Europarat verabschiedet Cybercrime-Abkommen

In das Abkommen soll möglichst schnell auch ein Zusatzprotokoll zum Verbot des "illegalen Hosting" von rassistischen Internetinhalten aufgenommen werden

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Während heute die Außenminister der 43 Mitglieder des Europarats das umstrittene Cybercrime-Abkommen verabschiedet hat, so dass am 23. November in Belgrad mit der Unterzeichnung begonnen werden kann, hat der Ständige Ausschuss des Europarats gefordert, so schnell als möglich ein Zusatzprotokoll in das Abkommen aufzunehmen, um gegen rassistische Websites vorgehen zu können.

Im "Kampf gegen den internationalen Terrorismus"

Natürlich stand das Treffen der Minister und der Parlamentarischen Versammlung, die gestern und heute stattgefunden haben, ganz unter dem Zeichen des "Kampfs gegen den internationalen Terrorismus". Die Minister besprachen auf der Grundlage eines Berichts neue Vorgehensweise des Europarats gegen den Terrorismus. So wurden neue gesetzliche Regelungen und eine engere Zusammenarbeit erwogen. Unter dem Vorsitz des Außenministers von Liechtenstein bekräftigen die Minister die Verurteilung der Terroranschläge und begrüßten, dass so schnell eine breite Koalition gegen den Terrorismus zustande gekommen sei. Sie brachten auch ihre Unterstützung für die "neue Dynamik der Solidarität" zum Ausdruck, die sich bereits in den "internationalen Sicherheitssystemen" nieder geschlagen habe. Die Verpflichtung des Europarats bestehe in der Suche nach einer demokratischen Lösung, um im Rahmen seiner Möglichkeiten den Terrorismus und seine Ursachen zu bekämpfen.

Insbesondere soll die Zusammenarbeit verstärkt werden. Man werde die Bemühungen verstärken, die Geldströme zu kappen, durch die sich der Terrorismus finanziert. Priorität hätten dabei das schärfere Vorgehen gegen Geldwäsche, organisiertes Verbrechen, Drogenhandel, Menschenhandel und Cyberkriminalität. Die Minister betonten auch, dass die Bekämpfung des Terrorismus im Rahmen der Demokratie, des Rechts und der Menschenrechte geschehen müsse. Zur Bekämpfung gehöre auch die Schaffung von starken Demokratien, die die Vielheit achten und eine größere soziale Gerechtigkeit fördern, wodurch Ursachen, aus denen sich der Terrorismus erwächst, beseitig würden.

Beschlossen wurde die Einrichtung einer Multidisciplinary Group on international action against Terrorism (GMT), die bis zum 31.12.2002 bestehen und auf der Grundlage der gemeinsamen Beschlüsse und Abkommen die koordinierte Weiterentwicklung von Gesetzen vorantreiben soll. Verabschiedet wurde auch ein Abkommen zum Schutz der Menschenrechte und der Freiheiten in Europa, in dem vornehmlich die Bedeutung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gesichert werden soll.

Cybercrime-Abkommen kann bald in Kraft treten

Das von den Ministern nun endgültig verabschiedete Cybercrime-Abkommen, das nach Ansicht von Menschenrechtlern und Datenschützern gegen europäische Menschenrechtsverträge verstößt, sieht erweiterte Befugnisse zum Abhören der Internetkommunikation und zum grenzüberschreitenden Datenaustausch vor (Cybercrime-Abkommen passiert eine der letzten Hürden). So muss die Möglichkeit geschaffen werden, Internetkommunikation in Echtzeit abzuhören, und es müssen Vorkehrungen getroffen werden, die Verkehrsdaten zu speichern. Neben der strafrechtlichen Einordnung von Cracken, illegalem Abhören und Eindringen, Stören von Computersystemen, Stehlen, Manipulieren oder Löschen von Daten stellt das Abkommen auch Vergehen gegen das Copyright, das Umgehen von Kopierschutzsystemen und das Herstellen, Verbreiten und Verfügbarmachen von Kinderpornographie unter Strafe.

Der Gesetzestext - die 27. Version - ist das Ergebnis von vierjährigen, lange Zeit hinter verschlossenen Türen stattfindenden Verhandlungen und soll einen ersten Durchbruch für eine internationale Bekämpfung der Cyberkriminalität darstellen. Die Unterzeichner des Abkommens verpflichten sich, eng bei der Verfolgung der definierten Straftaten zusammen zu arbeiten und entsprechende Mindeststrafen für die Vergehen einzuführen.

Einführung einer neuen Straftat: illegales Hosting

Die Parlamentarische Versammlung des Europarats hatte bereits im April gefordert, dass neben der Aufnahme des Menschenhandels auch die Verbreitung rassistischer Propaganda und Hassbotschaften über das Internet als Verbrechen ins Abkommen aufgenommen werden soll. Um einer schneller Verabschiedung nicht zu verhindern, habe man, so Ivar Tallo, sozialistischer Abgeordneter aus Estland und Vertreter des Menschenrechtsausschusses, damals noch keinen entsprechenden Zusatz vorgenommen. Da auch die USA Mitglied des Europarats sind, wäre ein Einsspruch von dieser Seite vorauszusehen gewesen, da dies gegen die weitaus umfassendere Meinungsfreiheit in der amerikanischen Verfassung verstoßen würde.

Der Ständige Ausschuss des Europarats hat heute eine Empfehlung zum geforderten Zusatzprotokoll einstimmig verabschiedet, das die Verbreitung rassistischer Propaganda, die missbräuchliche Speicherung von Hassbotschaften und die Benutzung des Internet zum Menschenhandel unter Verbot stellen soll. Gefordert wird aber auch, Möglichkeiten zu finden, wie man gegen "illegales Hosting" vorgehen könne (Soll illegales Hosting ein Verbrechen werden?). Damit soll Rechtsextremen die Möglichkeit verbaut werden, ihre Seiten auf Server in einem anderen Land zu legen, das weniger strenge Gesetze hat. "Beispielsweise wäre es", so Ivar Tallo, "dann einer rassistischen französischen Site, die auf ein französisches Publikum zielt, aber auf einer Server untergebracht ist, der sich in den USA befindet, nicht mehr möglich, sich hinter den amerikanischen Gesetzen zu verstecken, die die Meinungsfreiheit schützen."

Natürlich müssen die Anschläge vom 11.9. auch hier wieder als Legitimation dienen: "Der 11. September hat gezeigt, dass rassistische Meinungen zu einer Tat von schrecklichem Ausmaß werden können. Daher muss die moderne Technologie Sicherheitsvorkehrungen besitzen, wozu das Verbot von Hassmeinungen im Internet gehört."

Rassismus werde, so der Beschluss der Parlamentarischen Versammlung, nicht mehr als Meinung, sondern als Verbrechen betrachtet. Obgleich es bereits das Internationale Abkommen zur Bekämpfung aller Formen von Rassendiskriminierung (ICERD) gibt und einige Mitgliedsstaaten rechtliche Möglichkeiten geschaffen haben, gegen Rassismus vorzugehen, sei dies mit rassistischen Meinungen (hate speech) schwierig. Auf einer ethischen Ebene müssten selbstregulierende Maßnahmen von Providern unterstützt werden, indem beispielsweise Websites eingestuft, Hotlines eröffnet und entsprechende Verbotsklauseln in Verträge aufgenommen werden. Für die Ausarbeitung des Zusatzprotokolls wurde ein Ausschuss (PC-RX) eingerichtet, der dieses bis Ende April 2002 fertig stellen soll.

Wie Tallo in seinem Bericht ausführte, ist vorgesehen, illegales Hosting so zu definieren, dass es das "Hosten zum Zweck der Online-Zirkulation von Sites darstellt, die Hassbotschaften in Form von Texten, Bildern, Tönen oder anderen Medien enthalten, um so weniger starke Begrenzungen auszunutzen". Ein Zeichen wären etwa Websites in einer Sprache, die nicht die des Landes ist, in dem sich der Server befindet, Sites, bei denen die meisten Zugriffe von ausländischen Servern erfolgen oder eine Bezugnahme auf Tatsachen oder Kontexte eines anderen Landes. Eingeschlossen werden könnten auch entsprechende News-Angebote, die Hass fördern. Die Unterzeichnerländer müssten, wenn sie nicht selbst gegen die Inhalte vorgehen wollen, zumindest dafür sorgen, dass bei der Bitte eines Landes, dessen Gesetze übertreten wurden, die entsprechenden Websites oder Verbindungen von den Providern entfernt werden.

Hoffnungsvoll wird dabei auf den Yahoo-Fall verwiesen, bei dem ein französischer Richter das Portal dazu verurteilt hatte, den Zugang für Franzosen auf Auktionsseiten für Nazi-Andenken und andere verbotene Inhalte zu sperren (Französisches Recht soll weltweit für Franzosen gelten). Gestern wurde allerdings just von einem amerikanischen Berufungsgericht entschieden, dass die Inhalte von US-Firmen durch den ersten Verfassungszusatz als freie Rede geschützt sind. Überdies könnten immer wieder Inhalte, die in den USA rechtens im Internet publiziert werden, in anderen Ländern gegen deren Gesetze verstoßen. Für die Einführung des Tatbestands des "illegalen Hosting", der sich im Kontext von rassistischen Internetinhalten gerade auf die USA gerichtet hatte, ist dies kein günstiges Zeichen.