Imageschaden für Sachsen?

Politiker und Funktionäre propagieren unterschiedliche Rezepte, um einem Ansehensverlust des Bundeslandes entgegenzutreten

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Die versuchte Blockade eines Busses mit Migranten in der sächsischen Kleinstadt Clausnitz und die Behinderung von Löscharbeiten beim Brand eines als Asylbewerberunterkunft vorgesehenen Gebäudes in Bautzen sorgt auch Tage nach den Ereignissen noch für Stellungnahmen von Politikern und Wirtschaftsfunktionären: Detlef Hamann, der Hauptgeschäftsführer der Dresdner Industrie- und Handelskammer (IHK), sagte dem Handelsblatt, er fürchte, "dass dem damit einhergehenden Imageschaden irgendwann auch messbare Nachteile, etwa bei Auftragseingängen oder der Fachkräftegewinnung von außerhalb Sachsens folgen könnten", weil Beobachter im Ausland Phänomene "verallgemeinern" würden.

Der IHK-Funktionär empfiehlt der Politik deshalb, nicht nur Personen zu bestrafen, die Brände legen und Feuerwehrleute und Polizisten behindern, sondern auch "die Befürchtungen der Menschen zur Kenntnis zu nehmen" und zu berücksichtigen, dass eine "Willkommenskultur, die Menschlichkeit, Verständnis und Integrationsangebote einfordert", auf "klaren Regeln beruhen" muss. Nur so könne man Geschehnissen wie in Clausnitz und Bautzen "wirksam" entgegentreten

Tillich: Mehr Polizeianwärter und mehr "Repression"

Einen Imageschaden für sein Bundesland befürchtet auch der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich. Der Sorbe beklagte in einer Pressekonferenz heute Nachmittag "Pauschalurteile" und betonte, Problemgruppen gebe es nicht nur in Sachsen. Er will als Reaktion auf die Ereignisse das Gewaltmonopol des Staates und die Innere Sicherheit durch mehr "Repression" stärken. Das wird seinen Worten nach auch Diskussionen in Sozialen Netzwerken betreffen. Die Zahl der jährlichen Polizeianwärter wird von vier- auf fünfhundert aufgestockt. Außerdem sollen die "Demokratieerziehung" und das Modell einer "Wachpolizei" (das sich seiner Ansicht nach bewährt hat) ausgebaut werden.

Die SPD, die in Sachsen der kleine Koalitionspartner der CDU ist, sieht die Ursache der Probleme in "Rassismus". Dieses Thema, so die sächsische SPD-Generalsekretärin Daniela Kolbe, müsse die Koalition nun "ganz nach oben auf ihre Agenda setzen".

Polizei verteidigt sich gegen Vorwürfe

Der sächsische Linkspartei-Fraktionschef Rico Gebhardt und der Grünen-Bundesvorsitzende Cem Özdemir hatten am Samstag Vorwürfe gegen die Polizei erhoben, deren Vorgehen Bundesinnenminister Lothar de Maizière am Sonntag verteidigte. Anlass war ein Handy-Video, auf dem ein Beamter einen Baseballkappenträger aus dem Bus zieht. [Update: Der Bild-Zeitung zufolge, die sich auf einen internen Polizeibericht beruft, handelte es sich bei dem Baseballkappenträger um einen Jugendlichen. Gegenüber Telepolis wollte die Polizei keine Angaben zum Alter machen.]

Inzwischen wurde aus dem elfköpfigen Aufklärungsteam der Polizeidirektion Chemnitz bekannt, dass gegen drei Asylbewerber ermittelt wird, die die Menge aus diesem Bus heraus durch Gesten provoziert haben sollen. Dazu, ob das auch durch Kopfabschneide-Gesten mit den Fingern am Hals geschah, will sich die Polizei nicht äußern. [Update: In dem oben erwähnten Polizeibericht soll stehen, dass eine Frau, die vorher gegen die Scheibe spuckte, und ein Jugendlicher "das sinnbildliche Abtrennen des Kopfes mit der Hand" zeigten. Die "betreffende Person" bestreitet der Bild-Zeitung zufolge die Geste.]

Personen, die den Bus nicht verlassen wollten, mussten den Polizeiangaben nach durch unmittelbaren Zwang in die Unterkunft verbracht werden, weil sie dort sicherer gewesen seien als im Bus mit seinen großen und zerbrechlichen Scheiben.

Die sächsische Schweiz ist ein beliebtes Wandergebiet. Foto: Heinz-Josef Lücking. Lizenz: CC BY-SA 3.0

Bislang noch nicht im Zusammenhang mit der Stimmung in Sachsen debattiert wird eine Meldung der Tageszeitung Die Welt, der zufolge zwar Asylbewerber aus den zehn häufigsten Herkunftsländern auf alle Bundesländer verteilt, der Rest aber regelmäßig nach Nationalität in einem Bundesland konzentriert wurde, um bei Dolmetschern und Antragsprüfern eine Spezialisierung zu nutzen.

Nach Sachsen sollen deshalb "lange Zeit ausschließlich Tunesier" geschickt worden sein, die dort angeblich "fast ein Viertel aller ermittelten [straf]tatverdächtigen Zuwanderer" stellen. Tunesien zählt zu den nordafrikanischen Ländern - Asylbewerber aus diesen Staaten wurden auch in anderen Bundesländern auffällig.

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