Haushalt 2024: Ampel beschließt strikten Sparkurs
Schuldenbremse soll eingehalten werden, Ukraine-Hilfen will die Regierung aus dem Regelhaushalt stemmen. Wo dafür gekürzt werden soll.
Einen "Nervenkrieg" wollte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) beim gemeinsamen Pressestatement mit Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) an diesem Dienstag nicht bestätigen: Vertrauensvoll und konstruktiv sind die Gespräche in der vergangenen Nacht nach Aussage des Kanzlers gelaufen.
Die Parteien der Ampel-Koalition haben sich im Haushaltsstreit geeinigt, die Schuldenbremse im kommenden Jahr einzuhalten und die Ukraine-Hilfen aus dem Regelhaushalt zu bezahlen – darunter acht Milliarden Euro für Waffenlieferungen, Finanzhilfen für den ukrainischen Haushalt und absehbar mehr als sechs Milliarden zur Unterstützung ukrainischer Flüchtlinge in Deutschland.
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Was der Debatte um die Schuldenbremse fehlt
Um dennoch das Milliarden-Loch zu schließen, das durch das Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts im vergangenen Monat entstanden ist, will die Bundesregierung sowohl beim Klima- und Transformationsfonds (KTF) als auch im sozialen Bereich kürzen.
Weniger Geld für Solarindustrie – auch wenn es "weh tut"
Wegfallen würden unter anderem Fördergelder für die Solarindustrie – Habeck hob hervor, dies tue ihm "weh" – und der bisherige Bürgergeld-Bonus für Erwerbslose, die sich weiterbilden.
Auf der anderen Seite sollen klimafreundliche Einnahmequellen erschlossen werden – etwa durch eine Kerosinsteuer für innerdeutsche Flüge, einen höheren CO2-Preis und eine Abgabe für die Hersteller von Plastikprodukten.
Die KTF-Ausgaben sollen allein im nächsten Jahr um zwölf Milliarden Euro gekürzt werden, bis 2027 insgesamt um 45 Milliarden Euro.
FDP als Gewinner bei "faulem Kompromiss"
Kritik gibt es von mehreren Seiten. Die Einigung sei "ein fauler Kompromiss, mit dem die Bundesregierung die Probleme lediglich in die Zukunft verschiebt", erklärte im Anschluss der Ökonom Marcel Fratzscher, der das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) leitet.
Die FDP ist der große Gewinner dieser Einigung, denn sie konnte ihre beiden roten Linien – Einhaltung der Schuldenbremse und keine stärkere Belastung, sondern Entlastung vor allem für Spitzenverdienende – durchsetzen, wohingegen SPD und Grüne bei Investitionen, Klimaschutz und Sozialleistungen Abstriche machen müssen.
DIW-Präsident Marcel Fratzscher
"SPD, FDP und Grüne schieben den Klimaschutz nur vor, um der Bevölkerung noch stärker in die Tasche zu greifen", kommentierte die Bundestagsabgeordnete Amira Mohamed Ali (Bündnis Sahra Wagenknecht) die Erhöhung des CO2-Preises von 30 auf 45 Euro, statt wie bisher geplant auf 40 Euro pro Tonne zum 1. Januar.
Juso-Chef kritisiert Wegfall von Bürgergeld-Bonus
Manche der geplanten Sparmaßnahmen werden auch innerhalb der Ampel-Parteien oder von deren Nachwuchsorganisationen kritisiert. Dass zum Beispiel der Bürgergeld-Bonus für die Teilnahme Weiterbildungsmaßnahmen wegfallen soll, hält Juso-Chef Philipp Türmer für falsch: Gerade im wirtschaftlichen Umbruch sei Weiterqualifizierung "unglaublich wichtig", schreibt er auf der Plattform X.
Statt der monatlichen Bonuszahlung von 75 Euro für Weiterbildungswillige sollen die Sanktionen beim Bezug der Lohnersatzleistung verschärft werden. "Statt auf positive Anreize wird auf Druck gesetzt. Genau das, was wir anders machen wollten als bei Hartz IV", kritisiert Türmer. Insgesamt sollen die Sozialausgaben 2024 um 1,5 Milliarden Euro gekürzt werden.
Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) wirft den Ampel-Parteien vor, Einigkeit zu simulieren und nur ihr Gesicht wahren zu wollen, während "unverzichtbare Investitionen" genauso auf der Strecke blieben wie eine langfristige Lösung für zukünftige Haushalte.
Steigende Strompreise erwartet
Nach wochenlangem Ringen gibt es nun endlich eine Lösung, die vor allem beweisen soll, dass die Regierung handlungsfähig ist. Dafür wird gespart an allen Ecken und Enden, eine Notlage soll es nicht geben. Problematisch ist, dass der geplante Zuschuss zu Netzentgelten wegfallen soll, was den Strompreis nach oben treiben dürfte.
Das bedeutet eine spürbare Belastung auch für Unternehmen und schränkt den Energiekostenkompromiss aus dem November auch gleich wieder ein.
Institut der Deutschen Wirtschaft (IW)
Die Frage müsse lauten, warum die Regierung nicht schon vor dem Urteil "bei zweifelhaften Ausgaben den Rotstift angesetzt" habe, heißt es in der Stellungnahme von IW-Direktor Michael Hüther und Tobias Hentze (Bereichsleiter Staat, Steuern und Soziale Sicherung).
Prognose: Das BIP wird schrumpfen
Wenn sie nun kurzfristig spare, werde dies Effekte auf die gesamte Wirtschaft haben: "Nach aktuellen IW-Berechnungen schrumpft das Bruttoinlandsprodukt im kommenden Jahr um ein halbes Prozent, wenn Staatsausgaben in Höhe von 20 Milliarden Euro wegfallen."
Um den Umbau der Wirtschaft in Richtung Klimaneutralität zu bewerkstelligen, geben die IW-Ökonomen zwei klare Empfehlungen ab: Einen Fonds analog zum Sondervermögen für die Bundeswehr "und eine Reform der nahezu heiligen Schuldenbremse".
Nur so könne die Ampel über das Jahr 2024 hinaus handlungsfähig bleiben.