"Hack the USA!!!"

Chinas Patrioten rächen sich für den "Air-crash" in Cyberspace

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Am 12.April gab die FAZ Entwarnung: die Wogen des amerikanisch-chinesischen Konflikts anlässlich des Flugzeugzusammenstosses hätten sich geglättet. Bush hatte sich zwar nicht entschuldigt, sondern der Witwe des chinesischen Piloten gegenüber lediglich sein Beileid ausgedrückt, aber die Chinesen haben die Nichtentschuldigung als Entschuldigung interpretiert und – zunächst akzeptiert. So funktioniert also der diplomatische Eiertanz zwischen zwei Weltmächten, die trotz ihrer zahlreichen Interessenkonflikte und gesellschaftlich unüberwindlicher Differenzen, vor allem Handelsbeziehungen unterhalten, die nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden sollen.

"Hackers Union of China"

Doch die Entwarnung kam wohl vorzeitig: Mit der Freilassung der Crew sei die Angelegenheit für China noch nicht beendet, gleichwohl sei man an guten Beziehungen zu den USA interessiert. Die Chinesen sind in ihrem Nationalstolz empfindlich berührt und auch wenn die Flugzeugkarambolage wieder zu den Akten gelegt wird, obwohl das Flugzeug noch weiter untersucht wird, konzentrieren sich patriotisch entrüstete Chinesen nun auf Hackerangriffe auf amerikanische Sites. Auch auf Message Boards und in Emails ist man gegen den amerikanischen Weltpolizisten aktiv: "Hack the USA!!!" lautet die Parole. Insgesamt sollen neun Regierungs- und Business-Seiten von den Hackerattacken betroffen sein. Eine Navy-Sprecherin teilte mit, dass zwei militärisch weniger relevante Sites am 5.April Angriffen ausgesetzt gewesen sein, die vermutlich aus China kämen ("First Kill the 24, then kill Little Bush!").

Auf einem Forum in "Marin County", Kalifornien, das für Künstler und Schriftsteller unterhalten wird, schallt den Surfern die chinesische Nationalhymne entgegen und einige propere bis martialische Ansichten chinesischer Piloten machen klar, dass die rote Nation gegen jeden Gegner der Welt wohlgerüstet ist. Auf Intelligent Direct Inc. hisste die "Hackers Union of China" auch vorübergehend die Nationalflagge. Neben uncharmanten Kommentaren über anderer Leute Mütter verwies die "nationale Hackergewerkschaft" auf den bedrohlicher klingenden Umstand, dass China auch über Atomwaffen verfüge.

Der Präsident von "Intelligent Direct Inc.", Dan Olasin, kann sich nicht erklären, warum diese Angriffe ausgerechnet sein kleines Unternehmen getroffen haben. Er klagt über die Paradoxie, dass das Internet, das zuvor nationale Grenzen überschreiten wollte, nun zur mächtigsten Waffe für nationalstaatliche Konflikte avanciert. Olasin sinnt auf human-naive Gegenaufklärung: Er wolle den Hackern Porträts von sich und seinen Mitarbeitern schicken, damit sie in Zukunft offen und ohne Schaden anzurichten, ihre Meinung kundtun.

Virtuelle Scharmützel oder elektronisches "Pearl Harbour"

Aber die Hoffnung auf humane Appelle reicht denen nicht, die Amerikas elektronische Sicherheit für nicht ausreichend halten. Jeder Cyberangriff ist ein Votum mehr für den Ausbau digitaler Verteidigungsanstrengungen. Und die virtuellen Scharmützel, die nicht erst seit dem Flugzeugcrash, sondern schon seit 1998 von China lanciert werden, sind vielleicht nur der Auftakt größerer Schlachten. Die amerikanische Diskussion um den Cyberwar und seine unabsehbaren Folgen werden maßgeblich von der Angst beherrscht, mit einem elektronischen "Pearl Harbour" konfrontiert zu werden (Infowar gegen die USA).

Die Angst könnte – allen Kritikern zum Trotz - keine reine Projektion militärischer Scharfmacher zu sein: Auf den Seiten "Sina.com", "Sohu. Com" und "killusa.abc.yesite.com. werden inzwischen nicht nur bedienerfreundliche Hacker-Tools aufgelistet, sondern auch mögliche Ziele angegeben, gegen die sich der nationale Volkszorn richten könnte. Für die meisten Cyberangriffe zeichnet die "Hackers Union of China" verantwortlich, die sich auch als "Honkers Union of China" oder mit dem ironischen Firmenzeichen "Red guest"-Allianz in Amerikas unfreiwillige Gästebücher einschreibt. Auf ihrer Website tritt die lose organisierte Gruppe als "Network Security Organization" auf. Und man muss nicht mehr fragen, wessen Sicherheit hier gemeint ist.

Aufklärungsflüge und Menschenrechte

Nun mögen die virtuellen Anschläge einer der Gründe sein, dass die USA auch nach dem Debakel vom 1.April diesen Jahres keineswegs bereit sind, auf ihre Aufklärungsflüge zu verzichten. Das dient nach offiziellen Verlautbarungen der amerikanischen und – wie kaum anders zu erwarten – auch der internationalen Sicherheit. So weit dabei die internationale Flugzone nicht verlassen wird, ist das eher ein marginaler Umstand. Längst reichen die Aufklärungssysteme weit genug, um Radar- und andere elektronische Signal- und Datenübertragungssysteme aufzuspüren. Jede potenzielle Auseinandersetzung der Zukunft entscheidet sich über die Command-and-Controll-Systeme, die den digitalen Kopf virtuell-realer Armeen bilden. Wer die Kommunikationsstruktur des Feindes zerschlagen kann, gewinnt – wie der Golfkrieg eindrucksvoll demonstriert hat – auch die Schlacht im Felde.

Dabei sind die Amerikaner so wenig wie China mit der Aufarbeitung des Flugzwischenfalls fertig. Präsident Bush und Außenminister Colin Powell wollen auf der diesjährigen Tagung der UNO-Menschenrechtskommission in Genf erreichen, dass Chinas "systematische Menschenrechtsverstöße" eine internationale Absage erhalten. Nach wie vor sieht der "himmlische Frieden" in Peking so aus, dass Mitglieder der Falun-Gong-Bewegung als Staatsfeinde behandelt werden. Fraglos ist die Falun-Gong-Bewegung auf Grund ihrer starken Vernetzung und Organisation ein ernst zu nehmender Gegner des chinesischen Regimes. Peking ist dabei nicht zimperlich in der Anwendung des üblichen Instrumentariums von Verhaftungen, Hinrichtungen und Umerziehungsmaßnahmen in berüchtigten Lagern, um Falun-Gong das Ende zu bereiten. Die Praktiken kennt man seit der Kulturrevolution und Kuomintang: Wer nicht spurt, wird so lange drangsaliert, bis er "abschwört".

Nun kann auch die Falun-Gong-Bewegung nicht nur internationale Sympathien auslösen. Zu fatal erinnern die Selbstbeschreibungen der Sekte an andere religiöse Eiferer, die außer ihrer persönlichen Facon der Glückseligkeit nicht viel gelten lassen. Auch der Sekte wird die Verfolgung abtrünniger oder unbotmäßiger Mitglieder nachgesagt und der Meister der umtriebigen Sekte, Li Hongzhi, verfügt über eine sakrosankte Moral, demnach etwa "Homosexualität" Sünde sei. Im Blick auf historische Präzedenzen wäre Amerika zumindest schlecht beraten, diese Systemgegner zu unterstützen, um schließlich den "Teufel" gegen "Beelzebub" auszutauschen.

"PortaBush"

George W. Bush geht es derweil in China gut. Als "PortaBush", eine Art tamagotchi-pet, fristet der "nasebohrende" Präsident in einigen Tausend Exemplaren in China ein virtuelles Haustierdasein. Es besänftigt wohl den chinesischen Nationalstolz, den mächtigen Präsidenten als handzahmes Pet familiärer Obhut anzuvertrauen.

Ironie des Kapitels: "PortaBush" wird von einer US-amerikanischen Firma unter die Spielfreudigen gebracht. Zeitweise waren die downloads, die aus China angefordert wurden, so zahlreich, dass die Site zu kollabieren drohte. So lange sich der nationale Volkszorn so austobt, ist ja vielleicht noch Hoffnung.