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CIA-Direktoren hatten mit ihren Präsidenten schon immer ein Kommunikationsproblem

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Als Präsident Bush kürzlich erklärte, ihm sei die Einschätzung seiner Geheimdienste über den als weitaus ungefährlicher als bisher dargestellten Iran nicht bekannt gewesen, warf dies Fragen auf. Waren die direkt dem Präsidenten unterstellte CIA und ihre Partnerdienste denn nicht zu dem Zweck gegründet worden, den obersten Dienstherrn aus erster Hand über die Sicherheitslage zu informieren? Wie ein holzschnittartiger Blick auf das Verhältnis der CIA-Chefs zu ihren Präsidenten der vergangenen 60 Jahre zeigt, war eine gute Kommunikation eher die Ausnahme, als die Regel.

Harry Truman

Als Präsident Harry Truman 1947 der Gründung des zivilen Auslandsgeheimdienstes Central Intelligence Service (CIA) zustimmte, tat er dies ausgesprochen widerwillig. Wie geheimnisvoll es im eigenen Lager zugehen kann, hatte er während seiner Zeit als Vizepräsident erfahren, in der man ihm das Manhattan-Projekt verheimlicht hatte, an dem zeitweise 100.000 Menschen gearbeitet hatten. Vom Besitz der Atombombe war er daher fast genauso überrascht gewesen wie kurz darauf Japan (im Gegensatz zu den Sowjets, deren Agenten an der Bombe mitkonstruierten). Truman und das Militär hatten mit dem zivilen Kriegsgeheimdienst OSS schlechte Erfahrungen gemacht, dessen unqualifizierte Auswertung und kontraproduktiven Kommandoaktionen mehr Schaden als Nutzen gestiftet hatten. Doch die Veteranen des OSS verfügten über eine mächtige Lobby.

Harry Truman

Roscoe Hillenkoetter

An die Spitze des neuen zivilen Geheimdienstes setzte Truman einen militärischen Vorgesetzten, Admiral Roscoe Hillenkoetter, dem seine Aufgabe ebenfalls nicht zusagte. CIA-Lobbyist Allen Dulles, Ex-Diplomat und Teilhaber der einflussreichsten Industriekanzlei Sullivan&Cromwell, hatte Truman hereingelegt: Während der Präsident die CIA für eine Spionageorganisation hielt, ging es Dulles in Wirklichkeit um eine getarnte Wiedergeburt des OSS und dessen verdeckten Operationen. Die operative Abteilung wurde von dem Wallstreet-Anwalt Frank Wisner geleitet, einem Dulles-Vertrauten. Wisner tat, was er wollte, bzw. das, was der einflussreiche Industrieanwalt Allen Dulles verlangte, der gemeinsam mit seinem Bruder John Foster Dulles zunächst im Hintergrund die Außenpolitik der USA zu gestalten begann. Auch seinen Vertrauten aus OSS-Tagen, Richard Helms, hatte Dulles in der CIA platziert. Hauptaufgabe war damals der Ausbau geheimer stay behind-Armeen in Westeuropa sowie Propaganda-Aktionen zur Eindämmung des Kommunismus wie Radio Free Europe. Aber auch im eigenen Land wurde sie mit verdeckter Propaganda durch Einflussnahme auf US-Medien aktiv. Republikaner Dulles sah sich für den Fall des anstehenden Wahlsiegs als neuen Direktor der CIA, jedoch wurde Truman wiedergewählt.

Walter Bedell Smith

Nachdem die CIA 1950 vom Koreakrieg überrascht wurde, löste man den führungsschwachen Hillenkoetter durch General Walter Bedell Smith ab. Dulles, der die CIA von außen dirigiert hatte, bekam nun offiziell einen Posten in Wisners „Department of Dirty Tricks“. Nach dem Vorbild der britischen Geheimdienste sowie in Kooperation mit diesen lancierte Dulles allerhand verdeckte Propaganda-Aktionen, finanzierte im Ausland konservative Parteien und ließ linke Oppositionen unterwandern. Sie bildeten paramilitärische Saboteure aus, die per Fallschirm hinter den feindlichen Linien im Kriegsgebiet sowie in Osteuropa Spionagenetzwerke und Widerstandszellen errichten sollten. Trotz durchgehender Totalverluste wurden die nutzlosen Programme jahrelang aufrechterhalten. Im klassischen Nachrichtendienst wie dem Werben und Platzieren von Agenten reihte sich ein Fehlschlag an den anderen.

Der philisterhafte Anwalt Dulles und der an klare Befehlsstrukturen gewohnte Militär Bedell Smith, hatten von Anfang an ein vorprogrammiertes Kommunikationsproblem. CIA-Chef Bedell Smith wusste nicht, was Wisner und Dulles im eigenen Haus veranstalteten, ebenso wenig der Präsident selbst. Noch weniger zu kontrollieren war, was die CIA-Stationsleiter im Ausland taten. Dafür hatten die Sowjets einen Überblick gewonnen, die über einen Spion in die Codes eingedrungen waren, woraufhin der Kryptographie- und Abhördienst National Security Agency (NSA) gegründet wurde.

Bedell Smith versuchte durch eine Kommission, seinen eigenen Geheimdienst aufzuklären und gab schließlich auf.

Dwight D. Eisenhower

Dwight D. Eisenhower

Allen Dulles

Unter dem neuen Präsidenten Eisenhower stieg sein Wahlkampfhelfer Dulles schließlich 1953 zum CIA-Chef auf und hatte freie Hand, um nach eigenem Gusto im Ausland Wahlen zu fälschen, Umstürze anzuzetteln und sogar Politiker liquidieren zu lassen.

Dulles Bruder John Foster Dulles kontrollierte nun als Außenminister die Außenpolitik, die er durch seinen Bruder verdeckt manipulierte. Die Dulles-Brüder informierten ihren Präsidenten nur insoweit, wie sie das opportun hielten und verquickten ihre eigenen Geschäftsinteressen und die ihrer Freunde mit den angeblichen Sicherheitsinteressen des Staates. Da Dulles in Sachen Spionage keine nennenswerten Erfolge aufzuweisen hatte, musste er sich auf Informationen von meist europäischen Partnerdiensten verlassen. Von den dunkelsten Kapiteln wie dem MKUltra-Programm (menschverachtende Forschungen zur Gehirnwäsche u.ä.) erfuhr der Präsident erst gar nichts. Bei der Liquidierungen fremder Staatsoberhäupter hatte sich Dulles offenbar mit seinem Vorgesetzten abzustimmen versucht: Anschläge auf Stalin oder die chinesische Regierung wollte Eisenhower nicht genehmigen.

Dulles schirmte die CIA von allen erdenklichen Untersuchungen und Kritikern konsequent ab. Kritische Berichte pflegte er folgenlos zu den Akten zu legen – eine Strategie, welche die meisten seiner Nachfolger bis einschließlich Porter Goss kopierten. Akten las der alternde Chefspion immer weniger, sondern begann, sie nach ihrem Gewicht zu bewerten.

Eisenhower gelang es ebenfalls nicht, die ihm unterstehende CIA unter seine Kontrolle zu bringen. Die CIA ignorierte Eisenhowers Verbot, im Vorfeld des Friedensgipfels mit den geheimen U2-Spionageflügen über sowjetischem Territorium fortzufahren. Als eine U2 abgeschossen wurde, übernahm der überraschte Eisenhower offiziell die Verantwortung, um die Schwäche an Disziplin zu kaschieren. Bei seiner berühmt gewordenen Abschiedsrede warnte er vor einem „militärisch-industriellen Komplex“, der das Land zunehmend beeinflusse.

John F. Kennedy

John F. Kennedy

Als Zugeständnis zu den konservativen Wählern hielt der 1960 nur knapp siegreiche John F. Kennedy an Dulles fest. Während Eisenhowers Skepsis gegenüber der unheimlichen Behörde sichtlich angestiegen war, erwiesen sich die Kennedys als glühende Spionageromantiker. Selbst das Debakel mit der dilettantisch vorbereiteten Invasion in der Schweinebucht, bei der unter Regie der CIA Exilkubaner den Einmarsch auf Kuba versuchten, sollte am generellen Festhalten an politischem Falschspiel nichts ändern. Mochte Kennedy auch in einem Wutausbruch geäußert haben, die CIA in Tausend Stücke zu zerschlagen, so blieb es bei personalen Veränderungen und Abgaben an Kompetenzen an das Pentagon. Im Gegenteil vervielfachte Justizminister Robert Kennedy die verdeckten Operation, etwa gegen Kuba, war zunächst sogar als neuer CIA-Chef im Gespräch und führte schließlich die Aufsicht über die einzigartige Behörde. Besonders heikle Aufträge wie die versuchte Ermordung Fidel Castros wurden auf Vermittlung der CIA an externe Dienstleister wie die ebenfalls am Umsturz interessierte amerikanische Mafia vergeben, was für die Regierung den Vorteil hatte, einen Bezug zur Tat ableugnen zu können.

John McCone

Trotz Loyalitätsbekundungen gegenüber Dulles war dessen langfristige Ablösung unvermeidlich. Als Ersatz wurde Ende 1961 nach langem Suchen der erzkonservative und gleichaltrige Republikaner General John McCone ausgewählt, der die CIA von ihrer Mantel und Degen-Mentalität befreien und in einen klassischen Nachrichtendienst umwandeln wollte, der in erster Linie Informationsbeschaffung betreibt – ein Anliegen, das auch bedell Smith verfolgt hatte. Trotz dieser Vorsätze nahmen die „Covert Actions“ die meiste seiner Zeit in Anspruch. Von den als Familienjuwelen bekannt gewordenen schmutzigen Geheimnissen wie MKultra und den von den Kennedys in Auftrag gegebenen etlichen Mordanschlägen auf Castro setzte allerdings niemand den amtierenden CIA-Chef ins Bild. Selbst Vizepräsident Lyndon B. Johnson war über dieses dunkle Kapitel im Unklaren gelassen worden.

Lyndon B. Johnson

Lyndon B. Johnson

Hatten die Spionage-begeisterten Kennedys sogar James Bond-Autor Ian Fleming gelegentlich nach Rat gefragt, so zeigte Nachfolger Lyndon B. Johnson kein Interesse an den Schlapphüten aus Langley. Erst ein halbes Jahr nach seinem Amtsantritt lud Johnson McCone 1964 zum Golfen ein und fragte ihn am 8.Abschlag, wie groß denn seine Behörde eigentlich sei. Johnson hatte bereits eine Woche nach Amtsantritt Kennedys befohlene Rückzugspläne aus Vietnam, wo die CIA mit Militärberatern gegen den Kommunismus agierte, revidiert. Als McCone im Weißen Haus seine pessimistische Einschätzung zum Vietnamkrieg äußerte, wurde er nicht mehr eingeladen. Willkommener waren Einschätzungen wie die von FBI-Chef Hoover, der Vietnamkrieg werde nicht zu Protesten an den Universitäten führen, es sei denn, bei Aufstachelung durch feindliche Agenten, woraufhin Johnson die illegale Inlandsüberwachung von Studenten durch FBI wie CIA intensivierte. McCone erhielt kein Feedback, ob der Präsident seine Memos las und wie er über sie dachte.

Red Raborn

Nachdem McCones zahlreichen Rücktrittsgesuche endlich 1965 Gehör fanden, entschied man sich für Admiral Red Raborn, dessen Engagement für die Polaris-Raten ihm eine lukrativen Job in der Rüstungsindustrie beschert hatte. Raborn lieferte rasch die gewünschten optimistischen Einschätzungen zum Vietnamkrieg – allerdings nur rein persönliche, dieden Erkenntnissen der CIA sogar direkt widersprachen. Schon 1966 wurde der Posten wieder vakant.

Richard Helms

Als neuen CIA-Chef setzte man den im Spionagegeschäft seit dem OSS erfahrene Spion Richard Helms ein, der mit den „Familienjuwelen“ wie etwa die Mordanschläge auf Castro, Diệm, Qasim und Lumumba befasst gewesen war.

Richard Nixon

Richard Nixon

Helms überlebte den Regierungswechsel von 1969, wurde jedoch von Richard Nixon faktisch kalt gestellt: Helms Memos stapelten sich ungelesen, bis Nixons Sicherheitsberater Henry Kissinger Helms wissen ließ, er werde künftig der alleinige Ansprechpartner sein. Nixon, der laut Helms jedem misstraute, hatte die CIA für seine frühere Wahlniederlage verantwortlich gemacht, weil er Dulles zu Unrecht unterstellt hatte, Herausforderer Kennedy über die geheimen Invasionspläne in der Schweinebucht informiert zu haben, woraufhin Kennedy die offizielle Tatenlosigkeit im Wahlkampf instrumentalisiert hätte.

Nixon und Kissinger ließen die CIA über ihre Verhandlungen mit den damaligen Hauptgegnern wie der Sowjetunion, China und Nordvietnam im Unklaren – soweit bekannt, hatte die CIA bis dahin nicht einen einzigen chinesischen Agenten geworben. Helms informierte Nixon über seine Einschätzung, die Sowjets hätten weder die Absicht, die USA anzugreifen, noch seien sie zu einem nuklearen Erstschlag technologisch in der Lage. Diese Meinung kollidierte jedoch mit Nixons Fantastereien über ein von ihm propagiertes Antiraketensystem. Widerwillig „korrigierte“ Helms „seine“ Einschätzung.

Die seit Gründung der CIA laufenden Programme wie die Finanzierung von Politikern in Westeuropa, Radiopropaganda in die Sowjetunion sowie Wahlbeeinflussung und Umstürze in blockfreien Saaten wie Thailand, Laos und Chile wurden fortgesetzt.

Nixon hatte für die CIA einen wichtigeren Auftrag: Das eigene Volk und seine direkte Umgebung auszuspähen, was trotz Verfassungswidrigkeit in Maßen bereits seine Vorgänger getan hatten. Helms sollte Nixons Verschwörungstheorie beweisen, die amerikanische Friedensbewegung sei von ausländischen Mächten gesteuert. Anhaltspunkte hierfür wurden nie gefunden.

Nixon bestellte auch den Direktor des Abhörgeheimdienstes NSA ein, um ihm das verfassungswidrige Abhören der eigenen Leute vorzuschlagen. Der NSA-Chef wies ihn höflich darauf hin, dass man genau das bereits seit 20 Jahren tat – so geheim, dass nicht einmal der Präsident davon wusste.

Um herauszufinden, wem Nixon vertrauen konnte, ließ er das Weiße Haus sowie Camp David mit modernster Technologie verwanzen – was ihm später zum Verhängnis werden sollte. Der Präsident platzierte eigene Leute in der CIA, die Helms kontrollieren und den eigenen Geheimdienst ausspionieren sollten. Einer von ihnen war der republikanische Wahlkampfspendensammler William Casey, dem Nixon den heimlichen Auftrag erteilt hatte, Helms zu sabotieren.

Der einstige Wahlverlierer Nixon hatte bereits 1964 geäußert, er hätte damals einen von der CIA unabhängigen Geheimdienst aufgezogen. Nach seinem verspäteten Einzug ins Weiße Haus baute er tatsächlich einen solch unabhängigen Mini-Geheimdienst: Um die Lecks gegenüber der Presse abzudichten, stellte Nixon eine Truppe „Klempner“ aus ehemaligen CIA-Leuten zusammen, unter anderem Exilkubanern. Nixon ließ den eigenen Sicherheitsrat mit Wanzen abhören, darunter sogar die Praxis eines Psychiaters, der eines der Mitglieder betreute. Als sich die Klempner bei einem Einbruch in die Wahlkampfzentrale des politischen Gegners im Watergate-Hotel erwischen ließen, bei dem es unter anderem um Schmiergelder für Nixon ging, verlangte der Präsident von Helms, er solle die Aktion als CIA-Operation deklarieren und den Kopf hinhalten. Helms, der nach der Meldung, ehemalige CIA-Leute seien bei einer illegalen Inlandsaktivität festgenommen worden, aus allen Wolken gefallen war, lehnte dankend ab – und musste gehen. Man lobte ihn auf einen Botschafterposten ausgerechnet nach Moskau weg, den Helms in einen solchen im Iran umwandeln konnte. „The man is a shit“ fluchte Helms über Nixon. “Get rid of the clowns” spottete Nixon über die CIA, deren 40.000 Leute dafür bezahlt würden, die Zeitung zu lesen. In weiser Voraussicht ließ Helms alles vernichten, was ihn später belasten könnte – fast alles.

James R. Schlesinger

Nach Nixons Wiederwahl wurde sein Vertrauter James Schlesinger 1973 neuer CIA-Direktor. Er entließ Hunderte von Analysten, was ihm ernstgenommene Morddrohungen einbrachte. Auf Betreiben seiner rechten Hand William Colby trennte man sich auch von Abwehrchef James Jesus Angleton, dessen paranoide Verschwörungstheorien über sowjetische Unterwanderung seine Abteilung gelähmt hatten. Über die Sowjetunion, Nordkorea und Nordvietnam wussten die amerikanischen Spione noch immer so gut wie nichts. Vom Sechs Tage-Krieg wurde die CIA völlig überrascht. Nixon hatte das entsprechend falsche Memo ohnehin nicht gelesen.

Nachdem der Watergate –Skandal immer tieferer Abgründe erkennen ließ, sah sich Schlesinger veranlasst, per Rundschreiben alle Mitarbeiter aufzufordern, ihn über dunkle Kapitel der Firmengeschichte zu informieren.

William Colby

Wie geplant, war die CIA für Schlesinger nur eine Durchgangsstation, die er nach nur sechs Monaten wieder verließ. Nach seinem Aufstieg zum Verteidigungsminister wurde William Colby neuer Häuptling. Colby hatte zuvor in Vietnam die berüchtigte Operation Phönix geleitet, bei der mindestens 20.000 Vietnamesen getötet worden waren, weil sie des Kommunismus „verdächtig“ waren. Hierzu soll die subversive Kunst des Lesens ausgereicht haben, die eine Anfälligkeit für Kommunismus indizierte. Zur Abschreckung hatte man den Leichen ein Pik Ass in den Mund gelegt. Eine von Colbys Leuten praktizierte Verhörmethode bestand im Abwurf bereits verhörter Gefangener aus Helikoptern, was die mitfliegenden Verhöropfer nicht unbeeindruckt ließ. Langfristig hatte sich das Mordprogramm nicht ausgezahlt: die Niederlage der CIA wurde durch den Fall von Saigon besiegelt, bei der die Agency ihre Leute unter dramatischen Umständen hatte evakuieren müssen.

Gerald Ford

Gerald Ford

Im Zuge des Watergate-Skandals war Nixon 1974 einem Amtsenthebungsverfahren durch Rücktritt zuvorgekommen und von Vizepräsident Ford beerbt worden. Während früher Vizepräsidenten über wichtige Staatsgeheimnisse im Unklaren gelassen worden waren, hatte Colby Ford auf dem Laufenden gehalten. Etwa über das Jennifer-Projekt, bei dem die CIA 400 Millionen Dollar buchstäblich bei dem Versuch versenkte, ein gesunkenes sowjetisches U-Boot zu bergen, was – soweit bekannt – nur teilweise glückte. Doch Ford wollte von der CIA nichts wissen, sodass der Chefspion den Präsidenten nur über Kissinger und General Norman Haig sprechen konnte.

Enthüllungsjournalist Seymour Hersh bekam Ende 1974 Wind von der CIA-Inlandsspionage gegen die Friedensbewegung, die Colby auf den gefeuerten Angleton schob. Nun befasste sich auch Ford mit den „Familienjuwelen“. Nachdem Justizminister Silberman auf Herausgabe von Akten insistierte und herausfand, dass Helms, der bei seiner Anhörung vor der Ernennung zum Botschafter im Iran u.a. über die Beteiligung der CIA am Putsch in Chile unter Eid gelogen hatte, ließ Ford seinen Vizepräsident Nelson Rockefeller und den damaligen Stabsbeamten Donald Rumsfeld wissen, dass entsprechende Enthüllungen die CIA zerstören würden. Helms wurde eingeflogen und musste Kissinger alles beichten. Als Ford hierdurch erstmals von den Mordprogrammen erfuhr, sah er seine einstige Arbeit für die Warren-Kommision in ganz anderem Licht. Rumsfeld schlug zur Schadensbegrenzung vor, statt einer juristischen Aufarbeitung eine politische Kommission einzusetzen und stellte die nach ihrem Vorsitzenden Vizepräsident Rockefeller benannte Kommission aus rechtsgerichteten Republikanern zusammen, darunter der kalifornische Ex-Gouverneur Ronald Reagan. Dem folgte eine breitere Untersuchung durch Senator Frank Churchs Komitee, dem prominente Demokraten wie Walter Mondale angehörten.

Ford entschied sich für eine bemerkenswerte PR-Strategie: Er lud den Herausgeber und ältere Redakteure der New York Times, in der etwa Hersh publizierte, und setzte diese ohne Not in Kenntnis der politischen CIA-Morde. Er malte ihnen aus, wie die Nation bei Enthüllung ihr Gesicht verlieren würde. Fords Rechnung ging auf: Die Presse machte von ihren Freiheiten keinen Gebrauch. Colby allerdings wurde der Vorwurf gemacht, der Presse mehr zu verraten, als es für einen Geheimdienstchef schicklich sei. Da er zu belastet war, musste er für die Regierung das Bauernopfer geben.

George Herbert Walker Bush

Als neuen Spymaster wählte Ford 1976 einen republikanischen Ölunternehmer, der sich erfolglos zur Wahl als Gouverneur gestellt hatte. Es handelte sich um den Sohn von Allen Dulles engem Freund Prescott Bush, jenes rechtsgerichteten Häuptlings der sagenumwobenen Geheimgesellschaft „Skull&Bones“: George Herbert Walker Bush. Die Wahl Bushs, der sowohl dem umstrittenen Rechtsaußenpolitiker Barry Goldwater als auch dem gestrauchelten Nixon Loyalität erwiesen hatte, stieß auf Ablehnung etwa von Senator Frank Church. Der Widerstand konnte jedoch durch Bushs Versprechen gebrochen werden, nicht für die Präsidentschaft oder Vizepräsidentschaft zu kandidieren. Für Bush war der Geheimdienst der schmutzigen Tricks genau das Richtige. Seine härtesten Kämpfe bestritt der Auslandsspionagechef an der heimischen Front: Bush stritt sich mit dem inzwischen erstmals zum Verteidigungsminister aufgestiegenen Rumsfeld um Budget und Kompetenzen. Rumsfeld selbst fühlte sich sogar von der CIA verfolgt. Unter Bushs Ägide engagierte sich die CIA im erdölreichen Angola des Diktators Mobuto, wohin er mit Kissinger den Kalten Krieg exportierte. Den von Moskau und Havanna unterstützten Gegnern kam jedoch der US-Kongress zugute, welcher der verdeckten Operation die finanziellen Mittel entzog. Politiker Bush verstand es, der moralisch angeschlagenen Agency ihren Stolz zurückzugeben. So weigerte er sich mannhaft, Fragen des Church-Komitees zu beantworten.

Da die CIA die militärische Stärke der Sowjets angeblich als zu harmlos einschätzte, installierte Ford außerhalb der Agency eine Gruppe rechtsgerichteter Personen um den Erfinder der „Raketenlücke“ General Daniel O. Gravitz, den Abrüstungsgegner Paul Wolfowitz und den CIA-Kritiker William Casey, Donald Rumsfeld und Richard Pearl. Dieses Team B lieferte Ford Informationen über die angeblich verdoppelte Anzahl von im Bau befindlichen Bombern und übertrieb das nukleare Potential dramatisch, obwohl die Sowjets ihre Militärausgaben gerade zurückfuhren. Team B orakelte von geheimen Wunderwaffen und gab die Verschwörungstheorie eines angeblich geplanten sowjetischen nuklearen Krieges aus. Bushs CIA, die trotz technologischem Aufwand wie Spionagesatelliten noch immer kein effizienter Nachrichtendienst geworden war, konnte bzw. wollte diese Einschätzungen nicht widerlegen, zumal die Sowjets die amerikanische Paranoia durch Übertreibungen ihrer Kampfkraft bedienten, etwa durch Raketen-Attrappen bei ihren Paraden. Die Horror-Szenarien von Team B stimulierten das Pentagon zur Erhöhung der Rüstungsausgaben. Nach dem Ende des Kalten Kriegs ergab eine Untersuchung, dass es nie eine Raketen- oder Bomberlücke gegeben hatte. Nicht eine einzige Behauptung der Märchenerzähler von Team B entsprach der Wahrheit. Die Illusionen über den scheinbar übermächtigen wie aggressiven Gegner hatten sich jedoch als brauchbar erwiesen, um einen auf dem Abstieg befindlichen Schauspieler namens Ronald Reagan zu profilieren.

Die Liaison zwischen der CIA und Bush wurde nach einem Jahr durch den Wahlsieg Howard Carters von 1977 beendet.

Jimmy Carter

Jimmy Carter

Stansfield Turner

Nach einigem Suchen übernahm Admiral Stansfield Turner die Leitung der in der öffentlichen Meinung noch immer angeschlagenen Behörde. Präsident Carter war ein Fan verdeckter Operationen, die er jedoch auch in den Dienst der Menschenrechte stellte. In Südafrika, wo die CIA bislang das Apartheid-System unterstützt hatte, konkurrierte man nun mit der Sowjetunion um die Gunst von Nelson Mandelas African National Congress. Turner entließ Hunderte an altgedienten CIA-Leuten, was Intrigen von solchen, die Helms und Bush zugeneigt waren, nach sich zog.

Auch Carter vermisste von der CIA Erkenntnisse, die er nicht genauso gut auch aus der Zeitung erfuhr. Wie seine Vorgänger verbrachte Turner die Zeit mit dem Warten auf seltene sowjetische Überläufer, die sich freiwillig anboten. Der Einmarsch der Sowjets in Afghanistan überraschte die CIA ebenso wie die Iranische Revolution. Als iranische Revolutionäre Personal in der US-Botschaft festsetzten, scheiterte die CIA mit ihrem Versuch einer gewaltsamen Befreiung bereits bei einer Zwischenlandung und lieferte damit weitere Geiseln. Das Drama kostete Carter die Wählergunst. Die Geiseln wurden einen Tag nach Carters verlorener Wahl freigelassen. Bis heute streiten sich Experten darüber, ob ein zwielichtiger republikanischer Wahlkämpfer namens Bill Casey bei diesem ungewöhnlichen Manöver seine Finger im Spiel hatte. Bei Turners Verabschiedungszeremonie blieben viele fern.

Ronald Reagan

Ronald Reagan

William J. Casey

Präsidentendarsteller Ronald Reagan kannte die CIA vorwiegend aus Filmen. Er berief 1981 seinen umtriebigen Wahlkämpfer William J. Casey auf den Chefsessel, den Gattin Nancy wegen dessen schlechten Manieren nicht am Kabinettstisch sehen wollte. Casey, der im Zweiten Weltkrieg Einsätze hinter der Front geleitet hatte, war ein glühender Bewunderer des rechtsgerichteten OSS-Gründers Wild Bill Donovan. Selbst Ford und Bush erschien der ungehobelte Haudegen Casey als die falsche Wahl. Bei der ersten Sitzung, in welcher Reagan über die Außenpolitik unterrichtet wurde, fragte der Präsident lediglich, ob die Herren noch einen Drink wünschten und ward für den Rest seiner Amtszeit nicht mehr gesehen. Großes Interesse zeigte jedoch der Vizepräsident: der ehemalige CIA-Direktor Bush.

Casey bekam freie Hand für alles, was geheim blieb. Verdeckte Operationen fanden fortan wieder in der ganzen Welt statt, insbesondere auch in Zentralamerika, sogar terroristische Programme gegen Kuba.

Die Geheimdienstpolitik bestimmte eine im Keller des Weißen Haus tagende Gruppe um Casey, Haig und den neuen Verteidigungsminister Caspar Weinberger. Casey schrieb die für das Weiße Haus vorgesehenen CIA-Berichte in seinem Sinne um; Bedenkenträger in der CIA hatten keine Chance. Wie früher wurde der Kongress über die wahren Ziele der CIA belogen, zur Not vom Präsidenten höchstpersönlich. Der ehemalige NSA-Direktor Bobby Inman, der Casey zur Seite gestellt worden war, kündigte, weil selbst er ständig von seinem Chef belogen wurde. Ebenso Nachfolger McMahon, der die illegale Waffenlieferungen an die verfeindeten Staaten Iran und Irak nicht mittragen wollte. Casey verjüngte und vergrößerte das Personal der CIA um 2000 Mitarbeiter und machte damit Nixons, Fords und Carters Einschnitte rückgängig. „Go kill Soviet soldiers“ war Caseys Ansage an die Agenten, die sich in Afghanistan engagierten. Heroin wurde ein gängiges Zahlungsmittel der CIA. Gegen Ende seiner Amtszeit hatte er die Größe der CIA nahezu verdoppelt und ihr einen eindrucksvollen Glaspalast hinterlassen.

Casey fand Wege, Geheimoperationen wie etwa die Bewaffnung der Mujaheddin am Kongress vorbei etwa durch andere Staaten zu finanzieren und von Partnerdiensten durchführen zu lassen – jenseits parlamentarischer Kontrolle. Eines der Projekte wurde als Iran-Contra-Skandal bekannt.

Casey schaffte es noch, einen Kongress-Ausschuss zu belügen, bevor er nach einem Nervenzusammenbruch motorisch gelähmt wurde und bald darauf verstarb – der CIA-Chef hatte mindestens ein Jahr unerkannt an einer lymphbedingten Geisteskrankheit gelitten. Auch sein Präsident Reagan, der seinerseits etwa Kommunismus als Geisteskrankheit zu bezeichnen pflegte, hatte in den letzten Jahren seiner Amtszeit Ausfälle gezeigt, die Jahre später als Symptome von Alzheimer diagnostiziert wurden. Zwar räumte Reagan ein, die Öffentlichkeit belogen zu haben, politisch jedoch lastete man die Fehltritte dem verstorbenen Casey und der CIA an, die sich naturgemäß nicht wehren konnten.

William Webster

Caseys rechte Hand Robert Gates übernahm zunächst kommissarisch die Führung, erschien jedoch wegen seiner Nähe zu seinem kontroversen Ex-Chef als moralisch ungeeignet. (Heute ist er amtierender Verteidigungsminister.) Als neuen Behördenleiter wählte man 1987 einen der Reagan-Kumpanei unverdächtigen Mann: Der ehemalige Richter und langjährige Chef der mit der CIA traditionell rivalisierenden Bundespolizei FBI William Webster, der nie mit dem Präsidenten zu tun gehabt hatte und sich Carters Politik näher fühlte.

Webster konstatierte, dass in der CIA die rechte Hand nicht wusste, was die linke tat. Viele Berichte über Missstände waren von seinen Vorgängern kommentarlos abgeheftete worden. Den Stationschefs im Ausland hatte man nahezu freie Hand gelassen. Der Jurist Webster wollte illegale Operationen nicht mittragen, was jedoch dem täglichen Geschäft der CIA entsprach. Mit der Demission des Bush-Vertrauten Duane Clarridge, eines langgedienten Täuschungskünstlers, der sich um das Belügen des Kongresses verdient gemacht hatte, verließen eine Reihe ähnlicher Gestalten die CIA.

In Websters Amtszeit fiel der auf Verrat beruhende Verlust der wenigen Quellen in der Sowjetunion, sowie die Erkenntnis, dass alle kubanischen Informanten Doppelagenten waren. Brauchbare Informationen etwa für die Abrüstungsverhandlungen lieferte nur die von der NSA und dem Pentagon betriebene Signalspionage, vornehmlich die Satellitenbilder. Während viele verdeckte Operationen beendet wurden, intensivierte die CIA ihr Engagement in Afghanistan, wo man zwar die Sowjets letztlich vertrieb, dafür aber hochgerüstete Warlords, Fundamentalisten und die größte Heroinproduktion der Welt hinterließ.

George Herbert Walker Bush

George Herbert Walker Bush

Als der ehemalige CIA-Chef Bush ab 1989 das Präsidentenamt bekleidete, umging er Webster, indem er ihn aus seinen Kreisen heraushielt und Berichte direkt von CIA-Leuten anforderte. Bush dirigierte persönlich die verdeckten Operationen gegen den Ex-CIA Partner General Manuel Noriega in Panama und beschwerte sich bei Webster, dass die besten seiner Informationen hierüber aus dem Fernsehen kämen. Stattdessen hielt sich Bush an den CIA-Kritiker Verteidigungsminister Richard Cheney, der Noriega militärisch festnahm.

Die CIA verlor durch eigene Unvorsichtigkeit ihr Netzwerk im Iran. Im von Rumsfeld hochgerüsteten Irak verfügte sie praktisch über gar keine Informationsquellen, abgesehen vom langjährigen CIA-Partner Saddam Hussein. Als Webster Bush Satellitenaufnahmen über den Aufmarsch von Husseins Republikanischer Garde an der Kuwaitischen Grenze zeigte und weitere CIA-Leute vor einer Invasion warnten, zog es Bush vor, den ägyptischen Präsidenten sowie die Könige in Jordanien, Saudi Arabien und Kuwait anzurufen, die Entwarnung gaben. Ausnahmsweise hatte die CIA richtig gelegen. Im nun folgenden Irakkrieg vermochte die CIA kaum zuverlässige Informationen zu liefern. Den Tiefpunkt markierte ein von der CIA vorgeschlagenes „militärisches“ Ziel, bei dem es sich in Wirklichkeit um einen Bunker mit Hunderten an Zivilisten handelte, was die öffentliche Meinung auch in den USA entscheidend beeinflusste. Als die CIA General Norman Schwartzkopfs optimistischer (wie unzutreffender) Interpretation militärischer Erfolge widersprach, wurde sie kurzerhand von der Luftbildauswertung abgezogen und stand im Dunkeln. Hatte die CIA bislang Zivilisten wie Politikern zugearbeitet, bediente sie nun Anfragen des Militärs. Nach dem Ende von Desert Storm stellte sich heraus, dass die größte an der Entwicklung von Atombomben beteiligte Anlage gar nicht identifiziert und bombardiert worden war. Erwartungen, durch Propaganda-Kampagnen den Sturz des Diktators herbeiführen zu können, erwiesen sich als unrealistisch.

Lange hatten sich die Analysten von der russischen Propaganda über die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft und das militärische Potential täuschen lassen. Als Gorbatschow ankündigte, die Rote Armee drastisch zu reduzieren und der wirtschaftliche Kollaps der Sowjetunion bekannt wurde, musste die CIA erneut ihre völlige Fehleinschätzung eingestehen. Schlimmer noch: Sie hatte ihren so erfolgreich dämonisierten Feind verloren, und damit ihre eigentliche Existenzberechtigung.

Robert Gates

Bush berief 1991 schließlich doch den wegen seiner Nähe zu Caseys illegalen Geheimkriegen umstrittenen Robert Gates. Dessen CIA befand sich in einer ähnlichen Lage wie die zerfallende Sowjetunion. Bush entschied sich für eine Verkleinerung; selbst der ehemalige CIA-Chef Colby sprach sich öffentlich dafür aus, die Mittel für die CIA besser für Schulen und das Gesundheitssystem zu verwenden. Gates propagierte als Ersatz für die weggefallene Sowjetunion die Bekämpfung des Drogenhandels und des Terrorismus. Der Regierungswechsel beendete sein Gastspiel.

William Clinton

William Clinton

R. James Woolsey jr.

Bill Clinton hatte vor seinem Amtsantritt 1993 kein erkennbares Interesse an Außenpolitik gezeigt und maß ihr auch als Präsident keine Priorität bei. Clinton, dem die Geheimdienste seit seiner Studienzeit aufgrund von Inlandsspionageoperationen wie COINTELPRO suspekt waren, entließ seine CIA-Berater. Er kürte den für seinen Wortwitz bekannten Navy-Mann R. James Woolsey jr., der während der Nixon-Ära für die CIA gearbeitet hatte, zum neuen Spymaster. In den ersten beiden Jahren seiner Amtszeit traf Clinton den CIA-Chef gerade zwei mal. Als kurz nach Clintons Amtsantritt ein Amokschütze vor der CIA-Zentrale Mitarbeiter niederschoss, ließ sich Clinton nicht einmal bei der Trauerfeier sehen. Angeforderte Pläne für verdeckte Operationen resultierten in Fehlschlägen, weshalb sich Clinton fortan lieber gleich ans Pentagon wandte. Als die Tragödie in Somalia begann, wussten Pentagon und CIA nichts über die dortigen Verhältnisse zu berichten. Das Engagement in Somalia wurde nach einer prestigefeindlichen Katastrophe abgebrochen und schürte das Misstrauen in die Leistungsfähigkeit der amerikanischen Schlapphüte.

Einen vereitelten angeblich irakischen Mordanschlag auf Ex-Präsident Bush ließ Clinton zum Ärger von Woolsey mit einem sinnlosen Raketenangriff auf ein Gebäude in Bagdad vergelten, bei dem Zivilisten getötet wurden. Clinton wollte auf Haiti Jean Betrand Aristide unterstützen, ohne zu wissen, dass die herrschende Militärjunta aus CIA-Agenten bestand, die es nun zu entmachten galt. Als nächstes ignorierte Clinton die CIA-Warnung vor einem Völkermord in Ruanda.

Hatte Präsident Bush zuvor die Moral gehoben, indem er den CIA-Leuten Status vermittelte, etwa zu Weihnachtsfeiern ins Weiße Haus einlud und reges Interesse an ihrer Arbeit bewies, so scherte sich Clinton in keiner Weise um die CIA. Viele gekränkte Veteranen verließen die Agency. Interesse an Langley hatte stattdessen der langjährige Gegner gezeigt: Die Behörde verlor ihr Gesicht durch die peinliche Enttarnung von hochrangigen Maulwürfen wie Aldrich Ames, was zu dem Schluss führte, dass die meisten „Quellen“ in der früheren Sowjetunion Doppelagenten des KGB waren. Eine Kommission, der Rechtskonservative wie Wolfowitz sowie der frühere CIA-Mann Porter Goss angehörten, gab der CIA den Rest. Ende 1994 trat Woolsey zurück.

John Deutch

Nachdem der seit drei Jahrzehnten in Sicherheitskreisen erfahrene John Deutch seinem Präsidenten vergeblich einen Nachfolger für den Schleudersitz gesucht hatte, bezog er widerwillig schließlich selbst den Posten im demoralisierten Langley. Trotz modernster Spionagesatelliten entdeckte die CIA den Massenmord von Srebrenica erst etliche Wochen später. In Frankreich wurde eine CIA-Agentin bei Wirtschaftsspionage erwischt und geräuschvoll ausgewiesen. Da in Zentralamerika CIA-Leute die Politik der Regierung Clinton konterkarierten und stattdessen ihre rechtsgerichteten Kontaktleute etwa in Guatemala unterstützten, sah sich Deutch zu Versetzungen veranlasst.

Auf Befehl Clintons arbeitete die CIA jahrelang daran, einen militärischen Staatsstreich gegen Saddam Hussein zu unterstützen. Der aufgeflogene Plan endete mit Massenexekutionen. Deutch machte sich unbeliebt, als er dem Kongress mitteilte, die CIA werde das Problem mit Hussein niemals lösen können. Nach Clintons Wiederwahl gab der Präsident Deutch den Laufpass, konnte jedoch zunächst keinen Nachfolger durchsetzen.

George Tenet

George Tenet rückte 1997zum Chef auf und trat an, die CIA neu aufzubauen. Tenet machte beträchtliche finanzielle Mittel locker, rief namhafte Leute aus dem Ruhestand zurück und bemühte sich um neues Personal. Bislang waren Bewerber wegen schlechter Englischkenntnisse abgelehnt worden, sodass die CIA kaum über Leute verfügte, welche die Sprache ihrer Feinde verstanden, etwa arabisch oder koreanisch.

Unter Tenet machte sich die CIA erneut einen Namen für schlechte Auswahl von Bombardierungszielen: Im Jugoslawienkrieg bemühte die CIA Stadtkarten für Touristen als Informationsquellen. Sie schlug Clinton zur Bombardierung ein Haus vor, das sich hinterher als die chinesische Botschaft herausstellte, welche Todesopfer zu beklagen hatte. Nach den Anschlägen auf die Botschaften in Kenia und Tansania wurde endlich ein wegen Hussein zurückgestelltes Problem in Angriff genommen: Der ehemalige CIA-Partner Osama bin Laden. Auch hier empfahl die CIA als Bombenziel auf sehr vager Informationsquelle eine angebliche Giftgasfabrik im Sudan, die tatsächlich nur pharmazeutische Produkte herstellte. Obwohl die CIA später bis auf 50 m mehrfach genau über bin Ladens Position informiert war, zögerte Tenet, den zum Abschuss freigegeben durch Predator-Dronen zu liquidieren, da er keine falsche Zielauswahl mehr riskieren wollte.

Seine CIA wurde vom Atombombentest Indiens genauso überrascht wie kurz darauf von dem Pakistans.

Bereits 1998 warnte Tenet davor, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis bin Laden auf US-Boden zuschlagen werde. Zu den gängigen Szenarien gehörten unter anderem Anschläge mit Flugzeugen. 1999 benannte Tenet das CIA-Hauptquartier in George Bush Center for Intelligence um.

George Walker Bush

George Walker Bush

Der neue Präsident George W. Bush beließ Tenet, der sich um den Wiederaufbau der am Boden gelegenen Behörde verdient gemacht hatte, 2000 auf seinem Posten. Beinahe täglich unterrichtete Tenet bzw. sein Stellvertreter John McLaughlin Bush persönlich über die Sicherheitslage. Im Pentagon hatte CIA-Skeptiker Donald Rumsfeld erneut Platz genommen, während CIA-Kritiker Cheny als Vizepräsident agierte.

Nach den Anschlägen vom 11.September 2001 geriet die mangelnde Effizienz der CIA erneut in die Schusslinie. Die Suche nach bin Laden verlief ergebnislos. Ein zur High Tech-Festung hochgeschriebenes Höhlensystem bei Tora Bora verfügte nicht einmal über elektrisches Licht. Afghanische Warlords, die Tenet persönlich in Washington hofiert hatte, wandten sich gegen die USA. Wie wenig die CIA-Zentrale vom Nahen Osten verstand, dokumentierte der bislang in der Region führende Ex-CIA-Agent Robert Baer in seiner Biographie.

Den Tiefpunkt von Tenets Karriere bildete die Affäre um den Märchenerzähler Curveball: Ein irakischer Asylbewerber hatte sich Vorteile bei den deutschen Behörden erhofft, indem er „Hinweise“ über die von den USA und der UNO vergeblich gesuchten irakischen Massenvernichtungswaffen geben könne. Seine Geschichten aus Tausend und einer Nacht über „rollende Labors“ glaubten weder der Bundesnachrichtendienst so recht, noch der CIA-Chef für Westeuropa Tyler Drumheller. Obwohl die CIA eine hochrangige irakische Quelle hatte, welche den Besitz von Massenvernichtungswaffen ausschloss, betrachtete das Weiße Haus die ungeprüfte Information zur als durch „harte Beweise gestützt“. Hatte Drumheller persönlich auch die „rollenden Labors“ aus einer für den populären Außenminister Colin Powell vorbereiteten Rede gestrichen, so fand das Gerücht dennoch Eingang in Powells berühmt gewordene Rede vor der UNO. Zwar erzielte die Rede in den USA den gewünschten Erfolg, bei der UNO hatte man jedoch noch vom ersten Golfkrieg her Krankenschwester Nayirah, die keine war, in bester Erinnerung.

Im Irak verließ sich das Militär mehrfach auf CIA-Informationen über die angebliche Position von Hussein, den es vergeblich mit Cruise Missiles jagte. Die Berichte über die CIA-Foltermethoden etwa in Abu Ghraib zeigten der Welt abermals das hässliche Gesicht der Nation, welche als erste die Menschenrechte in der Verfassung proklamiert hatte. Als sich auch nach dem Krieg die „Massenvernichtungswaffen“ nicht finden lassen wollten, sollte Tenet das Bauernopfer geben.

Ein Kongressausschuss unter Federführung des rechtskonservativen früheren CIA-Manns Porter Goss untersuchte das Versagen der CIA vor dem 11.September. Goss und seine „Gosslinge“ genannten Leute besuchten allerhand CIA-Stationen und fertigten Listen über als politisch nicht zuverlässig bewertete Mitarbeiter. Die Regierung Bush befürchtete Indiskretionen aus CIA-Kreisen, welche der anstehenden Wiederwahl schaden könnten, etwa solche über Bushs Zeit bei der Nationalgarde. Goss´ Listen schürten ein Klima der Verschwörung, in dem sich karrierebewusste CIA-Leute gut überlegten, wessen Kollegen Party sie besuchten. Das Weiße Haus steckte einem konservativen Journalisten, dass die Frau eines Botschafters, der sich als prominenter Gegner des Irakkriegs einen Namen gemacht hatte, CIA-Agentin war, um dessen Glaubwürdigkeit zu erschüttern. Der CIA-Chef für Westeuropa, Tyler Drumheller beschrieb die gespannte Atmosphäre in seinem Enthüllungsbuch als „Krieg zwischen der CIA und dem Weißen Haus“.

Mitte 2004 trat Tenet schließlich zurück. Seinen Frust verarbeitete Tenet ebenfalls in einem Buch.

John E. McLaughlin

Der Stellvertreter des bei seinen Leuten beliebten Tenet John E. McLaughlin übernahm kommissarisch bis zur anstehenden Präsidentschaftswahl die Leitung und berichtete Bush beinahe täglich. Der begeisterte Amateurzauberkünstler, der in der Agency als „Merlin“ bekannt war, entzückte die Presse mit Kunststückchen. Die Zeit der Tricks und Illusionen, die man ansonsten mit der CIA verband, war jedoch vorbei. Nach der Wiederwahl Bushs nahm auch McLaughlin seinen (Zauber-)Hut.

Porter Goss

Wie befürchtet, berief Bush den lautesten Kritiker der als bürokratisch verschrieenen CIA zum neuen Direktor. Der rechtskonservative Porter Goss hatte noch unter Dulles, McCone und Helms gedient, war 1962 für Kommandoaktionen gegen Kuba verantwortlich gewesen, hatte es nach seinem Ausscheiden zum Multimillionär gebracht und war während einer politischen Karriere in hohe Kreise der Geheimdienstwelt zurückgekehrt. Goss, der als der politischste aller CIA-Direktoren beschrieben wurde, führte eine Säuberungsaktion durch, mit der er „liberal“ eingestellte CIA-Leute wie altgediente, die ihm nutzlos erschienen, aus der Agency entfernte und zu unbedingter Loyalität zum Präsidenten aufrief. Schlüsselpositionen wurden mit „Gosslingen“ besetzt. Erneut verlor die CIA einen Großteil ihres Gedächtnisses.

Der Hass, den Goss innerhalb der CIA-Gemeinde heraufbeschwor, entlud sich in öffentlicher Kritik am Behördenleiter. Die unter Webster beendete illegale Inlandsaufklärung wurde unter Verwendung der technologisch nahezu allmächtigen NSA heimlich wiederaufgenommen. Die Befürchtungen der 40er Jahre, die US-Regierung wolle eine Art amerikanische GeStaPo aufbauen, riefen sich manchen in Erinnerung.

Wie alle seiner Vorgänger beklagte Goss, dass es einfach keine guten Leute gäbe, die man rekrutieren konnte. Weder gute Feldagenten, noch fähige Analysten. Über das koreanische und das iranische Atomprogramm besaß die CIA keine harten Informationen. Die Regierung Bush nahm endlich ein bereits seit etlichen Jahrzehnten diskutiertes Projekt in Angriff, in dem es einen Oberhäuptling für die inzwischen 15 rivalisierenden US-Geheimdienste installierte. Zwar hatte der CIA-Chef traditionell automatisch auch den Vorsitz eines entsprechenden Komitees geführt, jedoch praktisch nur auf dem Papier. Zu seiner Überraschung wurde Goss bei der Wahl zum Director of National Intelligence übergangen. Stattdessen berücksichtigte man den in Sachen Menschenrechtsverletzung und Todesschwadronen seit den Tagen der Reagan-Administration erfahrene John Negroponte wurde zum Zaren der amerikanischen Geheimdienstwelt.

Der noch von Goss selbst initiierte Kommissionsbericht über die Leistungsfähigkeit der CIA fiel verheerend aus und führte 2005 zur Gründung eines neuen Geheimdienstes für die Aufklärung mittels Spionen und Geheimoperationen, dem National Clandestine Service, welcher der CIA berichtspflichtig ist.

Überraschend verließ Goss die CIA bereits Mitte 2006. Eine Woche später filzte das FBI das Büro von „Ethics Guy“ Kyle "Dusty" Foggo, dem dritthöchsten Mann der CIA, dem derzeit wegen des Vorwurfs von Betrug, Verschwörung und Geldwäsche der Prozess gemacht wird. Am gleichen Tag wurde ein CIA-Partner wegen Totschlags an einem Afghanischen Gefangenen verurteilt, der sich freiwillig zu einem Verhör gestellt hatte – ein Fall, der die arabische Welt in ihrer Sicht auf die USA erneut bestätigte. Ein italienisches Gericht suchte CIA-Agenten, die auf italienischem Boden Entführungen durchgeführt hatten; ein deutsches interessierte sich für den Fall des aufgrund einer Verwechslung verschleppten Deutsch-Libanesen Khaled el-Masri; die kanadische Regierung entschädigte einen irrtümlich von der CIA zehn Monate inhaftierten Kanadier.

Michael Hayden

So reich die Geschichte der anrüchigen CIA an Skandalen ist, so glanzvoll hatte sich der National Security Agency (NSA) entwickelt, dem personell größten Geheindienst der Welt. Zwar war die Existenz Behörde selbst bis in die 90er Jahre ein Staatsgeheimnis gewesen, doch der Ruf des amerikanischen Abhörgeheimdienstes, dessen Geschichte durch James Bamfords Enthüllungsbücher nunmehr halbwegs dokumentiert ist, ist so legendär wie beängstigend. Als Hollywood die unheimliche Behörde zum Thema des Blockbusters Staatsfeind Nummer Eins machte, hatte der NSA-Direktor Michael Hayden den Drehbuchautoren sowie der Presse zur Vertrauensbildung einen Einblick in die Behörde gewährt. Hayden hatte es zu verantworten, dass die NSA die eigenen Bürger belauschte und damit die Verfassung brach.

Der aktive General und bisher am längsten amtierende NSA-Chef Hayden war bereits als Vizedirektor der National Intelligence in die CIA eingebunden und wechselte 2006 unter großspurigem Getöne in die Leitung des Spionageclubs von Langley, für den er 2007 zum 60-jährigen Bestehen um Vertrauen durch Freigabe von Akten werben wollte. Ohne fähiges Personal vermochte jedoch auch Hayden keine brauchbaren Informationen über die irakische Widerstandsbewegung zu liefern. Nachdem der fünfte CIA-Stationschef in Bagdad verschlissen war, orientierte sich das Weiße Haus wieder am Pentagon oder hielt sich an die boomenden privaten Sicherheitsfirmen im Irak. Viele frühere CIA-Leute waren von solchen privaten Sicherheitsfirmen, die niemandem Rechenschaft schulden, abgeworben worden. Ein Berater solcher Sicherheitsfirmen, Amiral a.D. Mike McConnel, war nun zum Director of National Intelligence aufgestiegen. Die nach dem 11.September boomende Rüstungsindustrie hatte nunmehr die Staatsverwaltung gleichermaßen umgangen wie durchdrungen, wie es Eisenhower in seiner berühmt gewordenen Abschiedsrede vorausgesehen hatte. In dem Konglomerat „Carlyle Group“, dem führende Rüstungsfirmen gehörten, finden sich die Namen vieler ehemaliger Spitzenpolitiker, Militärs und CIA-Leute wieder, etwa der des Präsidentenvaters. Haydens neueste Konkurrenz formierte sich Anfang 2007 als „Total Intel“, gegründet von hochrangigen Ex-CIA-Leuten.

Haydens CIA hat heute die Funktion, junge Leute auszubilden, bis diese sich dem brain drain in die Privatwirtschaft anschließen.

Schon Nixon pflegte sich über das Ausland aus der Zeitung zu informieren, Reagan kannte es nur aus dem Kino, Clinton von CNN. Wie man sich als CIA-Chef beim direkten Dienstherrn im Weißen Haus Gehör verschafft bzw. gegen Einflüsterer durchsetzt, gehört wohl zu den vielen Geheimnissen, die der CIA verborgen blieben und bleiben werden. In Sachen Iran soll es der CIA trotz sechs Briefings pro Woche nicht gelungen laut Bush sein, ihre Einschätzung über den Iran zu vermitteln. Vielleicht lag es ja am Verlust der enttarnten CIA-Agentin Valerie Plame, die an der Iran-Frage gearbeitet hatte – enttarnt vom Weißen Haus.