Großes Tamtam um das Bundeskriminalamt

Seite 2: Der größte Teil des Staatsschutzes arbeitet zu "Früherkennung"

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Aber auch ohne digitale Hilfsmittel ist der quasi-geheimdienstliche Apparat im BKA stetig gewachsen. Rund ein Zehntel aller Mitarbeiter arbeiten in der Abteilung "Polizeilicher Staatsschutz". Der größte Teil ist in die Abteilungen "Analyse-/Auswertungs- bzw. Früherkennungsaufgaben im Bereich der Politisch motivierten Kriminalität" abgeordnet. Hierzu nutzt das BKA auch informelle Kanäle zum Datentausch, darunter die "Police Working Group on Terrorism" (PWGT), ein Relikt aus den 70er Jahren das eigentlich zur Bekämpfung bewaffneter linker Gruppeneingerichtet. Obwohl die Arbeit der PWGT mittlerweile durch die EU-Polizeiagentur EUROPOL übernommen wird, hält das Bundesinnenministerium an dem dubiosen Netzwerk fest.

Ziel der internationalen "Früherkennung" ist es laut BKA, "bereits schwache Signale möglicher Kriminalitätsentwicklungen aufzufangen". Ein Unterschied zur geheimdienstlichen Tätigkeit gegen unliebsame, politische Umtriebe ist also kaum mehr erkennbar und wird mittlerweile auch von Ex-Mitarbeitern kritisiert.

Teile der Regierungskommission fordern nun, das BKA wie die Geheimdienste dem Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) zu unterstellen. Dadurch soll vor allem die "Bekämpfung des internationalen Terrorismus" kontrolliert werden, wozu das BKA seine Kompetenzen immer mehr überschreitet und zugrunde liegende Bestimmungen in seinem Sinne auslegt. Deshalb müsse die Zuständigkeit des BKA auf "schwerste Terrorgefahren" beschränkt werden.

Die drei vom Justizministerium benannten Mitglieder schlagen sogar vor, die Befugnisse des Kontrollgremiums zu erweitern. Denn die dort versammelten Parlamentarier müssen bislang über alle erhaltenen Informationen Stillschweigen wahren, was eine ernsthafte Kontrolle von Polizei und Diensten ad absurdum führt. Nun sollten die Abgeordneten zwar weiterhin zur Geheimhaltung verpflichtet bleiben, in ernsthaften Angelegenheiten aber ihre Fraktionsvorsitzenden informieren dürfen. Dies wird aber vom Bundesinnenministerium und seinen Vertretern in der Regierungskommission vehement abgelehnt.

Angezweifelt wird auch, ob die weitgehenden Maßnahmen weiterhin vom Amtsgericht Wiesbaden erlaubt werden dürfen. Vier Mitglieder der Kommission sind der Auffassung, dass bei Grundrechtseingriffen wie Wohnraumüberwachung, "Online-Untersuchung " oder auch der Entscheidung zur Nicht-Benachrichtigung Betroffener ein Landgericht bemüht werden müsste. In anderen Fällen sollte die Zuständigkeit für ermittlungsrichterliche Anordnungen sogar auf den Bundesgerichtshof übergehen.

Screenshot des Veranstaltungsplakats. Bild: BKA

"Laserschießstand" für die Großen, Phantomzeichnungen für die Kleinen

Das BKA ficht die Debatte um seine Existenzberechtigung nicht an, bislang gibt es keine offizielle Stellungnahme zur Kritik der Regierungskommission. Stattdessen bläst das Amt nun zur Gegenoffensive.

Für den kommenden Samstag lädt der Noch-Präsident Jörg Ziercke zum Tag der offenen Tür und einem "Blick hinter die Kulissen". Vorgestellt werden "Maßnahmen zur Bekämpfung von Menschenhandel, Drogenschmuggel, Waffenhandel, Falschgeld, Cybercrime". Ein "Laserschießstand" lädt zum Mitmachen ein. Erwachsene können Spuren in digitalen Bildern und Audioaufzeichnungen suchen, während Kinder an Phantomzeichnungen basteln. Zahlreiche "einsatznahe Vorführungen" sollen den Besuch abrunden.

Auch die umstrittenen Methoden zur "Verhinderung von Terroranschlägen" sollen der Bevölkerung schmackhaft gemacht werden. Die Abteilung Staatsschutz wirbt mit "Ausstellungen zum Thema Politisch-Motivierte Kriminalität", das umstrittene "Gemeinsame Extremismus- und Terrorabwehrzentrum" (GETZ) wird ebenfalls präsentiert. Ein weiterer Fokus liegt auf der Darstellung der internationalen Strukturen, in denen sich das BKA organisiert. Hierzu zählen die die EU-Polizeiagentur EUROPOL oder die internationale Polizeiorganisation Interpol.

Es ist kaum zu erwarten, dass das BKA am Tag der offenen Tür von sich aus seine quasi-geheimdienstlichen Tätigkeiten problematisiert. Es bleibt also Bürgerrechtsgruppen oder netzpolitisch Interessierten überlassen, am Samstag etwa die Kritik der Regierungskommission sichtbar zu machen.

Dies ginge auch auf digitalem Wege: Im Rahmen einer ähnlichen Veranstaltung hatten Aktivisten vor drei Jahren dazu aufgerufen, das Amt mit einer "Online-Durchsuchung" zu behelligen (Fortschritt durch Technik beim BKA).