes auffängt, hat Irland gezeigt. Noch 2009 lag das Land mit einer Staatsverschuldung von fast 66% des BIP unter dem Durchschnitt im Euroraum. Da das irische Defizit 2010 aber sogar auf 32,4% explodierte, ist das Land nun nicht nur über dem Durchschnitt (85,1%) angelangt, sondern mit 96,2% in der Spitzengruppe vorgestoßen, die nahe an der sehr gefährlichen Marke von 100% angelangt sind oder schon darüber liegen.
Spitzenreiter Griechenland, Deutschland liegt bereits über dem EU-Durchschnitt
Spitzenreiter ist abgeschlagen Griechenland mit fast 143% gefolgt von Italien mit 119%. Dahinter liegt Belgien, das nun bei fast 97% angelangt ist und 2011 die gefährliche Marke genauso überschreiten wird wie Irland und wahrscheinlich Portugal (93,0%). Die Berliner Prediger von massiven Sparprogrammen haben inzwischen ebenfalls zur Spitzengruppe aufgeschlossen.
Die Staatsverschuldung in Deutschland ist nun auf 83,2% des BIP angeschwollen. Damit liegt Deutschland gerade noch unter dem Durchschnitt im Euroraum, aber deutlich über dem EU-Durchschnitt (80%) und steht auf der Rangliste der Schuldner direkt hinter dem gerade abgeschmierten Portugal.
Deutschland hat nun Frankreich (81,7%) den Rang abgelaufen und ist ebenfalls höher verschuldet als Ungarn (80,2%), Großbritannien (80,0%), Österreich (72,3%), Malta (68,0%), die Niederlande (62,7%), Zypern (60,8%) und Spanien (60,1%). Am anderen Ende der Skala weist Estland (6,6%) mit Abstand die niedrigste Verschuldungsquote auf. Es folgen Bulgarien (16,2%), Luxemburg (18,4%), Rumänien (30,8%), Slowenien (38,0%), Litauen (38,2%), die Tschechische Republik (38,5%) und Schweden (39,8%).