Hat die westliche Entkopplungsoffensive Chinas globalem Einfluss geschadet?
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EU und USA zeigen China zunehmend die kalte Schulter. Leidet Beijings Wirtschaft darunter? Büßt das Reich der Mitte gar seine Stellung in der Welt ein? Gastbeitrag.
Der zehnte Jahrestag der "Neue-Seidenstraße"-Initiative (BRI) am 18. Oktober 2023 in Beijing (Peking) wurde von dem üblichen Lächeln und Händeschütteln begleitet. Doch Chinas Wirtschaftslandschaft, die von robusten Lieferkettennetzwerken abhängig ist, steht vor turbulenten Zeiten.
Der von den USA angeführte Handelskrieg hatte die chinesische Industrie und die Lieferströme bereits gestört, bevor die Covid-19-Pandemie zu einem weiteren Rückstau in den Häfen führte und die Unterbrechungen noch verschärfte. In der Zwischenzeit hat die Biden-Administration die Maßnahmen zur Beschränkung des Zugangs Chinas zum US-Markt und zu Technologien weiter ausgebaut, einschließlich neuer Beschränkungen für die Ausfuhr moderner Chips, die nur einen Tag vor dem BRI-Gipfel angekündigt wurden.
Auch die ausländischen Direktinvestitionen in China sind im Jahr 2022 um 43 Prozent eingebrochen, während die Vereinigten Staaten ihre Verbündeten dazu gebracht haben, ihre wirtschaftliche Zusammenarbeit mit China einzuschränken. So kündigte Italien, das sich 2019 Chinas BRI anschloss, seinen Rückzug aus dem Projekt im April 2023 an.
Unterdessen haben die Niederlande im März begonnen, Beschränkungen für Halbleiterexporte nach China zu verhängen. Die Verhaftung von zwei kanadischen Geschäftsleuten im Jahr 2018, die weithin als Vergeltungsmaßnahme für die Verhaftung von Huawei-Finanzvorstand Meng Wanzhou durch Kanada auf Ersuchen Washingtons angesehen wird, hat ausländische Führungskräfte zunehmend zögern lassen, nach China zu reisen.
Die größte Sorge Beijings ist jedoch die Bedrohung für Chinas verarbeitendes Gewerbe und das exportorientierte Wirtschaftsmodell, das Chinas Wachstum während des größten Teils des 21. Jahrhunderts angetrieben hat. In der ersten Hälfte des Jahres 2023 lag der Anteil Chinas an den US-Warenimporten bei 13,3 Prozent, ein Rückgang gegenüber 21,6 Prozent im Jahr 2017, was den niedrigsten Wert seit 2003 darstellt.
Ein Teil dieses Rückgangs kann auf die "Reshoring"-Politik zurückgeführt werden, die amerikanische Unternehmen dazu ermutigt, Fabriken in den USA zu errichten, wobei auch europäische Unternehmen die lokale Fertigung unterstützen.
Initiativen zur wirtschaftlichen Entkopplung haben westliche Unternehmen auch dazu veranlasst, Produktionsinfrastrukturen in befreundeten oder nahe gelegenen Ländern aufzubauen, was oft als Nearshoring oder Friendshoring bezeichnet wird. Länder wie Vietnam, Malaysia, Taiwan, Indonesien, Indien, Mexiko und andere buhlen um die Aufmerksamkeit westlicher Unternehmen und bieten Subventionen, Steuervergünstigungen und andere Anreize. Das neueste iPhone wurde zum Beispiel in Indien zusammengebaut, während mehr als die Hälfte der Nike-Schuhe in Vietnam hergestellt werden.
Laut der Bank of America ist es jedoch Mexiko, das am meisten von dieser "einmaligen Gelegenheit" profitieren wird. Die Nähe zu den USA und das Freihandelsabkommen USMCA mit den USA und Kanada haben amerikanische Unternehmen dazu veranlasst, ihre Produktion in Mexiko zu erhöhen. In Verbindung mit der zunehmenden Automatisierung des US-Fertigungssektors haben diese Entwicklungen eine Debatte darüber ausgelöst, ob Chinas "Höhepunkt der Fertigung" bereits überschritten ist.
Dennoch bleibt Chinas Dominanz in der verarbeitenden Industrie als "Fabrik der Welt" stabil genug, um seine Wirtschaft zu stützen. Sein Anteil an der weltweiten verarbeitenden Industrie stieg sogar von 26 Prozent im Jahr 2017 auf 31 Prozent im Jahr 2021 (unterstützt durch den weltweiten Rückgang der verarbeitenden Industrie in den Jahren vor und während der Covid-19-Pandemie), während Indien, Mexiko und Vietnam nur drei Prozent, 1,5 Prozent bzw. 0,6 Prozent beisteuerten.
Chinas Anteil an den weltweiten Exporten von Industrieerzeugnissen stieg im gleichen Zeitraum wertmäßig von 17 auf 21 Prozent, und trotz einiger Rückgänge im bilateralen Warenverkehr erreichte der Handel zwischen den USA und China im Jahr 2022 ein Rekordhoch.
Chinas Widerstandsfähigkeit gegenüber globalen Veränderungen in der Lieferkette kann man auf strategische Infrastrukturinvestitionen zurückführen, die seine Produktions- und Exporttätigkeit rationalisiert haben. Effiziente Häfen, ausgedehnte Autobahnen, zuverlässige Schienensysteme, gut etablierte Industrieparks, eine stabile Regierungsführung, eine große Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter und andere Faktoren heben China von potenziellen Konkurrenten ab.
Obwohl der Wert des verarbeitenden Gewerbes in den USA gestiegen ist und in den letzten zwei Jahren beispielsweise 800.000 Arbeitsplätze dort geschaffen wurden, hat das nicht mit dem Beschäftigungswachstum in anderen Branchen Schritt gehalten. Der Anteil des verarbeitenden Gewerbes am BIP der USA ist weiter gesunken.