Hacking is Not a Crime
Auf dem 18. Chaos Communication Congress soll sich der Widerstand der Hackerszene gegen die Fülle neuer Überwachungsmaßnahmen formieren
Die Vorzeichen für die größte europäische Hackerparty, als die der traditionell zwischen den Jahren stattfindende "Chaotentreff" in Berlin von den Initiatoren positioniert wird, sind dieses Mal grau bis düster. Auf die Stimmung drücken eine Reihe von verabschiedeten Gesetzen, Konventionen und politischen Drangsalierungen, die den von den Hackern hoch gehaltenen Werten wie Informationsfreiheit und Datenschutz zuwider laufen. Die Szene will daher ihre Kräfte neu sammeln und gegen ihre fortschreitende Kriminalisierung Stellung beziehen.
"Wir sind von der Fülle gesetzlicher Maßnahmen, die nach dem 11. September beschlossen wurden, schier erschlagen", sagt Andy Müller-Maguhn, Sprecher des Chaos Computer Clubs.
Im Auge hat der Hacker dabei nicht nur das am Donnerstag auch vom Bundesrat abgesegnete Anti-Terror-Paket II aus dem Hause Otto Schilys (Der neue Otto-Katalog ist da), das bereits Anfang des Jahres in Kraft treten wird und just die Überwachungsbefugnisse der Geheimdienste - den "besten Freunden" der für Offenheit eintretenden Freaks - enorm ausweitet. Ein Dorn im Auge ist den Hackern auch die Verabschiedung der bis zuletzt umstrittenen Cybercrime-Konvention des Europarats, die in Nordrhein-Westfalen betriebene Sperrung amerikanischer Websites (Keine Zensur, sondern Schutz der Verfassung) sowie die Europäische Urheberrechtsrichtlinie mit ihren zu befürchtenden Folgen für den freien Informationsfluss (Selbsthilfrecht zum Umgehen von Kopierschutz).
Die Betonung beim 18. Chaos Communication Congress, zu dem sich die mit Hard-, Software und Wireless-LAN-Karten ausgerüsteten Hacker vom 27. bis zum 29. Dezember erneut im nach wie vor Ost-Charme verstrahlenden Haus am Köllnischen Park in Berlin zusammen scharen werden, liegt Müller-Maguhn zufolge daher dieses Jahr auf Kommunikation. "Wir müssen die Ereignisse zunächst kollektiv verdauen", gibt der in seinem zweiten Leben als Direktor der Netzverwaltung ICANN durch die Lande und Lüfte tingelnde Hacker als Parole aus (Bericht vom letzten CCC-Kongress: Trinkgeld statt Filter).
Im Auge behalten und begleiten wollen die Verfechter der Nutzerrechte im kommenden Jahr vor allem die Umsetzung der aus Brüssel, Straßburg und mittelbar aus den USA kommenden Rahmenwerke für das zukünftige Internet, das den Freaks als Ausgangspunkt ihrer Datenreisen dient. Müller-Maguhn warnt in diesem Zusammenhang vor einem Verbot der wichtigsten Hackeraktivität, die er ganz in aufklärerischer Tradition im Austesten von technischen Funktionen und der Verbreitung von Informationen über sicherheitsrelevante Schwachstellen sieht. Ironisch mag es da erscheinen, dass just die das Tun der Hacker unterbindenden Gesetze auch im Namen der "Sicherheit" vermarktet werden.
Datenschutz ade?
Bemüht hatten sich die Organisatoren um einen direkten Dialog mit den Hütern der inneren Sicherheit im Bundesinnenministerium. Doch Schilys Staatssekretär Claus-Henning Schapper sagte am Donnerstag kurzfristig seine Teilnahme an der Diskussionsrunde "Terrorismusbekämpfung: Datenschutz ade?" ab. Vermutlich befürchtete er, wie sein Chef mit einem Big-Brother-Award für die tief greifenden Einschnitte in die Bürgerrechte "geehrt" zu werden.
Völlig offen ist für Müller-Maguhn angesichts der Verweigerungshaltung der Sicherheitspolitiker nun, ob sich diese nicht schlicht "die nächste Generation des bewaffneten Widerstands heranzüchten". Die Stimmung auf dem Congress zu diesem Punkt müsse man erst abwarten. Konkret sind für den dritten Konferenztag zwei Workshops geplant, in denen sich europäische NGOs aus dem Bereich der Hacker und Datenschützer zu einer "Cyberrights-Allianz" vernetzen sollen und Kampagnen sowie Methoden zur besseren Öffentlichkeitsarbeit ausgehackt werden. Dabei geht es vor allem um die Frage, wie sich mehr Leute auch außerhalb der Netzgemeinde für Themen wie Privacy erwärmen lassen.
Gleichzeitig verspricht Müller-Maguhn einige "technologische Schmankerln", mit denen die zukünftige Arbeit der Geheimdienste und anderer professioneller Datensammler beleuchtet werden soll. "Am Beispiel einzelner Programme wollen wir zeigen, was sich etwa mit den Verbindungsdaten aus der Telekommunikation alles anstellen lässt."
Extrem-Programm(ing)
Neben den Auswirkungen der Terrorismusbekämpfung bildet den zweiten inhaltlichen Schwerpunkt die immer mehr durch Gesetze eingezwängte Wissensökonomie in den digitalen Medien. Dem wollen die Hacker das Prinzip der "Napsterisierung" entgegenstellen, durch das die Informationsgüter frei verteilt werden sollen.
Gewürzt wird die Vortrags-Melange mit zahlreichen technischen Workshops zu Themen wie "eXtreme Programming" oder Kryptographie mit elliptischen Kurven für Einsteiger und Fortgeschrittene. Auf Liebhaber warten Ausführungen zu "Photuris (RFC2522) als Alternative zu ISAKMP/IKE" oder Ausflüge in die Welt der Häcksen, der auf den Chaos-Congressen von Jahr zu Jahr weniger auffallenden weiblichen Hacker.
Doch auch wer einfach nur "am Gerät" herumschrauben und seine Giga-Festplatten zur Schau stellen will, wird im Hackcenter oder im Labor wieder auf seine Kosten kommen. Fingerfertigkeit gefragt ist daneben bei den Fünften Deutschen Meisterschaften im Lockpicking, der Kunst des Hackens handfester Schlösser. Künstlerisch angehauchte Programmiergeister sind im "Art&Beauty"-Raum willkommen, wo bei Jolt-Cola, Hackerbrause und süßlichem Zigarettenduft die Gedanken in die Ferne schweifen können.
So gut wie keine Überraschungen gibt es trotz der bevorstehenden Euro-Umstellung bei den Eintrittspreisen. Die Dauerkarte schlägt wieder mit 60 Mark zu Buche. Für Vertreter der Öffentlichkeit und von jungen wie alten Unternehmen heißt es tiefer in die Tasche zu greifen: zwischen 90 und 2.300 Mark will der Verein der schöpferisch-kritischen Chaosjünger ihnen abknöpfen.