Große Mehrheit der Israelis unterstützt den Krieg

Doch über 40 Prozent sprechen sich auch gegen eine Besetzung aus

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Krieg ist eine komplexitätsreduzierende Handlung. Wer in einen Krieg eintritt, reduziert die möglichen Positionen auf die von Feinden und Freunden, während der akute Handlungszwang anderweitige Diskussionen unterdrückt und eine ansonsten kaum zu bewirkende nationale Einheit herstellt. Was bereits US-Präsident Bush mit dem Beginn des Kriegs gegen Afghanistan erlebt hat (Krieg adelt) und deswegen daran festhält, lässt sich nun auch in Israel sehen: eine überwältigende Mehrheit der Israelis steht hinter der Entscheidung für den Krieg der Regierung.

Ähnlich wie der Terror hat auch der Krieg die Eigenschaft, zumindest solange er nicht mit dem Scheitern konfrontiert wird, sich selbst zu legitimieren. Wie immer gerechtfertigt, beginnt mit dem Krieg eine Spirale von Gewalt und Gegengewalt, die oft genug nur mit der Niederlage einer Partei beendet werden kann. Jeder Tote rechtfertigt auf beiden Seiten die weitere Eskalation gegen den Feind und drängt kompliziertere Überlegungen beiseite, wie denn ein friedliches Leben danach aussehen könnte.

Trotz massiver Kritik und großem Druck, denen mittlerweile auch die US-Regierung nachgeben musste und nun einen "möglichst schnellen" Abzug der Armee aus den besetzten Gebieten fordert, sieht die Mehrheit der Israelis den derzeitigen Krieg offenbar als richtigen Schritt an. Nach einer Umfrage der Jerusalem Post stehen 72 Prozent der Befragten hinter der Entscheidung der Regierung, in die palästinensischen Autonomiegebiete einzurücken und die terroristische Infrastruktur zu zerstören.

36 Prozent befürworten die Ausweisung von Jassir Arafat, 23 Prozent sind gar dafür, dass er "eliminiert" werden müsse. Nur 15 Prozent sind für eine Wiederaufnahme der Verhandlungen mit Arafat. Während eine knappe Mehrheit für die Wiederbesetzung der palästinensischen Städte ist, wünschen nur 15 Prozent, dass die Besetzung andauern soll. Immerhin sprechen sich 42 Prozent allgemein gegen eine Besetzung aus.

Hier hat Ministerpräsident Ariel Scharon also die israelischen Bürger hinter sich, weswegen er den Krieg trotz aller Appelle weiter fortsetzt, allerdings als kleines Entgegenkommen - und in Brüskierung der Europäer - dem US-Vermittler Anthony Zinni nach der Rede des US-Präsidenten Bush auch wieder einen Besuch bei Arafat ermöglichte. Gegenüber Zinni machte Scharon seine Entschlossenheit deutlich, dass vor neuen Verhandlungen mit den Palästinensern "zuerst der palästinensische Terrorismus und die ihn organisierenden Personen niedergeschlagen sein müssen. Daher wird die Operation Schutzwall solange weiter gehen, bis die Ziele der Regierung erreicht wurden. Sich dem Selbstmordterrorismus zu unterwerfen, würde bedeuten, dass sich diese Form des Terrors auf der ganzen Welt ausbreitet. Daher muss man ihm mit Entschlossenheit entgegen treten, und Israel wird dies machen." Präsident Bush und Außenminister Powell gewähren Scharon mit ihren Formulierungen, dass der Rückzug möglichst schnell erfolgen soll, ohne den sofortigen Abzug der Truppen zu fordern, die Möglichkeit, die militärischen Aktionen weiter fortzusetzen.

Im Gegensatz zum Kriegspräsidenten Bush wirkt sich die Befürwortung des Krieges aber nicht so stark auf die Anerkennung von Scharon selbst aus. Nur 32 Prozent der Befragten wären dafür, sollten jetzt Wahlen sein, dass Scharon weiter im Amt bleibt. Sein alter - oder wieder neuer - Konkurrent Netanyahu, der vor Scharon Ministerpräsident war, liegt mit 26 Prozent nur knapp hinter ihm. Mit 4 Prozent weit abgeschlagen ist Verteidigungsminister und Rivale der Arbeitpartei Benjamin Ben-Elieser. Fast ein Drittel der Befragten wollen aber lieber einen anderen Politiker an der Macht sehen oder entschieden sich gegen alle drei genannten.