Hiroshima: Angriffsbefehl kam aus Deutschland

Seite 3: Abwurfbeschluss vor dem Ultimatum an Japan

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Im Nachhinein gab es noch einen Streit darüber, was mit dem Wörtchen "about" gemeint war: Während Zivilisten den Text so interpretierten, dass ein Atomangriff erst ab dem 3. August erfolgen dürfe, interpretierten die beteiligten Militärs (Generalmajor Leslie Richard Groves, General Curtis Emerson LeMay, Generalmajor Thomas Francis Farrell) den Text ganz anders. Ihrer Meinung nach bedeutete der Text, dass ein Angriff am 3. August oder ein paar Tage früher oder später erfolgen dürfe. Diese Abweichung von ein paar Tagen war keineswegs eine Kleinigkeit.

Atompilz über Hiroshima. Bild: gemeinfrei

Am 26. Juli forderten die allliierten Regierungschefs in ihrer "Potsdamer Erklärung" die japanische Regierung zur sofortigen und bedingungslosen Kapitulation auf, was diese zunächst ablehnte, weil die Zukunft des japanischen Gottkaisers Hirohito noch nicht geklärt werden konnte.

Im Nachhinein wurde kritisiert, dass die präsidiale Entscheidung für einen Atombombenangriff auf Japan bereits getroffen worden war, noch bevor ein Ultimatum an Japan überhaupt ausgesprochen worden war. Später versuchte der Stellvertretende Kriegsminister John McCloy, der damals ebenfalls zur US-Delegation in Potsdam gehörte, dies mit bürokratischen Gründen zu rechtfertigen:

Es waren viele Dinge zu erledigen. Wenn die Entscheidung umgestoßen oder wenn es aus irgendeinem Grund notwendig wurde, das Unternehmen zu verschieben, so könnte man das Flugzeug immer noch aus der Luft zurückholen. Es gab eine Menge Einzelheiten, die aufeinander abgestimmt werden mussten …, deshalb war es notwendig, den Befehl zu erteilen.

Bei solchen Befehlen empfiehlt es sich, den genauen Termin für seine Durchführung vorher festzulegen, anstatt sich erst an die Arbeit zu machen, wenn es soweit ist.... Aber das bedeutete nicht, dass es keinen Umkehrmechanismus gab, dass die Bombe auch abgeworfen worden wäre, wenn die Japaner sich zur Kapitulation entschlossen hätten.

John McCloy

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges behauptete Präsident Truman, dass mit dem Schreiben vom 25. April zwar die militärische Kriegsmaschinerie in Marsch gesetzt worden wäre, dass er aber die atomaren Luftangriffe jederzeit hätte stoppen können, wenn Japan rechtzeitig und angemessen kapituliert hätte. Seine letztendliche Entscheidung für einen Atomangriff habe er angeblich erst Anfang August 1945 an Bord des Kreuzers "CA-31 USS AUGUSTA" auf dem Atlantik getroffen, behauptete Truman. Allerdings fehlt dafür jeder schriftliche Beweis. Jedenfalls hatte die US-Regierung mit dem Militärschreiben vom 25. Juli ihre Angriffsmaschinerie in Marsch gesetzt, und nur ein ausdrücklicher Gegenbefehl hätte sie vielleicht noch stoppen können.

Das zerstörte Hiroshima. Bild: navy.mil

Am 31. Juli 1945 war die erste Atombombe einsatzbereit. Nun warteten die US-Militärs nur noch auf günstige Wetterbedingungen.

Am 6. August 1945 näherte sich das Angriffsflugzeug Hiroshima. Die Sicht war klar, so dass kein Ausweichziel angeflogen werden musste. Major Thomas Wilson Ferebee, der das Zielgerät bediente, löste um 8.14 Uhr die Bombe aus. Um 8.15.17 Uhr Ortszeit detonierte die erste Atombombe vom Typ "Mk 1 LITTLE BOY" in rund 580 Meter Höhe über einem Krankenhaus in der Innenstadt von Hiroshima. Die Uran-Bombe hatte eine Sprengkraft von circa 11,5 bis 15 Kilotonnen TNT-Äquivalent. Von den rund 400.000 Einwohnern der Stadt starben 70.000 unmittelbar durch die Druckwelle und Hitzestrahlung. Durch die Langzeitfolgen der Bombe, insbesondere verursacht durch die radioaktive Strahlung, stieg die Zahl der Todesopfer bis 1950 auf 200.000 und bis heute auf über 280.000 Menschen. Jedes Jahr sterben weitere Menschen an Krebs.

Als die Atombombe über Hiroshima detonierte, weilte US-Präsident Truman an Bord des Kreuzers USS AUGUSTA im Westatlantik, der ihn in die USA zurückbrachte. Als der Präsident gerade frühstückte, erreichte ihn folgende Meldung des Kriegsministers Stimson: "Um 19.15 Uhr Washington-Zeit schwere Bombe auf Hiroshima abgeworfen. Erste Meldungen sprechen von einem vollständigen Erfolg, der den des Experiments übertroffen hat."

Drei Tage später, am 9. August 1945 um 11.02 Uhr Ortszeit, zerstörten die US-Militärs Nagasaki mit einer zweiten Atombombe "Modell 1561 FAT MAN", obwohl die US-Militärs vorher festgestellt hatten, dass die Stadt für einen Atombombenangriff gar nicht "geeignet" gewesen wäre. Dieser "Irrtum" kostete schätzungsweise 80.000 Einwohnern das Leben. Ab dem 17. oder 18. August wäre eine dritte Bombe einsatzbereit gewesen, aber zu ihrem Einsatz kam es nicht mehr, da die japanische Regierung am 15. August kapitulierte.

Die offizielle US-Gesichtsschreibung betont, mit den Atombombenangriffen sei eine verlustreiche Invasion Japans durch die US-Streitkräfte ab Oktober 1945 (Operation DOWNFALL) vermieden worden (Die US-Legende über Hiroshima und Nagasaki). Kritiker halten dieses Argument für vorgeschoben, da der US-Regierung seit Mitte Juli 1945 durch abgehörte Funksprüche bekannt war, dass die Japaner prinzipiell zur Kapitulation bereit waren. Die Kritiker vermuten, dass mit den Atombombenangriffen "nur" die genaue Wirkungsweise der neuen Bombentechnologie gegenüber unzerstörten Städten für die zukünftige Atomkriegsführung erforscht werden sollte. Außerdem wollte man mit einer atomar erzwungenen Kapitulation Japans einem Kriegseintritt der Sowjetunion in Fernost, der vom Generalstabschef General Alexei Innokentjewitsch Antonow für Mitte August 1945 angekündigt war, zuvorkommen. Nicht zuletzt dienten die Angriffe der militärpolitischen Einschüchterung der Sowjetunion angesichts des beginnenden Kalten Krieges.

Die "Truman-Villa" in Potsdam existiert noch heute. Die Adresse heißt jetzt "Karl-Marx-Straße 2". Im Frühjahr 1946 wohnte hier vorübergehend Marschall Georgi Konstantinow Schukow, Oberbefehlshaber der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD). In den fünfziger Jahren war hier die Parteischule der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) untergebracht, von 1961 bis 1974 wurde das Haus als Polytechnische Oberschule genutzt. Danach diente es als Möbellager. Ab 1994 beherbergte das Gebäude zeitweise das Truman Memorial Center. Im Jahr 1998 erwarb die Friedrich-Naumann-Stiftung der FDP das Objekt für 10 Millionen DM, das danach mehrere Jahre saniert wurde. Seit April 2001 hat die FNS hier ihren Hauptsitz. Gegenüber der Villa befindet sich seit dem 24. Juli 2010 der Hiroshima-Platz, um an die Opfer der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki zu erinnern.