Hisbollah konnte die Funkkommunikation des israelischen Militärs mithören
Die militärische und technische Überlegenheit der staatlichen Streitkräfte in "asymmetrischen Konflikten" schrumpft
Der asymmetrische Krieg hat im Libanon-Krieg eine neue Form angenommen. Die militärisch weit überlegene israelische Armee kämpfte, wie das auch in Afghanistan und im Irak der Fall war und ist, mit modernsten technischen Waffen und mit absoluter Luftraumhoheit gegen eine relativ kleine Gruppe von Hisbollah-Kämpfern. Trotz massiver Bombardierungen und Truppen am Boden konnte die Hisbollah militärisch nicht besiegt, der Beschuss Israels durch Raketen nicht eingedämmt werden. Auch der Hisbollah-Fernsehsender al-Manar konnte trotz der Bombardierung der Zentrale in Beirut und weiteren Versuchen, ihn auszuschalten, weiter senden. Die Drohnen der Hisbollah konnten allerdings von der israelischen Luftwaffe noch abgeschossen werden (Asymmetrische Kriege).
Ganz vorne steht in der modernen Kriegsführung meist die Ausschaltung der feindlichen Medien und Kommunikation, wenn ein Ungleichgewicht der militärischen Stärke vorhanden ist und ein Angriffskrieg geführt wird. So wurden im Kosovo-Krieg serbische Fernsehsender und Radiostationen bombardiert, um im Medien- oder Propagandakrieg schnell eine Entscheidung herbeizuführen. Die Taliban hatten in Afghanistan schon selbst alle Medien abgeschafft, so dass die Informationshoheit gewahrt war, also auch der Fluss der Bilder aus dem Land und vom Krieg einige Zeit kontrolliert werden konnte (Krieg gegen ein Land im Schwarzen Medienloch). Eine Ausnahme war al-Dschasira, dessen Redaktionsräume in Kabul durch eine Präzisionsrakete zerstört wurden, was sich im Irak-Krieg dann mit der Redaktion in Bagdad wiederholen sollte (Beseitigung und Einschüchterung der Augen der Weltöffentlichlichkeit. Das irakische Staatsfernsehen konnte allerdings erst ausgeschaltet werden, als die US-Truppen bereits in Bagdad einmarschiert waren (Irakische Medienwirklichkeiten). Trotz Warnungen seitens des Pentagon (Bildbereinigung in den Medien) hatten sich auch ausländische Medienvertreter wieder wie beim ersten Golfkrieg in Bagdad aufgehalten, die so der geplanten Kriegs-Show mit den eingebetteten Reportern unkontrollierte Bilder und Informationen entgegenhalten konnten.
Auch das israelische Militär versuchte, den Fernsehsender al-Manar durch Zerstörung des Sendegebäudes auszuschalten. Offenbar hatte aber Hisbollah damit gerechnet und konnte von einem unbekannten Ort, der sich von den Israelis nicht ausmachen ließ, weiter Kriegsberichterstattung im eigenen Sinne und Botschaften von Nasrallah senden. Ebenso überraschend wie die Finten im Medienkrieg waren die geringen Erfolge des israelischen Militärs gegenüber der Hisbollah. Wie schon kurz nach dem Krieg bekannt wurde, hatten die Hisbollah nicht nur ein gut ausgestattetes Bunker- und Waffenarsenal, sondern auch gute Kommunikationsmittel, um sich vor drohenden Angriffen verstecken und aus dem Hinterhalt zuschlagen zu können, und vor allem Möglichkeiten, den Funkverkehr des israelischen Militärs abzuhören, während dieses umgekehrt nicht die Kommunikation der Hisbollah stören oder abhören konnte. Zudem hatte die Hisbollah schon vor dem Krieg eine ganze Reihe von Übersetzern geschult, um Informationen aus israelischen Medien und aus abgehörter Kommunikation schnell übersetzen zu können.
Die Hisbollah konnte nicht nur die Handy-Gespräche belauschen, sondern mit der Hilfe von iranischer Technik den Code der Funkkommunikation des israelischen Militärs knacken und abhören konnte. Dadurch hatten sie einen, für einen asymmetrischen Konflikt ungewöhnlichen Vorteil, in Echtzeit über die Truppenbewegungen, die Verluste und die Versorgung der israelischen Truppen informiert zu sein und beispielsweise Panzer effektiv angreifen zu können. Das israelische Militär verwendete zum Stör- und Abhörschutz den üblichen schnellen Frequenzwechsel (frequence hopping) und zusätzliche eine Verschlüsselung. Vorwiegend verwendet wird angeblich das amerikanische SINCGARS (Single Channel Ground and Airborne Radio System).
Nun bestätigt auch Haaretz, dass die Hisbollah den Funkverkehr, die Handykommunikation und die Botschaften an Pager, die teilweise über Satelliten übertragen wurden, abhören konnten. Haaretz vermutet, dass diese Möglichkeit auch der Grund dafür war, dass Hisbollah-Mitglieder am 12. Juli die gut gesicherte Grenze überschreiten und eine israelische Patrouille überfallen konnten, wobei acht israelische Soldaten getötet und die zwei entführt wurden, die sich noch immer in den Händen der Hisbollah befinden und wegen denen Israel den Angriff begonnen hatte.
Nach Haaretz wurde die Hisbollah von iranischen und syrischen Geheimdiensten ausgebildet. Schon vor dem Krieg waren Beobachtungsposten mit moderner Abhörtechnik - "meist aus dem Westen" - eingerichtet worden, mit denen sie dann die Kommunikation der Truppen, auch innerhalb Israels, belauschen konnten. Überdies habe Hisbollah ein Zentrum zur Sammlung und Auswertung von öffentlich zugänglichen Informationen über Israel aufgebaut. Daraus seien auch taktisch wertvolle Informationen für Einsatzpläne oder über die Stimmung in Israel und die Meinungsverschiedenheiten gewonnen worden. "Israel hat diese Aufklärungsarbeit schon viele Jahre lang gemacht", kommentiert Haaretz. "Aber es sieht so aus, als sei nun auch Hisbollah ebenso in der Lage, diese Art der Aufklärung und Analyse zu betreiben."
Mit den Drohnen, der Taktik und den Mitteln der "elektronischen Kriegsführung" der Hisbollah verschieben sich die Machtverhältnisse in asymmetrischen Konflikten deutlich sichtbar. Ebenso wie im Prinzip verheerende Massenvernichtungswaffen von kleinen Gruppen für medien- und damit öffentlichkeitswirksame Anschläge verwendet werden können, schrumpft der Vorteil der großen Armeen in Hinblick auf Technik zusendends, die billiger, besser und leichter handhabbar und vor allem verfügbar wird. Nicht mehr die Masse an mobilisierbaren Menschen und zerstörerischer Waffentechnik garantiert den militärischen Erfolg, sondern auch die technischen Möglichkeiten, Informationen zu erhalten und zu verteilen. Besonders im "netcentric warfare" werden die hochgerüsteten Armeen höchst verwundbar, wenn die "information awareness" und die Möglichkeiten, diese beim Gegner zu stören, auch auf den "schwachen" übergeht. Dass die "Schwachen" schon lange, wie etwa US-Verteidigungsminister Rumsfeld nicht müde wird zu wiederholen, die Supermacht im Medienkrieg ausbooten können, hat Hisbollah mit seinem Sender al-Manar auch noch einmal vor Augen geführt.