Gut 40 Jahre Grüne: Zwischen Umweltschutz und Identitätskrise
Über vier Jahrzehnte Parteigeschichte. Von Umweltbewegung zu Regierungspartei. Doch was ist mit dem grüne Markenkern?
Mit dem ersten Nachweis des Waldsterbens durch Luftverschmutzung in den achtziger Jahren fanden Umwelt- und Naturschutz erste Anhänger und organisierten sich. Aber zu einer Parteigründung für diese "grünen" Themen reichte es nicht und so kombinierte man sich mit der Anti-Atomkraft-Bewegung.
Rasch erkannten auch andere Gruppen die Zugkraft von "grün" und so kam es zu einem breiten Bündnis einer neuen Partei, die sich als "ökologisch, sozial, gewaltfrei und basisdemokratisch" und als Alternative zu den klassischen Parteien sah und "Die Grünen" nannte.
Da stand nun zwar "Grün" drauf, attraktiv für viele der durch die Umweltthemen beunruhigten Wähler, aber es war ein Parteiname mit reichlich Zutaten, im Grunde eine Mogelpackung.
Obwohl also "grün" draufstand, war es eine Mischung verschiedener politischer Interessen mit starken linken Einflüssen ohne Fokussierung auf einen grünen Kern. Es sind solche komplexeren politischen Zusammensetzungen, die unsere Parteien-Demokratie für die Wähler so problematisch machen. Denn ein Großteil wählt nur nach seiner aktuellen einen Priorität.
Heute ist "Migration" der Hauptgrund für den Höhenflug der AfD. Aber damals wählte, wer "Umweltschutz" wählen wollte, die Grünen und so schaffte es diese neue Partei bereits bei der nächsten Bundestagswahl 1983 in den Bundestag.
1985 stellte sie dann mit Joschka Fischer in Hessen erstmals auch einen Umweltminister. Aber es war eben eine Mogelpackung und deshalb blieb ihr der Erfolg nicht treu, entgegen übrigens dem Zeittrend.
Die Konferenz von Rio macht bewusst
Denn im Juni 1992 hatten die Vereinten Nationen die Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio einberufen. Ihr berühmtes Protokoll machte erstmals klar, dass ein enormer Zerstörungsprozess der Umwelt eingesetzt hat und weltweit erhebliche Veränderungen der von uns eingesetzten Technologien erforderlich wären, eine große Transformation, nur schaffbar mit starker Einbeziehung der Bevölkerung.
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Das war ein klarer Weckruf an die Politik, allem voran die grüne Bewegung. Aber in der ersten deutschlandweiten Bundestagswahl reichte es dann dennoch nicht über die Fünf-Prozent-Klausel, denn diese Wahl hatte andere Prioritäten.
Statt nun aber den Markenkern "grün" weiter zu schärfen, verdünnte man ihn durch die Fusion mit dem im Bundestag vertretenen DDR-Bündnis 90 und kombinierte die beiden Parteinamen.
Damit war die Idee eines eindeutigen Markenkerns zur Lösung eines der größten Probleme der Menschheit nicht nur durch eine nichtssagende Namenskombination gestört, sondern sogar weiter verdünnt durch verstärkt marktwirtschaftsfeindliche Tendenzen – obwohl diese Transformation nur mit einer starken Marktwirtschaft möglich ist. Dazu ein idealisiertes Menschenbild und das Gefühl des moralisch Überlegenen.
Im Grundsatzprogramm von 2002 – und ähnlich im neuen von 2020 – heißt das:
Im Mittelpunkt unserer Politik steht der Mensch in seiner Würde und Freiheit.
Das ist ein guter Leitsatz für die Vereinten Nationen, aber nicht für eine Partei der Bundesrepublik Deutschland. Von ihr wird die Mehrheit der Wähler ein Bekenntnis zu Grenzen und zu den Grundzügen unserer europäischen Kultur verlangen.
Aber moralische Überlegenheit ist definitionsgemäß im Kontrast zur Denke der breiten Mehrheit. Es verträgt sich nicht mit basisdemokratischen Überlegungen. Am Parteitag 2020 wurde deshalb das Bekenntnis, diese in die Demokratie einzuführen, nach einer kraftvollen Rede von Robert Habeck gestrichen und der Volksentscheid auf Bundesebene aus dem Wahlprogramm genommen.
Damit wurde ein langjähriges Gründungsversprechen gebrochen – trotz des laut Umfragen breit verbreiteten Wunsches der Bevölkerung nach Volksentscheiden als Möglichkeit der Bürger nach situationsbedingt themenbedingter Mitsprache und als Korrektiv und des Protests. Damit wurde nun auch das Gerede des Bündnis90/Die Grünen von der Weiterentwicklung der Demokratie und mehr Einbindung der Bürgerschaft erkennbar hohl.
Dennoch trug die Hoffnung der Bürger auf echt grüne Politik die Partei mit über 20 Prozent Wahlerfolg in die Regierung als Teil der Ampel. Und jetzt wollte man der Welt endlich zeigen, wie die Transformation geht: mit einer stark ideologisch geprägten Herangehensweise statt Fachkompetenz.
Aber die Hoffnungen für weitere Erfolge zerbrachen rasch. Die wahren Herausforderungen traten zutage und mit dem Rauswurf aus drei Landtagen ausgerechnet in Ostdeutschland wurde klar, dass der Stil der letzten Jahre nicht ausreichend akzeptiert wurde. Und damit wird auch klar, wie eine Reform der Grünen aussehen muss.
Wir stehen in einer neuen Zeit. Die großen Nationen China und Indien bauen den schon lange bestehenden Zusammenschluss Bric mit Russland und Brasilien mit weiteren Ländern aus und nutzen die wachsende Skepsis gegen eine der Führungsstärken der USA zu einer neuen Weltordnung.
Damit wird sich der sich anbahnende Handelskrieg weiter verschärfen und eine besondere Herausforderung für das von einem offenen Welthandel besonders abhängige, da rohstoffarme Europa. Und auch Teile des Islam werden nicht ruhen, Europa als ein bisher nicht bekehrtes Territorium anzugreifen.
Die Vorstellung einer weltweit kooperierenden Menschheit wird als unrealistisch angesehen. Realistisch für Bündnis 90/Die Grünen wäre also, sich darauf zu besinnen, eine Partei für Deutschland zu werden, und zwar eine nun echt grüne.
Das bedeutet eine strenge Politik gegen illegale Migration und für konsequente Abschiebungen, eine technologieoffene Förderung der Wirtschaft und einen Sozialstaat, der die Belastungen der nächsten Generationen in Grenzen hält.
Über allem kann das Schlagwort der Nachhaltigkeit aus der Forstwirtschaft stehen, das die Welt kurz vor der Konferenz von Rio im Kontext der Beobachtungen über das Waldsterben wieder entdeckte.
Eine Politik der Nachhaltigkeit ist zwangsläufig mehrheitsfähig, denn sie spricht den Überlebenswillen der Menschheit an. Kein Wort kann deutlicher die Forderung nach Gleichgewichten und natürlicher Anpassungsfähigkeit zum Ausdruck bringen wie dieses. Gerade deshalb braucht es auch eine Partei, die genau dieses Ziel der Nachhaltigkeit zu ihrem Kernthema macht.
Allerdings benötigt dieses Politikziel auch Führungsstärke und Kompetenz. Denn zu vieles steht da immer wieder im Konflikt mit kurzfristigen Egoismen und eben den Triebfedern all der Ausbeutung unseres Globus und der Zerstörung seiner lebenswichtigen Grundelemente Luft und Wasser.
Wenn also die neuen Grünen eine Partei in diesem Sinne werden wollen, müssen sie der Versuchung, mit rhetorisch geschickten, jedoch nicht immer durchsetzungsstarken Persönlichkeiten zu punkten, begrenzen und mit hoher Gemeinwohlorientierung und langfristig denkende Führungskräfte an die Spitze holen.
Die Linken und Fundis der Partei haben heute mit der BSW eine Alternative. Dort ist der Markenkern eindeutig: Links und Friedenspartei.
Die Wende zu einem eindeutigen Markenkern, einer deutschen, aber zugleich auch europäisch denkenden Partei, die für eine nachhaltig ökosoziale, eine echt grüne Marktwirtschaft eintritt, würde besonders deutlich betont durch die Aufgabe der nach über 30 Jahren veralteten Namenskombination Bündnis 90/Die Grünen und der Rückkehr zum alten Namen: Die Grünen.