Gute Zeiten für Wehrwillige
Massive Aufrüstung gut und schön – aber wer soll denn die vielen Waffen abfeuern? Da kommen die Soldatenwerbung und die Wehrpflicht wieder ins Spiel. Offenbar gibt es zu wenige Freiwillige, die im staatlichen Auftrag töten wollen.
Seltsam, warum eine solche Stellenbeschreibung keine Bewerbungswelle auslöst:
"Wir sind ein Konzern mit rund 250.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Weltweit aktiv, in ganz Europa wie auch in Afrika und Asien. Wir erforschen und entwickeln in enger Zusammenarbeit mit führenden nationalen Herstellern modernste Technik. Ihre Anwendung erfordert ausgewiesene Spezialisten, die außerdem extrem stressresistent sind. Wir betreiben eine eigene Hochschule, bilden dort mit exklusiven Lehrkräften unseren akademischen Nachwuchs aus.
Unsere Sozialleistungen sind vorbildlich, und unser Zusammenhalt auch. Wollen nicht auch Sie Verantwortung übernehmen und weiterkommen? Dann bewerben Sie sich und stoßen zu einem der größten Arbeitgeber Deutschlands."
Vielleicht liegt das daran, dass in der Beschreibung manches etwas ungenau ausgedrückt wird:
"Wir sind ein Konzern, der im Staatsauftrag Gewalt androht und anwendet. Und zwar überall dort, wo unser Auftraggeber seine Interessen bedroht sieht. Das kann auf anderen Kontinenten und Meeren sein, oder, wie in den 1990er-Jahren und gerade jetzt, auch in Europa.
Mit unseren Partnern aus der Rüstungsindustrie feilen wir an den todbringendsten Waffen der Welt. Wer sie gebraucht, muss natürlich über viele Fähigkeiten verfügen. Die Fachkraft muss wissen, wo die richtigen Knöpfe sind, kaltblütig handeln und auf Menschen schießen. Wenn sie ihren Job gut erledigt, bekommt sie einen Orden und rutscht einen Rang höher. Diskutiert wird nicht, sondern es werden Befehle befolgt.
Den nötigen ideologischen Rückhalt für eine Tat, die im normalen Leben Mord heißt, liefern unsere Führungskräfte, unterstützt von vielen Politikern, Geistesgrößen und Qualitätsmedien. Sollten Mitarbeiter bei der Arbeit selbst zu Tode kommen, was nicht ganz auszuschließen ist, sorgt der Arbeitgeber für die Hinterbliebenen und eine ehrenvolle Bestattung."
Irgendwo zwischen diesen Beschreibungen pendelt wohl die Zielgruppe hin und her. Also junge Männer und vermehrt auch Frauen, die eine sichere und solide berufliche Perspektive suchen. Und die den Arbeitgeber Bundeswehr in dieser Hinsicht attraktiv finden könnten, jedoch nicht so die Sache mit Befehl und Gehorsam und den lebensgefährlichen Begleitumständen.
Zweifel am Auftrag dürften indes die wenigsten haben. Dass unser Deutschland eine konkurrenzfähige Streitmacht braucht, weil wir sonst wehrlos und damit erpressbar wären, ausgeliefert allen Despoten und sonstigen bösen Staaten, gilt als ausgemacht. Das hat der Nachwuchs schließlich ausgiebig in der Schule gelernt und wird ihm in den Medien tagtäglich mitgeteilt.
Die Bundeswehr: ein Hort von Selbstfindung und Selbstlosigkeit
An dem wenig Lifestyle-mäßigem Befehl und Gehorsam und der Lebensgefahr ändert das aber nichts. Die Werbekampagnen der Bundeswehr drücken sich deshalb um diese unangenehmen und nicht so schicken Seiten des Jobs herum. Mit dem Slogan "Mach, was wirklich zählt" warb zum Beispiel 2015 die Bundeswehr in elf deutschen Städten um neue, nun ja, Mitarbeiter.
Die Idee erläuterte Regierungsdirektor Dirk Feldhaus im Bundeswehr-Journal (Dezember 2015):
Junge Menschen fragen heute immer mehr nach dem Sinn ihrer Arbeit und was ihnen diese neben einem Einkommen eigentlich bringt. Darauf haben wir in der Bundeswehr starke Antworten. Die Bundeswehr bietet als Arbeitgeber vielfältige und attraktive Möglichkeiten.
Antworten wie "Wer gibt dir eigentlich den Glauben an dich selbst?" (im Bild ein junger Soldat umarmt von zwei Kameraden), "Hier kämpfst du für deine Patienten, nicht für den Profit" (Soldatin im Sanitätsdienst) oder "Hier lernst du den Unterschied zwischen Führen und Vorführen" (Karriere als Offizier).
Die Bundeswehr als Hort der Selbstfindung, karitativer Selbstlosigkeit und gerechter Hierarchie? Eine Steilvorlage für so manchen Spott, beispielsweise vom Aktionskünstler-Kollektiv "Peng". Es karikierte die Sprüche im zum Verwechseln ähnlichen Plakat-Design unter einer zum Verwechseln ähnlichen Web-Adresse "Mach, was zählt".
Die taz interviewte dazu einen Sprecher von Peng:
Wir haben zur Kenntnis genommen, dass die Bundeswehr in Ihrer gesamten Kampagne nie Wörter wie "Tod", "Töten", "Sterben" oder "Krieg"‘ verwendet, Das wollen wir mit unserer Kampagne ausgleichen.
Zum Titel "Du glaubst es ist cool, Soldat/in zu sein?" gab das Plakat von Peng im Camouflage-Layout die Antwort:
Die Bundeswehr braucht dich besonders im Ausland. Dort sollst du mit deinem Leben für die Interessen der Regierung geradestehen und ihre Befehle ausführen. Dabei handelt es sich um außenpolitische oder wirtschaftliche Interessen. Mit der Verteidigung Deutschlands hat das nichts zu tun.
Das wiederum animierte Nachahmer im Netz mit Sprüchen wie "Willst Du auch mal Zivilisten töten?" oder "Wir schießen die Bösen einfach ab".
Dennoch vermeldete die Bundeswehr als Folge der Kampagnen eine deutlich vermehrte Anzahl von Interessenten und Bewerbungen. Aber einen massiven Zulauf schaffte sie nicht. Wie auch weitere Werbekampagnen nicht, zum Beispiel die Video-Serie "Die Rekruten". Dort wurden im Stil einer Reality-Soap Soldaten-Anfänger während ihrer ersten Ausbildungstage vermeintlich authentisch gezeigt. Teilweise wohl auch zu authentisch...