In eisigen Regionen den Meeresgrund erforschen

Deutsch-amerikanische Expedition am Nordpol. "Polarstern" und "Healy" untersuchen gemeinsam arktischen Meeresboden

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Am 6. September ist das größte deutsche Forschungsschiff "Polarstern" nach schwerer Eisfahrt am Nordpol mit dem US-amerikanischen Eisbrecher "Healy" zusammen getroffen. Jetzt wartet auf das "maritime Duett" jede Menge Arbeit. Es gilt, detaillierte Informationen über die Beschaffenheit des dortigen Meeresboden zu gewinnen.

Das Polarversorgungs- und Forschungsschiff Polarstern des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Bremerhaven befindet sich seit dem Anfang August gemeinsam mit dem neuen Forschungseisbrecher Healy der amerikanischen Küstenwache auf einer Expedition im ganzjährigen Eis des Nordpolarmeeres. Beide Schiffe erkunden in einem abgestimmten Programm den bisher nahezu unerforschten Meeresboden dieser Region. Die Fahrt durch die bis zu 3,50 Meter dicken Eisschollen bereitete wegen der Eis- und Wetterverhältnisse große Schwierigkeiten und stellte höchste Anforderungen an Mensch und Maschine: "Wir mussten um Alteisschollen von fünf bis zehn Kilometer Durchmesser herumfahren", erklärt Kapitän Jürgen Keil (60).

Das führte zu einer erheblichen Zeitverzögerung und Wegverlängerung von bis zu drei Stunden. Neueis und kleinere gebrochene Eisschollen verlangten volle Maschinenleistung. Es war höchste Konzentration der nautischen Wachoffiziere erforderlich, um die richtigen Passagen zu finden und zu nutzen.

Die Expedition zeichnet sich durch umfangreiche, breit gefächerte Untersuchungen aus. Im Zentrum des Interesses der Wissenschaftler steht die Erforschung des Gakkel-Rückens. Dieser nördlichste Teil des mittelozeanischen Rückensystems - jener vulkanischen Gebirgsnaht, an der durch aufsteigendes Magma permanent neuer Meeresboden und damit Erdkruste gebildet wird - besitzt im Vergleich zu anderen Rückensystemen des Weltmeeres mit weniger als einem Zentimeter pro Jahr die geringste Spreizungsgeschwindigkeit. Die Wissenschaftler interessieren sich darüber hinaus für die angrenzenden Gebiete des Amundsen- und Nansenbeckens. Deshalb sammeln sie mit einer Vielzahl von Instrumenten und Methoden detaillierte Informationen über die Beschaffenheit des dortigen Meeresbodens. Außerdem begleiten mehrere Meereis-Experten und Biologen die Expedition und erheben aktuelle Daten über die Dicke und Verteilung des Meereises und der darin lebenden Organismen.

Bereits 1908 erreichte Frederik Albert Cook und ein Jahr später Robert Edwin Peary erstmals den Nordpol. Sie hatten dafür mit ihren Begleitern und Hundegespannen qualvolle, entbehrungsreiche Fußmärsche von Nordgrönland aus zurückzulegen. Später bekämpften sich beide Pioniere erbittert, indem sie sich gegenseitig der Verfälschung ihrer Ortsangaben beschuldigten. Die Wissenschaftler, die ihnen folgten, bedienten sich der modernsten Transportmittel ihrer Zeit - zunächst des Zeppelins, dann des Flugzeugs und schließlich atomgetriebener Unterseeboote sowie moderner Forschungseisbrecher.

Im Gegensatz zu einigen zahlungskräftigen Touristen haben bis dato aber nur relativ wenige Wissenschaftler den Pol erreicht, denn die Erforschung dieser extremen Region ist teuer, stellt sie doch erhebliche Anforderungen an die Technik. Die meisten dieser Projekte wurden deshalb von militärischen Einrichtungen der um die Vorherrschaft im Nordpolarmeer ringenden Länder betrieben.

Seit dem 7. September 1991 hat sich die Situation völlig gewandelt. Damals erreichten die deutsche "Polarstern" und die schwedische "Oden" als erste nicht atomar angetriebene Eisbrecher mit rein zivilen Forschungsaufträgen den Nordpol. Sie leiteten damit ein neues Kapitel der friedlichen und systematischen Erforschung des Nordpolarmeeres ein. "Der Nordpol ist kein magischer Punkt auf der Erde mehr, der nur unter großen Entbehrungen erreicht werden kann. Unter Einsatz modernster Technik kann der Nordpol jetzt regelmäßig aufgesucht werden", würdigt AWI-Direktor Professor Jörn Thiede dieses Ereignis.

Die schwere Eisfahrt zu diesem nördlichsten Punkt der Erde im Gegensatz zum angeblich eisfreien Nordpol noch vor einem Jahr weist auf die schnelle Veränderlichkeit der Umweltbedingungen hin, deren Muster es zu erkennen gilt. Dies rechtfertigt auch die aufwendige Polarforschung.

Die momentane Position der Polarstern