In Deutschland wird das Frühjahr deutlich wärmer

Die Energie- und Klimawochenschau: Vom Notstrom im stillgelegten AKW und stromschluckenden Kraftwerken, von Ölquellen der anderen Art und von neuen Entwicklungen in der Windenergie

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Die Meteorologen vom Deutschen Wetterdienst in Offenbach haben ihre Bilanz für den April vorgelegt. Ergebnis: Nur in drei Jahren war seit 1881 der April wärmer als 2014. Insgesamt lagen alle Monate seit Dezember 2013 über dem Referenzwert, das heißt dem jeweiligen Mittelwert der Jahre 1961 bis 1990.

Der meist vorherrschende Hochdruckeinfluss sorgte nicht nur für einen zu warmen, sondern auch zu trockenen April, der zudem wie die Vormonate besonders sonnenreich war. Entsprechend hatte die Produktion der Solaranlagen im ersten Quartal 2014 mit 73 Prozent gegenüber den Vergleichszeitraum des Vorjahres zugelegt, wie Bruno Burger vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme in einer Analyse feststellt. Auch beim Windstrom gab es ein Plus, bei der Wasserkraft hingegen ein Minus, was vermutlich auf den verminderten Niederschlag zurückzuführen ist.

Für den ausgehenden Monat liegen noch keine Strom-Statistiken vor, aber Meteorologen haben etwas mehr Sonnenstunden als im langjährigen Mittel gemessen. Am sonnigsten war es an der Ostseeküste. In der zweiten Monatshälfte sorgten zum Teil heftige Gewitter dafür, dass regional die über den Monat gemittelten Niederschläge trotz der vielen Sonne über dem Durchschnitt lagen.

Zusammen trugen die erneuerbaren Energieträger im 1. Quartal 2014 23 Prozent zur Nettostromerzeugung bei. Sonnenstrom legte kräftig zu, doch sein Beitrag war wegen der kurzen Tageslänge und des niedrigen Sonnenstandes noch immer relativ gering. Bild: Fraunhofer ISE

Auf jeden Fall war es aber erheblich zu warm. Mit einer über Tag und Nacht und das ganze Land gemittelten Temperatur von 10,9 Grad Celsius lag der April um beachtliche 3,5 Grad über dem Mittel der Jahre 1961 bis 1990. Nimmt man als Vergleichsperiode die Jahre 1981 bis 2010, die bereits deutlich von der globalen Erwärmung gekennzeichnet waren, so lag der deutsche April-Wert noch immer 2,6 Grad Celsius über dem Mittel.

Mit 10,9 Grad Celsius liegt der diesjährige April auf dem vierten Platz der Rangliste, die sich aus den Messungen seit 1881 berechnen lässt. Vor ihm liegen auf Platz 1 der April 2009 (11,8 Grad Celsius), auf Platz 2 der April 2011(11,6 Grad Celsius) und auf Platz 3 der April 2007 (11,5 Grad Celsius). Der Trend ist unverkennbar: In Deutschland wird das Frühjahr deutlich wärmer.

Stromschlucker

Die erwähnten Gewitter sorgten in Geesthacht bei Hamburg für eine kritische Situation. Dort schlug am 22. April ein Blitz in das 110-Kilovolt-Netz in der Nachbarschaft des stillgelegten AKW Krümmel ein, das darauf hin von der Stromversorgung abgeschnitten wurde. Kein Problem für ein abgeschaltetes Kraftwerk, sollte man meinen. Im Falle eines AKW ist das allerdings etwas anders, denn dort müssen Pumpen auch Jahre nach der Außerdienststellung noch weiter Kühlwasser von und zu den Brennstäben leiten.

Wie das zuständige Landesministerium in Kiel berichtete, sind die dafür vorgesehenen Notstromaggregate "anforderungsgemäß" angesprungen und haben die Anlage für etwa dreieinhalb Stunden problemlos versorgt. Zur Not hätte auch ein nahegelegenes Pumpspeicherwerk noch Stromliefern können.

Mag also sein, dass das alles letztendlich nicht so besonders brenzlig war. Immerhin hatten die Brennstäbe in Vattenfalls Pannenreaktor ja nun auch schon fast fünf Jahre Zeit zum Abklingen. Interessant ist aber immerhin die Tatsache, dass die AKW auch nach ihrer Stilllegung noch Stromverbraucher sind und die ununterbrochene Versorgung mit viel Aufwand sichergestellt werden muss.

Nach einem effizienten System sieht das nicht gerade aus. 2013 verbrauchten AKW immerhin, so der bereits oben zitierte Fraunhofer-Forscher Bruno Burger, 5,3 Prozent des von ihnen produzierten Stroms selbst. Bei Braunkohlekraftwerken betrug der Anteil 7,04 und bei Steinkohlekraftwerken gar 8,3 Prozent, aber die müssen nach ihrer Stilllegung nicht auch noch jahrelang aufwendig gekühlt werden (anders als demnächst die Besitzer von Solaranlagen, müssen die Kraftwerksbetreiber auf diesen Eigenverbrauch keine Abgaben zahlen).

In Krümmel hat man übrigens gerade erst einen neuen Transformator angeliefert, wie das Kieler Energieministerium im März berichtete. In der Vergangenheit hatte Betreiber Vattenfall mit diesen Komponenten erhebliche Probleme gehabt. 2009 musste das AKW Krümmel nach nur acht Tagen Betrieb wieder abgeschaltet werden, weil beim Einbau eines neuen Transformators geschlampt worden war. Zuvor hatte das Kraftwerk nahezu zwei Jahre stillgestanden, weil sich ein anderer Transformator im Betrieb entzündet hatte (Pannenserie in Vattenfall-AKWs).

Ausgelaufen

Im Fall der äußerst ungewöhnlichen Ölverschmutzung im nordrheinwestfälischen Münsterland, über die Telepolis vor etwas mehr als einer Woche berichtet hatte (Hab Erdöl im Garten), zeichnet sich eine Lösung des Rätsels ab. Der Fachinformationsdienst IWR schreibt, das bisher rund 200.000 Liter Erdöl ausgetreten seien. Die zuständige Bezirksregierung Arnsberg teilte auf ihrer Internetseite am Montag mit, dass Sondierungsarbeiten Hinweise darauf gebracht hätten, wie das Öl im Untergrund fließe. Der Eindruck habe sich verstärkt, dass die Quelle aus einem unterirdischen Lager in der Salzkaverne S5 bestehe. Deren Betreiber versicherte laut IWR, dass kein weiteres Öl austrete.

In der unmittelbaren Nachbarschaft der Kaverne wird derzeit eine Erkundungsbohrung vorgenommen. Laut Bezirksregierung wurden an verschiedenen Stellen Verschmutzungen des oberflächennahen Grundwassers festgestellt. Um eine weitere Ausbreitung zu verhindern und insbesondere Trinkwasserbrunnen zu schützen, soll nun eine Schutzwand in den Boden eingezogen werden, die bis zu einer das Grundwasser nach unten abdichtenden Tonschicht reichen soll.

Die Zeitung Der Westen berichtet unterdessen, dass eine Bauernfamilie wegen des auf ihrem Land austretenden Öls in ein Hotel umziehen musste. Der Hof könne zur Zeit nicht bewirtschaftet werden. Zehn Kühe mussten notgeschlachtet werden, weil sie ölverseuchtes Wasser gesoffen hatten. Andere Tiere wurden bei Freunden untergebracht. Die Betreiberfirma der Kaverne rechne damit, dass sie für einem Schaden in zweistelliger Millionenhöhe wird aufkommen müssen. Die Kaverne hätte 400.000 Liter gefasst und wäre demnach fast zur Hälfte ausgelaufen. Bei dem Öl handelt es sich um Erdöl der nationalen Reserve, die zur Sicherung der Versorgung angelegt wurde.

Der Fall nährt natürlich, wie bereits auf Telepolis erwähnt, zusätzliche Zweifel an der sicheren Endlagerung von Atommüll in Salzstöcken wie auch an der Unbedenklichkeit der Frackingtechnologie, die von der Abgeschlossenheit des Grundwassers gegenüber tieferen Erdschichten abhängig ist.

Wind-Drachen

Windenergie, so könnte man meinen, ist bald 40 Jahre nach den ersten Anfängen dieser nicht mehr ganz so neuen Industrie eine klare, technologisch mehr oder weniger abgeschlossene Sache. Doch der Eindruck täuscht. Nicht nur ist bei herkömmlichen Windrädern noch lange nicht das volle Potenzial ausgeschöpft. An zahlreichen Stellschrauben lässt sich noch manches an Effizienz herausholen, und noch sind die Grenzen von Physik und Material nicht ausgeschöpft, die deren Größe limitieren. Bei 20 Megawatt (MW) Leistung sehen Fachleute die Obergrenze für eine einzelne Windkraftanlage, derzeit bringt es die größte, noch in der Erprobung befindliche Anlage auf acht MW (Windenergie: Anlagen werden immer größer).

Doch der Zuwachs ist nur möglich, wenn die Anlagen höher werden. Eine Komponentenbauweise, wie sie zum Beispiel in Hannover mit Holz erprobt wird, könnte eventuell in Zukunft die dafür notwendigen Türme liefern. Die herkömmliche Bauweise von Türmen ist nämlich inzwischen mehr oder weniger an ihre Grenzen gelangt, weil die Durchmesser nicht mehr gesteigert werden können. Noch größere als die heute üblichen röhrenförmigen Segmente passen nämlich nicht mehr unter Straßenbrücken hindurch und sind daher - zumindest für die Errichtung an Land - unpraktikabel, da nicht transportierbar. Werden die Türme hingegen aus einzelnen flachen Elementen zusammengesetzt, wie dies die Firma Timbertower mit einer Pilotanlage mit einer Nabenhöhe von 100 Metern vorgemacht hat, können künftig auch größere Höhen erreicht werden. Voraussetzung ist dafür natürlich, dass das Material mitmacht, und dafür werden mit der Pilotanlage nun Erfahrungen gesammelt.

Aber es gibt auch noch ganz andere Entwicklungsstränge jenseits der Turmanlagen. In den Niederlanden, an der Uni von Delft, tüftelt man seit Jahren daran, wie der Wind in höheren Luftschichten, oberhalb der 200 Meter, die gewöhnliche Anlagen mit ihren Blattspitzen erreichen können, zu nutzen ist. Der Vorteil wäre, dass der Wind dort oben erstens deutlich stärker, weniger böig und vor allem auch öfter weht. Der Ertrag wäre also höher und kontinuierlicher. In Delft versucht man es mit Drachen, mit dessen Zugkraft eine Winde abspult und dabei einen Dynamo antreibt. Die Schwierigkeit des Verfahrens liegt vor allem in der Entwicklung einer automatischen Flugkontrolle, die unter anderem auch einen Teilzyklus beinhaltet, in dem das Flugobjekt weniger Luftwiderstand hat und die Winde mit geringem Energieaufwand wieder auf gespult werden kann (Beschreibung hier). Ein weiterer Vorteil der Drachen läge, wenn sie denn eines Tages zuverlässig arbeiten, in dem weitaus geringerem Materialaufwand, den geringeren Eingriffen in das Landschaftsbild und der größeren Flexibilität der Anlagen.

Einen ähnlichen Weg wie in Delft gehen Entwickler im US-amerikanischen Boston, nur dass sie nicht mit Drachen experimentieren, sondern mit selbst fliegenden Windturbinen. Demnächst soll in Alaska ein erster Praxistest stattfinden, berichtet das Online-Magazin des Smithsonian Institutes. Eine Windturbine wird dafür in einen mit Helium gefüllten Ring montiert und soll dann in einer Höhe von rund 300 Metern schweben. Auf der Internetseite der Entwickler ist die Konstruktion auf einem Foto und in einem Video zu bewundern. Nach Angaben des Magazins wird bisher mit einem Strompreis von 18 US-Cent (13 Euro-Cent) pro Kilowattstunde gerechnet. Interessant wäre das vor allem für netzferne Verbraucher. In Deutschland wäre das aber schon billiger als der von Offshore-Windrädern generierte Strom.

Wie dem auch sei, die Sache zeigt, dass in der Entwicklung neuer Technologien für eine umweltfreundliche Stromgewinnung noch lange nicht das Ende der Fahnenstange erreicht ist. Und wenn hierzulande die Energiewende ausgebremst und die Marktbedingungen für die Erneuerbaren verschlechtert werden, dann wird sie eben zuerst andernorts Fuß fassen und werden entsprechende Unternehmen entstehen. Ob es aber tatsächlich so weit kommt, muss sich erst noch zeigen. Für den 10. Mai ist die nächste Großdemonstration zur Verteidigung der Energiewende geplant.

Reaktor manipuliert

Und zum Schluss Neues aus der Rubrik sichere und vertrauenswürdige Atomkraft. Die Aachener Zeitung berichtet, dass in der Kernforschungsanlage Jülich jahrzehntelang Störfälle vertuscht worden seien. Eine Expertenkommission habe herausgefunden, dass im einstigen Versuchsreaktor 1978 ein Mitarbeiter einen Sicherheitsschalter manipuliert hatte, wodurch 27.000 Liter Wasser in den Reaktorkern eingedrungen seien. Der gefährliche Vorfall hätte in der höchsten oder zweithöchsten Kategorie eingestuft werden müssen, wurde aber nur als niedrigste Kategorie gemeldet.

Die Nachrichtenagentur dpa meldet außerdem, dass die automatische Schnellabschaltung manuell verhindert worden sei und der Reaktor erst mehrere Tage später runtergefahren wurde. Auch sei er zeitweise mit zu hohen Temperaturen betrieben worden.