Grundrente als Flop: Warum weniger Menschen von dem Zuschlag profitieren als erwartet
Angeblich ging es um die Lebensleistung von Geringverdienern. Der Zuschlag hängt aber auch vom Partnereinkommen ab. Erste Auswertung liegt vor.
Die SPD sprach 2021 von einem "sozialpolitischen Meilenstein": Nach jahrelanger Debatte wurde damals unter der "schwarz-roten" Bundesregierung die Grundrente eingeführt – faktisch ein Rentenzuschlag für Menschen mit langen Versicherungsbiografien im unteren Einkommensbereich, der Versuch eines Ausgleichs für langjährige Versäumnisse bei der Bekämpfung von Lohndumping.
Einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn gibt es in Deutschland seit 2015 – wer vorher schon Jahrzehnte im Niedriglohnbereich gearbeitet hatte, war im Alter häufig auf Sozialleistungen angewiesen.
Ernüchternde Fakten
Die Auswirkungen der sogenannten Grundrente wurden aber bisher kaum erforscht. Erst seit 2023, mehr als zwei Jahre nach der Einführung, stehen erste Daten zur Auswertung bereit.
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Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat sie sich nun genauer angesehen – und kam zu einem ernüchternden Ergebnis.
Einkommensprüfung auch nach Beziehungsstatus
Es zeige sich, dass deutlich weniger Menschen von der Grundrente profitieren als bisher angenommen, teilte das Institut am Dienstag mit. Ein wesentlicher Grund: Mehr als die Hälfte habe wegen der Einkommensprüfung keinen Anspruch auf einen Zuschlag – teilweise aufgrund des Einkommens von Ehe- und eingetragenen Lebenspartnern.
Im Rentenbestand für das Jahr 2022 gab es laut DIW rund 1,1 Millionen Grundrentenzuschläge. Einkommensprüfung hätten rund 2,3 Millionen Personen Anspruch auf einen Zuschlag gehabt. Die Deutsche Rentenversicherung ging von 1,3 Millionen Begünstigten aus.
Zuschlag auf 4,3 Prozent aller Bestandsrenten
Rund 950.000 Personen beziehen diesen Zuschlag nun zu einer Altersrente, knapp 60.000 Zuschläge gibt es auf Erwerbsminderungsrenten und mehr als 90.000 auf Hinterbliebenenrenten.
Im Durchschnitt wird der Zuschlag bei 4,3 Prozent aller Bestandsrenten gezahlt, der Anteil ist bei den Altersrenten mit 5,1 Prozent am höchsten. Bei Erwerbsminderungsrenten liegt dieser Anteil bei 3,2 Prozent.
DIW-Experten schlagen Ausweitung der Grundrente vor
"Eine Ausweitung der Grundrente, die auch Personen mit längerer Erwerbsunterbrechung einbezieht, oder eine Einführung einer Mindestrente nach dem Vorbild Österreichs oder der Niederlande würden die Einkommenssicherungsfunktion der Rente verbessern", sind die DIW-Experten Johannes Geyer und Peter Haan überzeugt.
Die genannten Maßnahmen könnten helfen, weitere Reformen sozialverträglich umzusetzen und dem eigentlichen Anspruch einer Grundrente gerecht zu werden.
Lange Debatte um Absicherung nach Arbeit im Niedriglohnsektor
Die Diskussion um eine Absicherung von Menschen mit langen Versicherungszeiten und geringen Rentenansprüchen begleitet die Rentenversicherung seit Jahren.
Die Konzepte unterschieden sich deutlich und reichten von einer Aufwertung von niedrigen Renten nur für langjährig Versicherte bis zu einer Mindestrente, die alle Menschen mit geringen Rentenansprüchen unabhängig von Beitragszeiten erfassen sollte.
Anerkennung der Lebensleistung als Ziel
Auch der 2018 geschlossene Koalitionsvertrag der "Groko" bis 2021 sah vor, bei langen Versicherungsbiografien ein regelmäßiges Alterseinkommen von zehn Prozent über dem Grundsicherungsbedarf zu garantieren. Es folgte eine längere Diskussion über die Ausgestaltung.
Am Ende kam ein Modell heraus, das die Ansprüche nur für einen engen Kreis von Versicherten aufwertet. So wurde die Grundrente zum 1. Januar 2021 mit dem Ziel eingeführt, die "Lebensleistung" von langjährig Beschäftigten zu würdigen, um "Legitimation und Akzeptanz der gesetzlichen Rentenversicherung" und "den Zusammenhalt der Gesellschaft" zu stärken.
Keine Mindestrente, sondern Zuschläge ohne Garantien
Die Grundrente ist aber konzeptionell keine Mindestrente, da sie keine Mindestbeträge garantiert. Stattdessen sollen Rentenansprüche durch Zuschläge erhöht werden; insofern spricht das DIW von einem Grundrentenzuschlag.
Anspruch auf diesen besteht ab 33 Jahren mit Grundrentenzeiten (vor allem Beitragsjahre, Kindererziehung oder Pflegetätigkeit), der volle Anspruch besteht ab 35 Jahren.
Unlogisch: Partnereinkommen als K.-o.-Kriterium
Aufgewertet werden nur Entgeltpunkte in Monaten mit niedrigem versichertem Entgelt. Zusätzlich gibt es eine Einkommensprüfung, die auch das Einkommen von Ehe- und eingetragenen Lebenspartnern einbezieht.
Letzteres ist unlogisch: Wenn es um eine Anerkennung der "Lebensleistung" geht, müsste diese unabhängig vom Beziehungsstatus sein. Stattdessen besteht hier eine Analogie zur "Bedarfsgemeinschaft" beim Bezug von Sozialleistungen, die von Linken und Feministinnen auch unabhängig von Erwerbszeiten kritisiert wird, weil sie den Verbleib in unglücklichen "Ernährerehen" fördert.