Portugal geht unter den Rettungsschirm
Die abgestürzte Regierung hat nun bestätigt, einen Hilfsantrag in Brüssel gestellt zu haben - Alles läuft genau nach Drehbuch
Trotz aller Behauptungen der sozialistischen Regierung, man werde keine EU-Hilfe in Anspruch nehmen, hat José Socrates nun erwartungsgemäß den Hilfsantrag gestellt. "Ich habe alles getan, aber ... wir haben einen Zeitpunkt erreicht, wo ein Verzicht auf diese Entscheidung, unzumutbare Risiken für dieses Land bedeuten würde", sagte der geschäftsführende Ministerpräsident am gestrigen Abend im Fernsehen. Vor ihm hatte bereits Finanzminister Fernando Teixeira dos Santos erklärt: "In diesen schwierigen Zeiten, die vermeidbar gewesen wären, gehe ich davon aus, dass es nötig ist, auf den Finanzmechanismus innerhalb des europäischen Regelwerks zurückzugreifen."
Die Begründungen dürfen als Wahlkampfgeplänkel gesehen werden. Nachdem die gesamte Opposition den vierten Sparplan in einem Jahr blockiert hatte, musste die Regierung zurücktreten (Mit dem Absturz Portugals drängt die Euro-Krise auf Tagesordnung des EU-Gipfels). Socrates machte die Opposition für den Absturz verantwortlich, obwohl er sich seit Monaten anbahnte. "Wir hatten die Lösung, doch man schlug sie uns aus der Hand", erklärte er mit Bezug auf seinen "Plan für Stabilität und Wachstum" (PEC). Statt einer Selbstkritik machte der Wahlkämpfer alle verantwortlich, nur nicht die Politik der Sozialdemokraten, die sich Sozialisten (PS) nennen.
Denn der drastische Sparkurs, mit dem sie vor den Ratingagenturen, Brüssel, Berlin und Paris eingeknickt waren, hat das Land in die Rezession zurückgespart. Socrates gab entgegen aller Warnungen von Wirtschaftsnobelpreisträgern wie Paul Krugman oder Joseph Stiglitz seinen ursprünglichen Kurs auf, was die Portugiesen über lange Jahre teuer bezahlen werden. Mit dem Antrag macht sich Socrates sogar lächerlich, denn er hatte noch letzte Woche behauptet, eine Übergangsregierung habe keine Befugnis, um einen Hilfsantrag zu stellen. Er verliert mit derlei Manövern weiter an Glaubwürdigkeit. Er und seine Partei werden dafür bei den vorgezogenen Neuwahlen am 5. Juni die Rechnung erhalten.
Der Sparkurs war ein Rezept für ein Desaster
Den PEC als "Lösung" zu stilisieren, ist lächerlich. Damit hätten sich die Finanzmärkte nicht beruhigen lassen, wie behauptet wird. Drei Sparpläne zuvor haben das nicht vermocht. Die Zinsen für portugiesische Staatsanleihen explodierten mit immer neuen Herabstufungen durch die Ratingagenturen. Die Rezession ließ Steuereinnahmen einbrechen und Transferkosten in die Sozialkassen steigen. So schaffte es das Land auch nicht, das Haushaltsdefizit wie geplant von 9,3% auf 7,3% zu senken. Es ging nur auf 8,6% zurück, weil auch immer mehr Geld für die steigende Zinslast aufgewendet werden musste (Wenn das "erfolgreiche" Platzieren von Staatsanleihen in den Rettungsschirm führt).
Socrates hätte seinen ursprünglich mutigen, eigenständigen und ausgeglichenen Sparkurs fortsetzen müssen und nicht den Ratingagenturen nachgeben dürfen, die inzwischen sogar vom Internationalen Währungsfonds (IWF) beschuldigt werden, die "Instabilität zu fördern". Sie haben vor 16 Monaten die Jagd auf das Land eröffnet. Moody's sprach von Portugal in einem Atemzug mit Griechenland und prophezeite beiden einen "langsamen Tod".
Angeführt wurde zunächst die angeblich hohe Verschuldung, um die Bonitätsnoten immer weiter zu senken. Dabei liegt Portugal, anders als der Schuldenrekordhalter Griechenland, bei den Staatsschulden unter dem EU-Durchschnitt. Als der geforderte drastische Sparkurs eingeleitet worden war, änderte sich die Argumentation. Ähnlich wie für Irland und Spanien wurde damit begonnen, die aus dem Sparkurs resultierenden schwachen Wachstumsaussichten als Begründung anzuführen.
Doch Portugal fehlte Unterstützung aus Brüssel, Berlin und Paris, um seinen Weg weiter zu gehen. Statt reale Hilfe zu leisten, wurde nur getönt, das Land werde nicht abstürzen, wenn es den Sparweg eisern einhalte. Doch dieser aufgezwungene Sparkurs war das Rezept für ein Desaster. Bundeskanzlerin Merkel spitze mit Vorschlägen zur Unzeit die Lage noch weiter zu. Und so war seit Herbst 2010 klar, dass das Land kaum noch am Rettungsschirm vorbeikommen wird. Man kann also, wie es die Welt einst tat, durchaus von einem Merkel-Crash sprechen. Eine erneute Abstufung besiegelte letztlich, dass kein Weg am Rettungsschirm vorbeiführen wird.
Die Finanzmärkte werden sich durch die "Rettung" nicht beruhigen
Man kann sogar verstehen, dass Portugal so lange versuchte, sich vor dem Rettungsschirm zu drücken. Schließlich hatte Merkel gegen alle Widerstände ausgerechnet den IWF ins Boot geholt, um innereuropäische Angelegenheiten zu regeln, der zu einem Drittel an den Notkrediten beteiligt ist. Wer gibt schon gerne die staatliche Souveränität ausgerechnet die nach Washingtoner ab, deren Strukturanpassungsprogramme die Lage meist sogar verschlimmern. Der Vergleich zwischen dem quasi vom IWF regierten Rumänien und Ungarn, das dem IWF die Tür gewiesen hat, spricht Bände.
Dass man Irland über den Rettungsschirm mit einem recht hohen Zinssatz von 5,8% gerade "genug Seil gegeben hat, um uns selbst zu erhängen", wie auf der Insel geätzt wird, spornte Portugal ebenfalls nicht dazu an, frühe Hilfe zu beantragen. Irland zahlt für die Rettung seiner Banken, damit britische und deutsche Banken und Versicherungen nicht erneut in ernsthafte Schwierigkeiten kommen, sogar noch 0,6 Prozentpunkte mehr als Griechenland. Dass Dublin beim letzten EU-Gipfel einen Abschlag forderte, ist logisch. Ein so hoher Zinssatz macht eine Konsolidierung sehr schwer oder unmöglich.
Auf dem Gipfel dürfte, anders als Socrates suggeriert, über die Hilfen längst verhandelt worden sein. Es wurde auch schon eine Summe von 75 Milliarden Euro genannt. Inzwischen wird auch schon über Summen geredet, die noch deutlich darüber liegen. Man darf gespannt sein, welchen Zinssatz nun Portugal eingeräumt wird.
Auch wenn wieder einmal allseits so getan wird, dass die Rettung die Finanzmärkte beruhigt, wird genau das Gegenteil der Fall sein. Die vom IWF angesprochene Instabilität wird sich über die angesprochenen "Spill-over-Effekte" in Spanien, Belgien und Italien wohl sehr bald zeigen. Schließlich haben auch alle Beteuerungen den Absturz von Griechenland und Irland nicht verhindert. Länder, die entweder extreme wirtschaftliche Probleme oder eine extreme Verschuldung aufweisen, die zudem noch mit einer Staatskrise einhergeht, werden jetzt noch stärker in den Blick der Spekulanten rücken.