"In den USA gehen sechs Millionen Stimmen verloren"

Seite 2: Der "Diebstahl" betrifft sechs Millionen Stimmen, die wahlentscheidend sein können

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Das ist offenbar kein Einzelfall, wie Sie schreiben. Sogar renommierte Politiker wie Senator Hank Sanders aus Alabama sind offenbar betroffen.

Greg Palast: Ja. Nachdem Martin Luther King und seine Anhänger 1965 den Streit um das Wahlrecht gewannen, gab es eine massive Zunahme von Afroamerikanern in öffentlichen Ämtern. Staatssenator Hank Sanders, ein Rechtsanwalt, ist einer von ihnen. Er hatte als junger Mann an dem Marsch von Selma teilgenommen, der von King angeführt wurde - damals wurden vier der Demonstranten getötet. Im vergangenen Jahr war Senator Sanders auf einmal selbst mit dem Problem konfrontiert, dass er aus dem Wählerverzeichnis entfernt wurde. Er bat mich, diesen Fall zu untersuchen.

Zu welchem Ergebnis sind Sie gelangt?

Greg Palast: Das Problem ist, dass vor drei Jahren der Oberste Gerichtshof der USA die Wahlgesetzgebung massiv verändert hat. Das erlaubt es einzelnen Bundesstaaten - oft von Republikanern kontrolliert -, schwarze Wähler aus den Verzeichnissen zu entfernen. Während meiner Arbeit für den Sender Al Jazeera und jetzt für das Rolling-Stone-Magazin, konnte ich den neuesten Trick der Wählerentfernung aufdecken: den "Interstate Crosscheck". Senator Sanders' Staat, Alabama, hatte begonnen, an dieser Gegenprüfung von Wählerverzeichnissen zwischen US-Bundesstaaten teilzunehmen. Auf der entsprechenden Liste stehen insgesamt sage und schreibe 7,2 Millionen Namen. Es werden dann die Namen der Wählerverzeichnisse einzelner Staaten verglichen. Wenn Sie nun Maria Hernández heißen und es im Vergleichsstaat auch eine Maria Hernández gibt, können Sie beide Ihre Stimme verlieren. Sogar, wenn andere Angaben wie der Mittelname sich unterscheiden. Das Gleiche passiert mit asiatischen Namen wie Wong oder afroamerikanischen Namen wie Jackson. Das scheint der Grund zu sein, warum der Staat Alabama einem der eigenen Senatoren das Stimmrecht aberkannt hat. Das ist nichts anderes als eine ethnische Säuberung der Wahlregister.

Welche Rolle spielt die US Election Assistance Commission in diesem Zusammenhang?

Greg Palast: Diese Bundesbehörde soll den Überblick über Abstimmungsstatistiken in den USA behalten. Sie wurde im Jahr 2001 etabliert, um ein "zweites Florida" zu vermeiden. Aber vor kurzem erlaubte ein republikanischer Direktor der Behörde eine Änderung der Wahlformulare. So werden eine Menge junger Wähler in einigen Staaten daran gehindert, sich zu registrieren. All das ist Teil eines zentralen Problems: Es gilt als Fair Play, wenn Sie die Blockierung der Wähler Ihres Gegners durchsetzen. Es gibt keine Kultur in den USA, die sagt, dass es falsch ist, Stimmen zu stehlen.

Ein Drittel der Wähler in den USA stimmt per Briefwahl ab. Bekommen sie mit, ob ihre Stimme gezählt wird?

Greg Palast: Die meisten Staaten informieren ihre Wähler nicht, ob ihre Stimme gezählt wurde. In jeder US-Wahl werden mindestens drei Millionen Stimmzettel nie gezählt. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Stimmzettel nicht gezählt wird, ist bei schwarzen Wählern im Vergleich zu weißen Wählern 900 Prozent höher. Das hat auch damit zu tun, dass in armen Gebieten und wohlhabenden Bezirken sehr unterschiedliche Wahlsysteme zur Anwendung kommen. Das wird für Europäer überraschend sein, weil bei ihnen im Allgemeinen dasselbe System für die ganze Nation verwendet wird. Unsere Systeme variieren von Landkreis zu Landkreis.

Sie bleiben also dabei: Die Wahl im Jahr 2000 war gefälscht?

Greg Palast: Ja. Die US-Bundesregierung erkennt inzwischen ja auch an, dass schwarze Wähler von der Stimmabgabe ausgeschlossen wurden. Für mich bedeutet das: Die Wahl war gestohlen.

Arme, Afroamerikaner oder Menschen lateinamerikanischer oder asiatischer Herkunft sind betroffen

Gehen Sie davon aus, dass die Ergebnisse 2016 auch nicht den Wählerwillen widerspiegeln werden?

Greg Palast: Juraprofessor Bobby Kennedy Jr. und ich schätzen, dass insgesamt etwa sechs Millionen Stimmen verloren gehen, weil sie nicht gezählt oder Wähler von der Stimmabgabe abgehalten werden. Die meisten von ihnen sind Arme, Afroamerikaner, oder Menschen lateinamerikanischer oder asiatischer Herkunft, mit anderen Worten, vor allem Wähler der Demokratischen Partei.

Wird das die Wahl beeinflussen? Wenn das Präsidentschaftsrennen eng ist, ja. In den Jahren 2008 und 2012 hat Obama den "Diebstahl " der Wahl dank einer massiven Pluralität von Stimmen gegenüber seinem Gegner gewonnen. Der wahrscheinlichere Fall ist, dass diese "Unterdrückung von Stimmen" - so der offizielle Terminus für Wahldiebstahl - von Armen und Minderheiten den Demokraten vier oder fünf Sitze im Senat kosten wird. Das könnte genügen, um den Kongress zu verlieren, was hieße, dass die Republikaner dort die Kontrolle behalten.

Aber widerspricht Obamas Wahl 2008 nicht der These von Manipulationen?

Greg Palast: Nein, denn der "Diebstahl" betrifft ungefähr sechs Millionen Stimmen. Obama sagte meinem Co-Autor, er habe gewusst, dass der Diebstahl kommen würde. Also war sein Plan, mit einer unüberwindbaren Marge zu gewinnen. Und das hat er getan.

Wenn all das also belegt ist: Wären die US-Wahlen nicht ein Fall für die Gerichte, nationale oder internationale?

Greg Palast: Ja. Leider wurde George W. Bush von unserem Obersten Gericht mit einer Entscheidung von fünf zu vier Stimmen zum Präsidenten bestimmt. Die republikanische Mehrheit des Gerichts erklärte ihn also zum Sieger.

Und, ja, ich arbeite mit mehreren Teams von Anwälten, die mir Informationen für rechtliche Schritte zur Verfügung stellen. Es gibt im Moment wahrscheinlich etwa 200 anhängige Klagen von Wahlberechtigten, die versuchen, rassistisch voreingenommene Abstimmungsverfahren aufzuheben. Dann kommt es auf die Richter an. Aber Richter werden in den USA nach politischen Kriterien benannt. Derzeit kommt es durch den Tod von einem der Richter am Obersten Gerichtshof zu einem Patt von vier zu vier Stimmen zwischen den Parteien. Das wird interessant werden.

Was internationale Beobachter betrifft: Das Carter Center sagt, dass die US-Wahlen nicht internationalen Normen entsprechen, die ausländischen Beobachter erlauben würden, die Abstimmung zu überprüfen. Die Republikanische Partei würde jeden ausländischen Versuch, die US-Abstimmung zu überprüfen, als einen Angriff auf unsere Souveränität werten. Deshalb enthält die US-Ausgabe meines Buches eine kurze, auf eine Buchseite passende Handlungsanweisung mit sieben Möglichkeiten, seine Stimme bei der kommenden Wahl zu schützen. Ich habe auch eine wöchentliche Radiosendung in den USA, um den Menschen dabei zu helfen, dass sie ihre Stimme in unserem komplexen und voreingenommenen System nicht verlieren.

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